Zu Gast in einer der modernsten Notfallkliniken Deutschlands Teil 1

Shownotes

In diesem Podcast geht es um die Arbeit der Björn Steiger Stiftung und die Bedeutung einer funktionierenden Notfallhilfe. Wir sprechen mit Experten, Betroffenen und den Machern hinter den Kulissen. Zur Geschichte der Stiftung: Mai 1969. Auf dem Rückweg vom Schwimmbad wird der 8-jährige Björn Steiger von einem Auto erfasst und dabei schwer verletzt. Es dauert fast eine Stunde, bis endlich ein Rettungswagen eintrifft. Björn Steiger stirbt – nicht an seinen Verletzungen, sondern an den Folgen eines Schocks. Die Eltern Ute und Siegfried Steiger gründen erst einen gemeinnützigen Verein, später entsteht daraus die Björn Steiger Stiftung. Durch ihr unerlässliches Engagement wurden bis heute Millionen Menschenleben gerettet und vergleichbare Schicksalsschläge vermieden.

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00:00:00: Die Björn-Steiger-Stiftung. Der Podcast.

00:00:03: Mai 1969. Auf dem Rückweg vom Schwimmbad wird der 8-jährige Björn-Steiger

00:00:09: von einem Auto erfasst und dabei schwer verletzt. Es dauert fast eine Stunde,

00:00:14: bis endlich ein Rettungswagen eintrifft. Björn-Steiger stirbt.

00:00:17: Nicht an seinen Verletzungen, sondern an den Folgen eines Schocks.

00:00:21: Die Eltern Ute und Siegfried Steiger gründen erst einen gemeinnützigen Verein.

00:00:25: Später entsteht daraus die Björn-Steiger-Stiftung. Durch ihr unerlässliches Engagement

00:00:30: wurden bis heute Millionen Menschenleben gerettet und vergleichbare Schicksalsschläge vermieden.

00:00:36: In diesem Podcast geht es um die Arbeit der Björn-Steiger-Stiftung und die Bedeutung

00:00:40: einer funktionierenden Notfallhilfe. Wir sprechen mit Experten, Betroffenen und den

00:00:45: Machern hinter den Kulissen. Folge 16 zu Gast in einer der modernsten Notfallkliniken Deutschlands.

00:00:51: Guten Tag und herzlich willkommen zum neuen Podcast der Björn-Steiger-Stiftung. Heute bin ich im Essen

00:00:57: am Universitätsklinikum und hier steht eine, wenn nicht gar die modernste Notaufnahme Europas.

00:01:02: Und ich freue mich heute mit dem Direktor des Zentrums für Notfallmedizin, ein Professor Dr.

00:01:08: Matt Clemens, Kill zu sprechen. Professor Kill ist in der Medizinwelt sehr populär, sehr bekannt,

00:01:13: weil er hohes Renommee hat, aktiver Teilnehmer auf zahlreichen Kongressen ist. Und dort, aber eben

00:01:19: nicht nur dort, die Modernisierung der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes in Deutschland

00:01:24: fordert und auch an dieser Stelle hier umsetzt. Willkommen, Herr Professor Kill. Vielen Dank.

00:01:30: Aber da uns nicht nur die Medizinpros hören, sondern auch Menschen, die allgemein an dem

00:01:36: Thema Notfallversorgung sehr interessiert sind, will ich gerne eine Frage stellen, die sehr Professor

00:01:41: Kill wahrscheinlich zum Gehnen, zum Schreien bringt und die sie sicherlich auch nicht zum

00:01:45: Erstmal gehört haben. Ihr Nachnam ist sicherlich in ihrem Beruf eher ungewöhnlicher, Professor

00:01:51: Kill. Wie reagieren Ihre Patienten oder auch Kollegen darauf? Ach, wissen Sie, das höre ich

00:01:56: seit zu vielen Jahrzehnten. Das ringt der Schule an. Aber dann waren Sie noch nicht Arzt. Dass man da

00:02:01: ein bisschen gehänselt hat. Naja, ich habe ja viele Jahre in meinem Leben nicht hauptberuflich nur

00:02:08: Notfallmedizin gemacht, sondern auch Anästhesie. Das heißt, ich habe nach Kosen gemacht, bei Menschen,

00:02:14: die gesund waren und mit denen ich vorher sprechen musste und die dann ja auch, wie heißen Sie und

00:02:20: ich, sie legen mich jetzt schlafen und heißen Kill. Dann habe ich immer gesagt, wissen Sie,

00:02:24: zwei Dinge, das eine ist, sind sie froh, dass ich so heiß bin, ich Müller, dann können sie

00:02:28: sich nicht merken, wer sie nachkrisiert hat. Und das andere ist, dass ich mir bei dem Namen gar

00:02:33: nicht leisten kann, dass was passiert. Und das hat dann alle zum Lächeln gebracht und durchaus

00:02:39: beruhigt und diese Entsatz, wenn ich bis heute an, wenn einer fragt, Sie heißen so, ja,

00:02:43: das ist doch besser, als wenn es passiert. Ja, ich habe mir gedacht, dass das nicht das erste Mal,

00:02:49: das Ganze im Gegenteil und Namenswitze sind nicht die feinsten, aber es wäre auch doof, wenn wir

00:02:53: jetzt einfach darüber weggehen würden und der Zuhörer, die Zuhörer, denkt sich einfach,

00:02:57: Mensch, das ist sehr spannend. Warum fragt er nicht danach und danke, dass wir das so offen auch

00:03:01: ansprechen. Aber wir haben darüber gesprochen hier in Essen, wir sind quasi direkt dort,

00:03:08: ist einer der modernsten Notaufnahmen Europas. Was macht diese Notaufnahme so besonders?

