Tempo 100 - Fortschritt oder Bremse?
Shownotes
In dieser Folge spricht Béla Anda mit Siegfried Brockmann, dem Verkehrsexperten der Björn Steiger Stiftung über die viel diskutierte Frage, ob ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen sinnvoll ist, was die rechtlichen Grundlagen dafür sind und weshalb die Diskussion um Tempo 100 die Gemüter immer wieder erhitzt.
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00:00:00: Die Björnsteigerstiftung. Der Podcast.
00:00:03: Mai 1969. Auf dem Rückweg vom Schwimmbad wird der 8-jährige Björnsteiger von einem Auto erfasst und dabei schwer verletzt.
00:00:12: Es dauert fast eine Stunde, bis endlich ein Rettungswagen eintrifft. Björnsteiger stirbt.
00:00:18: Nicht an seinen Verletzungen, sondern an den Folgen eines Schocks.
00:00:22: Die Eltern Ute und Siegfried Steiger gründen erst einen gemeinnützigen Verein.
00:00:26: Später entsteht daraus die Björnsteigerstiftung. Durch ihr unerlässliches Engagement wurden bis heute Millionen Menschenleben gerettet und vergleichbare Schicksalsschläge vermieden.
00:00:36: In diesem Podcast geht es um die Arbeit der Björnsteigerstiftung und die Bedeutung einer funktionierenden Notfallhilfe.
00:00:42: Wir sprechen mit Experten, Betroffenen und den Machern hinter den Kulissen.
00:00:47: Folge 19. Tempo 100. Fortschritt oder Bremse.
00:00:51: Wir sind in Berlin am schönen Potsdamer Platz bei Siegfried Brockmann, dem Verkehrsexperten der Steigerstiftung.
00:00:58: Wir sprechen heute über ein sehr emotional beladenes Thema, das Tempo-Limit.
00:01:05: Ich war Herr Brockmann gerade in Österreich und in der Schweiz.
00:01:09: Durch Österreich wird man dann ein kleines Stück durch