00:03:14: Wir hatten die Chance, vor mittlerweile knapp sieben Jahren komplett strukturell, baulich und

00:03:22: vor allen Dingen organisatorisch eine Notaufnahme neu aufzubauen, die vorher in dieser Form gar nicht

00:03:29: existiert hatte, an der Uniklinik, das eigenwillig war aber so und konnten somit nicht einfach nur

00:03:35: was neu bauen, sondern konnten auch mit einem sehr, sag ich mal, modernen und zukunftsweiten

00:03:40: organisatorischen Konzept ins Rennen gehen. Nur ist es so, dass viele Ortsnotaufnahmen ja so

00:03:45: organisiert sind, dass das so eine Art Multikultigruppe aus ganz vielen verschiedenen Fachrichtungen

00:03:52: sind, die da böse gesagt ein bisschen durcheinander laufen und man dann einen suchen muss, der für

00:03:58: einen bestimmten Patient zuständig ist. Das ist so ein bisschen ein deutsches Phänomen, diese

00:04:03: vielfältigen Fachabteilung, die in der Notaufnahme selbst tätig werden oder, und das ist meiner

00:04:10: Meinung nach das große Problem, nicht tätig werden, weil immer der eine sagt, er sei dafür nicht

00:04:15: zuständig und wir haben das komplett anders gestartet. Wir haben ab dem ersten Tag gesagt,

00:04:19: wir machen keine fachabteilungsbezogene Notaufnahme, sondern wir betreiben die Notfallmedizin

00:04:26: als klinisches Fach. Das heißt, unsere Ärzte sind immer zuständig. Wenn sie kommen und haben Bauchschmerzen

00:04:34: oder Brustschmerzen oder Armschmerzen oder Jucken an der Nase, dann ist immer das gleiche Ärzte-Team,

00:04:41: was sich um sie kümmert und zunächst einmal versucht aus dieser Vielfalt der Symptome,

00:04:45: eine Diagnose zu ermitteln und vor allen Dingen akute Gefahr abzuwenden. Eigentlich sollen

00:04:52: die Notaufnahmen auch ein bisschen Leben retten, das tun wir dann natürlich auch. Und erst dann,

00:04:56: wenn klar, also was eigentlich das Problem ist und wir selber es vielleicht nicht auf die Schnelle

00:05:01: lösen können, dann der Patient nach vielen Stunden oder am nächsten Tag in einer spezialisierten

00:05:06: Abteilung kommt, wo eben sein spezielles Problem richtig gelöst wird und nicht so eine ODC von

00:05:12: einem zum nächsten Macht, stellen Sie vor, eine junge Frau im 21 Jahren kommt mit Unterbauchschmerzen,

00:05:18: da können sie sieben verschiedene Fachärzte aufsuchen mit und letztendlich vielleicht trotzdem

00:05:24: keine pünftige Diagnose haben. Und das haben wir anders gemacht und sind damit so unterwegs,

00:05:29: wie das, was heute so diskutiert wird, nämlich brauchen wir ein Facharzt für Notfallmedizin.

00:05:33: Wir leben das bereits seit sieben Jahren genau in dieser Art und Weise. Und das ist, glaube ich,

00:05:39: die größte Besonderheit, dass wir eine notfallmedizinische Struktur sind, wie man sie sonst nur

00:05:45: im Ausland kennt und in Deutschland sich bis dato kaum existiert. Inwieweit sind die Ärztinnen und

00:05:51: Ärzte, die in der Notfallmedizin hier arbeiten in Essen, im Uniklinikum bei ihnen spezialisiert

00:05:59: auf verschiedene Bereiche oder sind sie eher allgemein geschult, haben ein großes Breiteswissen.

00:06:06: Aber wie weiß die Ärztin der Arzt aus ihrem Britzen ja, viele acht Oberärztinnen,

00:06:12: Ärzte, 13 Assistenzärztinnen und Ärzte, zumindest auf ihrer Webseite ist ja schon wirklich sehr viel.

00:06:17: Wie weißt du, was es bei den Unterleibschmerzen der 21-Jährigen wirklich der Fall ist?

00:06:23: Das sage ich ganz einfach. Diese Entscheider bei uns sind natürlich die, ist das oberärztliche Team

00:06:30: und das sind alles langjährige, auch präglinesstätige Notärztinnen und Notärzte, die wiederum aus

00:06:39: verschiedenen Fachrichtungen kommen. Das kann aus der inneren Medizin sein, in der ursprünglichen

00:06:43: Fachrichtung, das können Anesthesisten, Insif-Mediziner sein, die aber alle sich sozusagen mit ihrer

00:06:48: Fachartsausbildung anschließend umorientiert haben in die Notfallmedizin. Und die Notfallmedizin

00:06:52: im Krankenhaus kann man vielleicht verstehen, als eine Mischung aus dem allgemeinen Mediziner

00:06:58: draußen, der muss ja auch, egal ob die Nase juckt oder das Bein quetscht, sich erst mal damit

00:07:03: beschäftigen und sich eine Idee entwickeln. Also das ist das eine, was wir dabei tun und das andere

00:07:08: ist, dass wir zusätzlich intensiv Mediziner und Lebensretter sind. Das heißt, wenn es um Leben

00:07:14: und Tod geht, alles was die intensiven Medizin auch macht, bereits eine Notaufnahme beginnen und tun.

00:07:19: Und die intensiven Medizin zum Beispiel ist ja auch eine Medizin, die zunächst einmal sich an der

00:07:25: Schwere der Erkrankung festmacht und nicht daran, ob es chirurgisch, internistisch,

00:07:31: günekologisch oder sonst was ist, sondern es ist eine breite Medizin. Und wir machen mit

00:07:36: Notfallmedizin eigentlich die Mixtur aus allgemeinen Medizin und in SIF-Medizin zur ersten Diagnosefindung.

00:07:43: Und das kann man genauso lernen, wie man lernen kann, sich nur in Anführungszeit mit Herz zu beschäftigen.

00:07:49: Und wie lange bleibt dann ein Patient bei Ihnen und wann wird er dann transferiert in eine andere

00:07:54: Abteilungstation? Das schwankt zwischen vorsichtig aus wenigen Minuten. Also wenn zum Beispiel ein

00:08:02: Patient zu uns kommt, mit einem Herzinfarkt, der im EKG einen gesicherten Herzinfarkt hat, dann wird

00:08:08: dann natürlich so schnell wie möglich in der Kardäologie eine Herzkette der Untersuchung

00:08:12: unterzogen. Das ist völlig klar. Das kann aber auch teilweise mehrere Tage bei uns dauern. Wir haben

00:08:18: auch eine eigene Station. Gerade wenn nicht klar ist, wo die Reise hingeht oder ein Patient

00:08:23: beispielsweise nur eine Nacht beobachtet werden muss, bevor man sagen kann, ihr könnt ihr dann nach

00:08:27: Hause, dann geht er gar nicht in eine andere Fachabteilung, sondern bleibt bei unserer eigenen

00:08:31: Überwachungsstation und wir entlassen ihn dann selbst, ohne dass der eine fachspezifische Bahn

00:08:36: überhaupt sieht. Und wenn einer schwerst erkrankt ist und bei uns im Schockraum mit lebensrittenen

00:08:41: Maßnahmen versorgt wird, dann wandert der eine Regel nach ein, zwei, drei Stunden, wenn er komplett

00:08:46: versorgt ist, die gesamte Diagnostik gelaufenes Computer-Tomographie-Ultraschall, alles was

00:08:51: nötig ist und er stabilisiert ist auf eine Intensivstation oder auch in eine andere Intervention

00:08:56: weiter. Also wir reden hier von wenigen Stunden bis zu mehreren Tagen. An wem, an welchem Modell

00:09:02: haben Sie sich orientiert, als Sie dieses Konzept umgesetzt haben? Das ist ein Verfahren, was

00:09:08: insbesondere im angelsächsischen Ausland seit Jahrzehnten gelebter Standard ist. England,

00:09:13: Amerika, in Großbritannien, in den USA. Da gibt es diese Fachrichtung "Excellent in the

00:09:18: emergency" beispielsweise und da ist das gelebte Praxis. Da ist ein Facharzt für Orthobelie,

00:09:26: der kommt nachts nicht in die Notaufnahme. Das machen die Notfallmediziner. Der hat

00:09:31: am nächsten Tag die Aufgabe gegeben falls. Und das ist eigentlich international, ist

00:09:36: das der Gold Standard. Nur in Deutschland sind wir da wahnsinnig hinten dran. Warum auch

00:09:41: immer? Das sind eines der wenigen, ich glaube mittlerweile, es gibt nur noch zwei Länder

00:09:45: in Europa, die kein Facharzt für Notfallmedizin haben. Bei allen anderen ist das eigentlich

00:09:50: mehr oder weniger etabliert. Also man muss da nicht viel neu erfinden, sondern nur mal

00:09:54: mit offenen Augen sich die Welt anschauen. Nun ist es ein, so was zu sehen, zu erkennen,

00:09:58: ist es was ganz anderes, das umzusetzen und auch durchzusetzen. Wie haben Sie das hinbekommen?

00:10:03: Zum einen mit viel Unterstützung des Vorstandes und Aufsichtsrates, der gesagt hat, wir müssen

00:10:08: jetzt hier grundlegend das aufbauen. Und natürlich auch, der große Vorteil war dadurch, dass

00:10:15: keine auch nur ansatzweise vergleichbare Notaufnahmestruktur vorbestand, konnte man etwas neu machen,

00:10:22: ohne dass man einen Bestand ändern musste. Also große Vorteil war diese Entwicklung in

00:10:28: der Medizin, wenn das ein Change Management ist, dann hat man viele Widerstände, dann

00:10:32: muss man gucken, wie erkläre ich denen, dass das bisher nicht gut war und dass wir es jetzt

00:10:37: anders machen müssen. Und weil da nichts war, was wir hätten anders machen müssen, war natürlich

00:10:41: die Chance, dass wir sagen, wir machen es einfach mal so, wir überholen jetzt mal 15, 20 Jahre

00:10:45: Entwicklung, die in Deutschland noch passieren müssen und starten dann im Jahre 2038 einfach.

00:10:50: Wie ist die Rezeption von anderen Einrichtungen? Kommen die zu Ihnen, schauen die sich das an,

00:10:55: sagen sie, das ist der neue Goldstandard. Gibt es Kritik, wenn ja, warum? Also innerhalb der

00:11:01: Familie, der Notaufnahme, Leute, der Notfallmediziner, der Fachgesellschaft für die Notfallmedizin

00:11:08: gelten wir als absolut zukunftsweisend und viele hätten es gerne so, die wenigsten haben so

00:11:15: auch ein großes und breit aufgestelltes Oberarzt-Team, wie wir es zum Beispiel haben. Die haben

00:11:20: einen oder zwei, aber keine acht oder zehn Leute. Da ist die Resonanz durchweg positiv, bei uns im

00:11:26: Hause ist es gut akzeptiert, weil wir eben auch niemanden mit das weggenommen haben, weil es eben

00:11:31: sozusagen neu aufgebaut wurden und die Abteilungen hinter uns, dadurch davon profitieren. Das

00:11:35: leistungsstärke Notaufnahme zieht natürlich Patienten, die Schlaganfälle Herzinfarkter haben

00:11:41: und ähnliches und befüllen sozusagen die Fachabteilungen mit auch Notfallpatienten, die auch

00:11:47: notfallmedizinische Patienten im HMB, Kardiologen oder Neurologen. Natürlich gibt es auch Menschen,

00:11:55: die das anders sehen, insbesondere medizinische Fachgesellschaften in Deutschland, stehen dieser

00:12:01: Emanzipierung der Notfallmedizin sehr kritisch gegenüber. Also, dass die Anwesendsee ist, die

00:12:05: Unfallchirurgie, die die Kardiologen, die Internisten, die sagen, wir machen noch alles,

00:12:10: ist doch alles super bisher, brauchen wir doch gar nicht, ging doch früher und bisher auch so. Und

00:12:15: wir machen das schon. Man kann schauen, wie es dann wirklich ist und der Nacht zum 30 dann wirklich

00:12:22: kümmert und ob dann wirklich alle Experten da sind. Ich glaube, es wird erstens die Politik und zum

00:12:28: anderen perspektivisch auch die Patienten entscheiden, wo sie hingehen und wo sie glauben,

00:12:32: dass das professionell und gut läuft. Wie kommen die Patienten, die Patientinnen zu ihnen? Also,

00:12:39: wenn jetzt ein guter Notfall ist, ist es natürlich eine regionale Perspektive,

00:12:43: ein regionaler Grund natürlich aus dem Umkreis hier, denke ich, wird man die schwersten oder

00:12:48: schwerverletzten auf jeden Fall zu ihnen bringen. Aber welche Kriterien spielen da eine Rolle?

00:12:52: Ja, es ist völlig klar, es ist Regionalität. Also, Notfallmedizin kann man nicht aus 400 km Abstand

00:12:58: machen. Wenn es sich um Notfälle handelt, dann sind wir natürlich als Maximalfersauger hier nicht

00:13:04: nur in der Stadtessenzone, auch in der Region tätig, aber das ist also ich mal ein zweistelliger

00:13:08: Kilometer Rad ist, das ist völlig klar. Und die Patienten kommen auf zwei typische Wegezones.

00:13:14: Eine Hälfte, knappe Hälfte kommt mit dem Rettungsdienst, weil sie anders nicht herkommt,

00:13:19: weil sie entsprechend krank ist und mindestens mal liegen muss oder notärztlich versorgt werden muss,

00:13:24: etc. Und etwas mehr als die Hälfte kommt tatsächlich zu Fuß, entweder weil Hausärzte oder

00:13:30: Erzehbereitschafts sind, die akut einweist wegen eines akuten Problems oder auch und das ist ja in den

00:13:36: Medien allgemein bekannt, weil die Patienten sagen, mir geht es schlecht, ich brauche jetzt Hilfe und

00:13:41: leider natürlich die Notaufnahmen an der Stelle mit Abstand die leistungsfähigsten Systeme in

00:13:47: der Luftversorgung sind und im Gegensatz zu dem Kassenärztlichen Rallschöpfzins jederzeit

00:13:52: da sind, immer alles vorhanden ist, sie auf alles zugreifen können und sofort maximale Hilfe

00:13:58: kriegen. Wir haben uns kennengelernt auf einem Kongress der Björn Steiger Stiftung in Würzburg

00:14:04: und da hat mich sehr überrascht ihre damalige These. Ich weiß nicht, ob sie sich in der Zwischenzeit

00:14:10: geändert hat gerade zu diesem Thema, was sie gerade angeschnitten haben. Und wenn ich das so richtig

00:14:15: wiedergebe, wenn ich sagen sie mir bitte auch, aber dann war das in etwa so, wenn die Menschen diese

00:14:20: Probleme haben in einem und einem gefühlten Notfall dann zu uns kommen, in die Notfallaufnahme,

00:14:26: dann sage ich nicht, selbst als Chef einer solchen Einrichtung kommt nicht, geht erst zum Hausarzt,

00:14:32: sondern ihr habt ein Recht an Anrecht dahin zu kommen, wo euch am ehesten am schnellsten

00:14:38: käufen wird, nämlich in die Notaufnahme. Also das ist tatsächlich ja nicht ganz nur meine These,

00:14:43: auch die Expertenkommission der Bundesregierung hat festgestellt, dass der Notfall dadurch definiert

00:14:51: ist, dass entweder der Patient oder Mediziner der Meinung sind, dass jetzt unmittelbar Hilfe

00:14:58: erforderlich ist. Aber wie kennen wir nicht da kurz rein dafür die Debatte, dass ja vielfach gesagt

00:15:04: wird, lasst die Leute irgendwo anders hingehen, kommt nicht in die Notfallaufnahme. Ihr verstopft

00:15:09: das System, ihr habt meistens gar nichts, ihr wollt noch nicht zum Hausarzt gehen und lange

00:15:13: warten, deswegen kommt gar nicht erst. Das ist ja ein Teil der Kritik. Das ist ein Teil der Kritik und

00:15:19: wenn man jetzt sagt, sagen wir mal 60 Prozent kommen zu Fuß, 40 Prozent mit dem Rettungsdienst in

00:15:25: die Notaufnahme, dann ist es aber leider nicht so, für uns leider, für die Patienten natürlich

00:15:31: nicht, dass diese 60 Prozent alle woanders hingehen könnten. Das Problem ist einfach, dass die

00:15:37: Leistungsfähigkeit unserer ambulanten Medizin, die von der KV ja getragen wird, dass die viele

00:15:45: Dinge einfach nicht leisten kann. Also fangen wir zum Beispiel damit an, dass sie mit dem Fuß

00:15:51: umgeknickt sind und abends um zehn nach ihrem Volleyball Training wissen wollen, ist da was gebrochen.

00:15:57: Es gibt niemand, der sie da draußen rönt. Auch wenn sie nach einem Röntgenbild wieder nach Hause

00:16:01: dürften mit einem Wickel um den Fuß. Genauso, wenn sie Brustschmerzen haben und mit ein oder

00:16:07: zwei Labor-Untersuchungen innerhalb weniger Stunden ausgeschlossen werden kann, dass sie

00:16:10: einen Herzinfarkt haben. Das kann man draußen nicht machen. Das heißt nicht jeder, der bei uns

00:16:15: in den Notaufnahmen hineinkommt und auf seinen eigenen Füßen oder Humphils sie wieder verlässt,

00:16:20: ist Fehler am Platz. Das ist nicht so. Für diesen 60 Prozent, die zu Fuß kommen, wir haben das auch

00:16:24: wirklich mal ausgewertet, könnte man guten Gewissens, also von 100 insgesamt, die kommen,

00:16:30: kann man guten Gewissens vielleicht gerade mal 15 Prozent sagen, was aufgeht zum Hausarzt,

00:16:36: da du brauchst nichts, was nur wir haben. Das heißt im Endeffekt ist die Diskussion,

00:16:42: was jemand eine sogenannte ambulante Versorgung bekommt. Also ambulant heißt er übernachtet

00:16:47: nicht bei uns im Bett. Heißt nicht, dass er falsch ist. Das muss man ganz klar trennen,

00:16:53: nur weil wir da kein Geld kriegen als stationären Fall und nur weil wir, weil derjenige vielleicht

00:16:59: nach 6 Stunden wieder nach Hause geht, ist das trotzdem so, dass er vielleicht in CT

00:17:03: bekommen hat, Zweilaboruntersuchung bekommen hat, irgendeine Ultraschalluntersuchung, die

00:17:07: draußen keiner machen kann oder irgendein Verband oder sonst was. Und das ist halt das Problem.

00:17:11: Natürlich entlastet ein funktionierender Ärzt, die aber Reitschaftsdienst, die Notaufnahmen

00:17:15: signifikant. Aber wir sind hier in der Stadt Essen, wir sind hier in der Stadt Essen, können sie nach

00:17:20: 22 Uhr in keine Notdienstzentrale mehr gehen, weil die einfach zu haben. Weil die sagen,

00:17:26: das lohnt sich für uns nicht. Ja, das rechnet sich nicht. Also so wird Medizin in Deutschland

00:17:32: weitergemacht, das muss sich rechnen. Unsere Notaufnahme rechnet sich nicht,

00:17:35: vormittags nicht, mittags nichts, abends nicht. Das ist ein Zuschussgeschäft, aber wir machen es

00:17:39: trotzdem. Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus? Jeder Tag ist unterschiedlich, sicherlich,

00:17:44: gerade hier kann man das nicht sagen. Aber wenn Sie uns einmal mitnehmen,

00:17:47: Und durch den Tag, wie ist der strukturiert bei Ihnen?

00:17:50: Also, mein Arbeitstag als Chef sieht natürlich anders aus

00:17:53: als der typische Arbeitstag der Notaufnahme.

00:17:56: Der typische Arbeitstag der Notaufnahme sieht so aus,

00:17:58: dass morgens um sieben, sozusagen im ärztlichen Dienst,

00:18:02: der größte Schichtwechsel stattfindet.

00:18:05: Und meistens dann in dieser Notaufnahme noch ...

00:18:08: oftmals ein Dutzend Patienten vom Vortag über Nacht

00:18:12: durch unsere eigene Station auch noch vorhanden sind,

00:18:15: die sortiert werden.

00:18:16: Und dann ist die Frage, kann man sie entlassen,

00:18:19: schicken wir sie hin, schicken wir sie in Fachabteilung.

00:18:22: Also, es beginnt morgens mit den großen Sortieren.

00:18:24: Und im Versuch, möglichst diese Notaufnahme leer zu bekommen.

00:18:28: Denn im Gegensatz zu anderen Medizinsystemen,

00:18:30: wie eine Arztpraxis oder so was,

00:18:32: ist bei uns der Pik oder der Patienten Zustrom,

00:18:35: auch von Akutpatienten, nicht morgens um sieben oder um acht,

00:18:39: sondern der hat eine gewisse Zeitverzögerung.

00:18:42: Das liegt vielleicht ein bisschen daran,

00:18:44: dass die Leute erst mal erkennen müssen,

00:18:46: vielleicht sogar erst mal versuchen,

00:18:48: beim Haushaltshilfe zu kriegen.

00:18:49: Und während wir dann morgens die Notaufnahme versuchen,

00:18:52: leer zu arbeiten, kommen also meistens so ab 10.30, 11.11 Uhr,

00:18:56: fängt das an, sich deutlich zu füllen.

00:18:58: Und während dann, sag ich mal, mittags um 13, 14 Uhr,

00:19:03: viele draußen versuchen, möglichst den Roller runterzumachen,

00:19:06: bewegen wir uns auf die maximalen Patientenzahlen zu.

00:19:10: Also, unsere Piks sind so zwischen 12 und 17 Uhr.

00:19:13: Manchmal bis abends nach 22 Uhr,

00:19:16: weil wir eben im Gegensatz zu den elektiven Bereichen,

00:19:19: jederzeit da sind, und je weniger elektiv läuft,

00:19:22: oder je weniger Regeln sprechen und laufen,

00:19:24: umso mehr suchen Leute natürlich Hilfe bei uns.

00:19:27: Und deswegen ist bei uns der Tag immer so vier bis sechs Stunden

00:19:30: hinten dran.

00:19:31: Also, die höchste Personalvorhaltung haben wir auch

00:19:34: im Zeitraum zwischen 13 und 19 Uhr in dem gesamten Staff,

00:19:38: weil wir sonst das nicht bewältigen können.

00:19:41: Und so geht das dann weiter,

00:19:43: es kommen Patienten, das sind eine hohe zweistellige Anzahl am Tag

00:19:49: zwischendrin.

00:19:50: Gerade wenn man es meistens nicht brauchen kann,

00:19:53: kommen dann schwerstkranke beispielsweise

00:19:55: Patienten unter laufender Reanimationen

00:19:57: vom Rettungsdienst eingeliefert werden,

00:19:59: wo wir dann quasi nebenher in einem unserer drei Schockräume

00:20:03: entqualifizierte medizinische Versorgung machen,

00:20:07: bis zum Einbau einer mobilen Herzlungenmaschine und solchen Dingen,

00:20:11: während neben dran, der mit dem Rückenschmerzen

00:20:13: und den Männer schnupfen am Tresen,

00:20:15: sozusagen von der Schwester auf seine Dringlichkeit

00:20:18: hintriagiert wird und einsortiert wird, wann er denn dran ist.

00:20:21: Ja, der gibt es ja immer das große Unverständnis,

00:20:23: wenn man schon kommt und denkt, man hat sonst was,

00:20:26: dass man dann da, kennt das ja selbst,

00:20:28: war auch schon mal in der Notaufnahme, dachte ich,

00:20:30: da sonst was, hatte ich zum Glück nicht.

00:20:32: Also, ich bin tatsächlich auch Profiteur gewesen

00:20:34: von den Zeiten der Notaufnahme, die Sie beschrieben haben,

00:20:37: hätte auch was anderes sein können, aber ich war sehr froh,

00:20:40: dass ich da geholfen wurde und das mir gesagt wurde,

00:20:43: nee, Sie können ruhig sein, Sie haben da nichts.

00:20:45: Und musste aber natürlich, wahrscheinlich,

00:20:47: weil die Fachkundigen, Ärztinnen und Ärzte das sofort gesehen haben,

00:20:51: Stunden warten.

00:20:52: Da gibt es natürlich immer Unverständnis und Rumkrieg,

00:20:55: wie gehen Sie damit um?

00:20:57: Also zunächst einmal versuchen wir unsere Patientinnen und Patienten

00:21:01: und auch die Angehörigen darüber zu informieren,

00:21:04: dass das keine Wartezeit ist.

00:21:06: Eine Wartezeit ist, ich komme,

00:21:08: bevor der erste sich um mich kümmert.

00:21:11: Diese Wartezeit ist bei uns in der Regel unter fünf Minuten,

00:21:15: weil das Erste, was passiert,

00:21:16: dass sie von einer Fachkundigen bei so einer Regel

00:21:19: eine Krankschwester bei uns an der Anmeldung und Ersteinschätzung

00:21:23: gefragt werden, was ist ihr Problem

00:21:25: und auf so einer Farbskala einsortiert werden.

00:21:28: Rot heißt, wir müssen sofort wiederbeleben,

00:21:30: blau heißt, das hat auch ein paar Stunden Zeit.

00:21:33: Und mit diesem Farbklecks in der Liste,

00:21:36: werden Sie priorisiert.

00:21:37: Und auf diesem Zeitpunkt passiert etwas.

00:21:39: Sie sind schon mal irgendwo risiko- eingeschätzt worden.

00:21:43: Und dann gibt es natürlich einen ersten Arztkontakt.

00:21:45: Und auf diesem Zeitpunkt spätestens reden wir nicht mal von Wartezeit,

00:21:49: sondern von der Behandlungszeit.

00:21:51: Dann kriegen Sie Blut abgenommen,

00:21:53: das dauert eineinhalb Stunden bis die Werte da sind,

00:21:56: auch bei uns oder eine Stunde.

00:21:58: Das ist keine Wartezeit, das ist ganz normal.

00:22:00: Das läuft ja was im Hintergrund.

00:22:02: Das passiert vielleicht,

00:22:04: wenn Sie zum Röntgen oder es gibt bestimmte Untersuchungen.

00:22:08: Oder wir sagen,

00:22:09: wir müssen mal noch einen Rat eines weiteren Fachkollegen dazuziehen.

00:22:13: Also, es passiert ja einiges.

00:22:15: Und das Argument für uns ist immer, wenn Sie zu uns kommen

00:22:18: und sind, sag ich mal, sechs oder zehn Stunden in der Notaufnahme,

00:22:22: werden anschließend nach Hause geschickt,

00:22:24: haben ein CT bekommen, zwei Laboruntersuchen bekommen,

00:22:27: drei verschiedene Ärzte haben Sie untersucht.

00:22:30: Dann müssen Sie mal vorstellen,

00:22:32: dass Sie die gleiche Leistung draußen kriegen.

00:22:34: Da warten Sie allein auf die Termine drei Monate.

00:22:37: Und wir machen es in nur zehn Stunden.

00:22:39: Und das ist das Argument.

00:22:41: Und es gibt Menschen, die verstehen es,

00:22:43: die verstehen es nicht.

00:22:44: Das ist dann leider so, wir haben auch Konflikte,

00:22:47: die da entstehen.

00:22:48: Und es gibt doch teilweise eine zunehmende Erwartungshaltung.

00:22:51: Aber das ist ebenso, es ist also das Argument,

00:22:54: dass immer die Leistung, die Sie in dieser Zeit dann kriegen,

00:22:57: kriegen Sie woanders nur in Wochen und Monaten.

00:23:00: Ja, der Meinungsein, und das überrascht mich,

00:23:02: ich find's sehr positiv, dass Sie aber der Meinungsein müssten,

00:23:06: wie so viele andere auch, zu sagen, nein,

00:23:08: wir werden hier überlastet als Einrichtung.

00:23:12: Wenn wir so weitermachen, kommen immer mehr Menschen zu uns,

00:23:16: gerade weil Sie diese Leistungen bei uns so schnell bekommen,

00:23:19: anderswo die Wartezeiten immer länger werden.

00:23:22: Was bringt Sie trotzdem, vielleicht noch mal

00:23:24: auf diesen einen Punkt zurückkommt, dahin zu sagen, nein,

00:23:28: ich öffne mich denjenigen, die zu mir kommen wollen

00:23:32: und stelle Ihnen diese Leistung zur Verfügung?

00:23:35: Das ist jetzt vielleicht nicht ganz klar gewesen.

00:23:38: Also wir propagieren nicht aktiv, bitte, kommt zu uns,

00:23:41: wir haben zu wenig zu tun.

00:23:43: Aber wenn die Menschen kommen,

00:23:45: müssen wir es zunächst mal respektieren und irgendwie lösen.

00:23:48: Auch wir dieten Leuten mit einer niedrigen Versorgungsdringlichkeit

00:23:52: und einem offensichtlich profanen Problem an,

00:23:55: zu sagen, wissen Sie was, ich glaube,

00:23:57: Sie gehen morgen mal zum Hausarzt, das reicht.

00:23:59: Machen wir natürlich auch.

00:24:01: Aber wir machen nicht die Tür zu

00:24:03: und erwarten, dass die Leute eine Eintrittskarte

00:24:06: von einem anderen sich holen, damit sie zu uns reinkommen dürfen.

00:24:10: Das ist auch in Deutschland im Moment nicht der Plan.

00:24:13: Das ist halt leider so.

00:24:15: Und ich hoffe, dass die KV

00:24:18: ein bisschen mehr in Ihre Versorgungsverantwortung genommen wird

00:24:21: durch die Gesetzesreform, die gerade auch dem Weg ist.

00:24:24: Das ist ja auch so zu sehen,

00:24:25: dass vielleicht vieles auch mit einer Tele-Sprechstunde gelöst werden kann.

00:24:29: Ich glaube, dass viele Leute, wenn wir ein besseres Angebot haben,

00:24:32: einer niederschwelligen Beratungsleistung,

00:24:35: wir haben im Moment ja nicht nur die Möglichkeit,

00:24:38: ich gehe entweder irgendwo hin oder ich halte es aus.

00:24:41: Ich kann nicht irgendwo mich mit dem Video Chat beraten lassen,

00:24:44: ob das was Schlimmes ist.

00:24:46: Wenn wir solche Dinge haben, dann kann man vieles,

00:24:48: glaube ich, abpuffern.

00:24:50: Und dann wird das uns auch entlasten.

00:24:52: Es ist ja auch scharf zu sagen, dass die Leute zu doof sind oder sonst was.

00:24:56: Nein, zunächst müssen wir als Experten den Leuten

00:24:59: einen Zugang zum System liefern,

00:25:02: wo diese Sortierung einfacher und besser geht

00:25:06: und nicht die Leute umerziehen.

00:25:08: Das kann nicht funktionieren.

00:25:10: Das ist unser Job.

00:25:11: Wir müssen entscheiden, wer was braucht

00:25:14: und wenn wir das mal in der Distanz telemedizinisch hinkriegen

00:25:17: oder mit anderen Systemen oder eine App

00:25:20: zum Eintickern, wie es schlimmst wirklich ist.

00:25:23: Da gibt es ja viele Ansätze.

00:25:25: Aber unser regiertes deutsches System braucht immer Jahrzehnte,

00:25:29: um digitale Möglichkeiten erst mal zu erkennen

00:25:31: und zweitens mal dann auch noch mit deutscher Gründlichkeit umzusetzen.

00:25:35: Jetzt sind Sie hier in Essen Vorreiter.

00:25:38: Könnten anderen Kliniken in Deutschland als Modell dienen?

00:25:42: Welche Schritte sind notwendig,

00:25:43: damit das auch tatsächlich so funktionieren kann?

00:25:46: Solange die Politik wie auch die Berufspolitik

00:25:50: und ich spreche mir von der Ärztin selbst Verwaltung

00:25:53: zu einem Überfluss nicht versteht,

00:25:55: dass die Notvermedizin mittlerweile ein eigener Funktionsbereich ist,

00:25:59: der eigentlich einen eigenen Facharzt verdient,

00:26:02: der nur das macht und das auch gut macht.

00:26:04: Solange dieser Weg nicht begangen ist,

00:26:06: wird das alles immer nur in kleinen Schritten

00:26:09: und mit Widerständen sonst was passieren.

00:26:12: Das Zauberwort heißt Facharzt für Notvermedizin.

00:26:15: Das entlastet alle anderen hinten dran

00:26:18: und stellt gleichzeitig Qualitätskriterien

00:26:21: in der täglichen Praxis auf.

00:26:23: Das wird möglicherweise dazu führen

00:26:25: und damit habe ich persönlich gar nicht so Probleme,

00:26:28: dass wir die Flächenversorgung schon etwas weniger dicht haben,

00:26:32: wie wir sie heute haben.

00:26:33: Aber wenn ganz ehrlich ist,

00:26:35: in dem Moment, wo es im Leben motot geht,

00:26:38: helfen uns die kleinen Krankenhäuser am allerwenigsten weiter,

00:26:41: da braucht man Zentren.

00:26:43: Und in dem Moment, wo es um einfache Befindlichkeitsstörung geht

00:26:47: weniger lebensbedrohliche Dinge, wo, sag ich mal,

00:26:50: Wohnortnähe nett wäre, da ist es lediglich Komfort.

00:26:54: Leben und Tod, da geht es eben drum in einer Notfallklinik,

00:26:59: in einer Unfallklinik.

00:27:01: Wie gehen Sie und Ihr Team mit besonders schweren Fällen um,

00:27:04: die auch, ich denke, auch mal nach so vielen Jahren

00:27:07: im aktiven Dienst emotional belastend sein können?

00:27:10: Und gibt es da spezielle Maßnahmen oder Ansätze,

00:27:12: um die psychische Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

00:27:16: zu unterstützen?

00:27:17: Das gibt es tatsächlich.

00:27:19: Freulicherweise hat sich das auch so ähnlich

00:27:22: in der außerklinischen Situation,

00:27:24: wie auch in der innerklinischen,

00:27:26: durchaus mittlerweile etabliert,

00:27:28: dass es nicht an der Person hängt, an der Einzelnen,

00:27:32: ob etwas belastend ist oder nicht, sondern an der Situation.

00:27:35: Das heißt, dass nicht man der Hau-Degen sein muss,

00:27:38: dem das nichts ausmacht, sondern dass es eben so ist,

00:27:40: dass es völlig normal ist und dass die Menschen

00:27:43: vielleicht unterschiedlich darauf reagieren, damit umgehen.

00:27:46: Und das ist ja auch so ein Problem.

00:27:48: Dazu entsprechende Angebote auch innerhalb des Hauses,

00:27:51: die dafür genutzt werden können.

00:27:53: Wir versuchen im Team grundsätzlich bei besonders blöden

00:27:57: oder, sagen wir mal, belastenden Situationen,

00:28:00: also wenn jetzt, beispielsweise junge Leute trotz aller Bemühungen,

00:28:03: uns unter den Händen wegversterben.

00:28:05: Dann sind wir ja nicht schuld daran,

00:28:08: aber es ist trotzdem kein schönes Gefühl.

00:28:10: Wir haben alles versucht und wir versuchen diese Situation

00:28:14: systematisch sowohl von der Belastungsstation

00:28:18: als auch von dem, wie wir diesen Fall gemanagt haben,

00:28:21: unmittelbar zu "deep briefing", sozusagen.

00:28:23: Wir beschäftigen uns auch in der Zeit und die Distanz

00:28:26: mit besonders kniffligen Fällen oder besonders unschönen Verläufen,

00:28:30: indem wir die noch mal aufarbeiten und gucken,

00:28:32: was können wir daraus lernen?

00:28:34: Könnten wir vielleicht etwas insgesamt nichts mal besser machen?

00:28:37: Haben wir was übersehen?

00:28:39: Sind Optimierungspotenziale, das ist ja auch so ein Ding,

00:28:42: dass man sich darum bemüht, dass alles bestmöglich läuft.

00:28:46: Und das ist so im Großen und Ganzen dieses Settings.

00:28:50: Ich selber mache seit 40 Jahren Notfallmedizin,

00:28:53: also über die Rettungsdienstschiene ziemlich auf den Tag genau.

00:28:56: Und ich nehme mich da nicht aus, dass es Situationen gibt,

00:28:59: die ich bis heute in Erinnerung habe.

00:29:01: Das ist völlig normal.

00:29:03: Wir müssen nur daran alles setzen,

00:29:05: dass man deswegen nicht nachts aufwacht, weil man davon träumt.

00:29:08: Das ist die große Aufgabe.

00:29:10: Alles andere, maximal empathielos, wenn das alles an einem vorbei ging.

00:29:14: Aber das ist mittlerweile vor allen Dingen im Beruf der Medizin,

00:29:18: aber genauso auch bei Feuerwehren und Ähnlichem.

00:29:21: Es ist zumindest akzeptiert, dass das nicht Schwäche ist,

00:29:24: sondern völlig normale menschliche Reaktion,

00:29:26: dass diese Dinge eine Belastung darstellen.

00:29:29: Was wir leider nicht bekommen, wir kriegen keinen Tagurlaub mehr.

00:29:33: Deswegen, wir kriegen keine sonstigen, sage ich mal, Marscherleichterung.

00:29:39: Das ist tatsächlich ein Ding, was in dem Hof immer nennt,

00:29:42: sicherlich den einen oder anderen auf den Abhalten mal,

00:29:45: den Markt in so einem Bereich zu arbeiten.

00:29:47: War früher mehr hautigen?

00:29:49: Auf jeden Fall.

00:29:51: Also früher war es, wenn ich mal 20, 30 Jahre zurückblicke,

00:29:55: waren die, die belastet waren, die Weicheier,

00:29:58: die halt einfach nicht robust genug waren für den Job.

00:30:02: Ja, und die Kuhlen, die sind ja extra noch mal gucken gegangen,

00:30:05: irgendwo, wenn da einer zerfetzt und dann Zug lag.

00:30:09: Mittlerweile ist es so, dass das akzeptiert ist,

00:30:12: dass man sowas versucht, möglichst zu minimieren,

00:30:15: dass man nicht jeden irgendwo dahin schickt, sondern sagt, was auf,

00:30:19: es müssen nicht alle gucken gehen, das reicht,

00:30:21: wenn die nötigsten das tun und so weiter.

00:30:23: Und dass das dann nicht uncool ist,

00:30:25: sondern dass das sinnvoller Umgang ist, um zu vermeiden,

00:30:29: dass man unterwegs Leute verlegt,

00:30:31: die dann doch irgendwo damit nicht umgehen können,

00:30:33: trotz aller Hilfestellung. Das kann natürlich immer passieren.

00:30:37: Der Notaufnahme übt auf viele Menschen eine hohe Faszination aus.

00:30:40: Auch das ist ja wahr.

00:30:42: Und die Intensität, die Notwendigkeit zu schnellen,

00:30:44: auf lebensrettenden Maßnahmen und Entscheidungen,

00:30:47: das Hochfachwissen,

00:30:48: sind immer wieder neu anwenden, in jeder neuen Situation neu zu reagieren

00:30:52: oder höchster Anspannung, das unter Zeitdruck abrufen und anwenden.

00:30:58: Das sind ja Merkmale, die neben all der Wichtigkeit,

00:31:01: der Ernsthaftigkeit auf viele Menschen,

00:31:04: die in der Popularität des Themens Rettungsdienst,

00:31:07: Notfahrrettung heutzutage eine hohe Faszination mit sich bringen.

00:31:10: Und die sehen das auch in der Überhöhung

00:31:13: von verschiedenen TV-Formaten, TV-Serien bis in so Emergency Room.

00:31:17: Und dergleichen, wobei wir wissen, dass die Realität natürlich anders aussieht.

00:31:21: Aber was ist Ihre Erklärung, was fasziniert die Menschen

00:31:25: so sehr an diesem ganz besonderen Beruf?

00:31:28: Also, dass das Thema fasziniert und in den Medien

00:31:31: für gewisse Einschaltquoten sorgt, ist nicht zu übersehen.

00:31:34: Aber es ist tatsächlich gar nicht so,

00:31:37: dass wir jetzt überrannt werden von Leuten,

00:31:40: die das gerne machen wollen.

00:31:42: Es ist immer ein schmaler Grad zwischen dieser von Ihnen

00:31:45: schön zusammengefassten Möglichkeit, sich dafür zu begeistern.

00:31:48: Weil sie eben auch, sag ich mal, nie langweilig wird.

00:31:52: Also, ich sehe bis zum heutigen Tag immer noch Dinge,

00:31:54: die ich 40 Jahre nicht gesehen habe.

00:31:56: Das kommt nicht in jedem Hof vor.

00:31:59: Sie ist auch mit einer hohen, vor allen Dingen physischen

00:32:02: und tageszeitlichen Belastung verbunden.

00:32:04: Denn das, was so nett aussieht, wenn man um 2015 im Fernsehen davor sitzt,

00:32:10: das findet auch um 3.47 Uhr statt.

00:32:12: Und auch hoch- und endqualifizierte Mitarbeiter,

00:32:16: beispielsweise unsere Oberärzte und Oberärzte,

00:32:19: die können nicht wie in irgendeinem etwas gemütlicheren Fach

00:32:22: um 16.30 Uhr nach Hause gehen

00:32:23: und anschließend vielleicht in dem Oberärztin-Hintergrunddienst

00:32:27: werden sie dann kurz vor einfach der Dunkelheit noch einmal angerufen

00:32:31: und ansonsten schlafen sie ruhig.

00:32:32: Bei uns wird auch nachts um 3 gearbeitet, und zwar physisch anwesend.

00:32:37: Und das ist das, was dann natürlich auch ein Riesennachtzeit ist.

00:32:40: Und das kann sich auch jeder ausrechnen.

00:32:42: Und das ist eine echte Challenge, so was bis zur Rente zu machen.

00:32:46: Nachts um 3.47 Uhr von null auf Vollgas.

00:32:50: Im fortgeschrittenen Berufs- und Lebensalter,

00:32:52: egal ob Pfleger oder Ärztinnen und Ärzte.

00:32:55: Und das ist für mich so ein bisschen in der Personalentwicklung,

00:32:58: die große Zeitbombe, dass wir hochqualifizierte Leute haben,

00:33:02: aber für keine Berufsgruppe eine Exit-Strategie haben,

00:33:05: wenn es dann irgendwie bei 50+ nicht mehr so gut geht.

00:33:09: Vielleicht müssen die den Weg zum Hausarzt dann finden oder so.

00:33:13: Das ist ja auch nicht verkehrt, wann einer was kann.

00:33:15: Aber das ist so ein bisschen das Problem,

00:33:17: dass viele junge Leute dafür begeistern können.

00:33:20: Aber wenn die alles können und 45 sind,

00:33:24: dann ist das ein schmaler Grad zwischen Begeisterung

00:33:27: und hoher Belastung.

00:33:29: Wir haben Sie es geschafft, sich so zu halten in all den Jahren

00:33:33: und mit der Belastung, die da mit reinhergeht.

00:33:35: Ich habe jetzt Glück, dass ich als Chef hier im Hause

00:33:38: keine Nachtdienste machen muss.

00:33:40: Das muss ich zum Glück nicht.

00:33:42: Ich gönne mir das, dass ich gelähnliche 24-Stunden Notarztdienst mach.

00:33:45: Da muss ich nachts auch aufstehen, das geht auch noch.

00:33:48: Aber letztlich für mich ist das halt so die Hauptbegeisterung.

00:33:52: Ich ertrage dafür sehr viel.

00:33:54: Ich werde auch nachts noch angerufen.

00:33:56: Ich habe jeden Tag zwei Telefone in der Hose im Tasche stecken.

00:33:59: Das ist halt so, das ist kein Nein-to-Five-Job.

00:34:03: Aber ich bin über diese Notfallschiene,

00:34:06: über den Rettungsdienst letztlich in die Medizin gekommen.

00:34:09: Und bin dann halt jetzt, sag ich mal, drin hängen geblieben.

00:34:12: Also, ich hätte nicht Medizinstudiert,

00:34:15: wenn ich nicht vor den Rettungsdienst als Begeisterung entdeckt hätte.

00:34:18: Wie war das vielleicht noch abschließend

00:34:20: zu diesem komplexen Gespräch?

00:34:22: Wie sind Sie in den Rettungsdienst gekommen?

00:34:24: Gute Geschichte.

00:34:25: Ich hab irgendwie mal aus Jux und Dolorei

00:34:29: mit irgendwie niedrigem, zweistelligen Lebensalter,

00:34:33: ich glaub, vielleicht zwölf oder dreizehn,

00:34:35: auf dem Dorf beim Jugendrotkreuz mich angemeldet.

00:34:38: Und dann hab ich festgestellt, dass das nicht uncool ist.

00:34:41: Damals war das noch so,

00:34:42: dass ganz viel ehrenamtlich Rettungsdienst gemacht wurde.

00:34:46: Dann hab ich festgestellt, dass ich mit 16 Jahren schon mitfahren durfte.

00:34:50: Dann hab ich festgestellt, dass das ganz cool ist eigentlich.

00:34:53: Und dann hab ich irgendwie lieber ein bisschen Ausbildung gemacht.

00:34:57: Bin dann lieber nach Rettungswagen gefahren ehrenamtlich bis morgens

00:35:00: im Sieben und von dort erst dann in die Schule gegangen.

00:35:03: Dementsprechend war mein Abitur nicht das Beste,

00:35:06: weil ich eben mehr Rettungsdienst als Abitur gelernt habe.

00:35:09: Und nicht die beste Qualifikation,

00:35:11: um dann Voraussetzung, um dann Medizin zu studieren.

00:35:14: Ja, ich hatte dann Glück,

00:35:15: dass ich halt trotzdem mit Schulplätzen gepflegt hatte.

00:35:18: Und dann ist das dann irgendwie alles passiert.

00:35:20: An dieser Stelle unterbrechen wir unser Gespräch mit Prof. Giel

00:35:24: und freuen uns auf eine Fortsetzung in der kommenden Woche

00:35:27: zum Teil 2 zu diesem Podcast.

00:35:30: Die Björn Steigerstiftung.

00:35:31: Der Podcast.

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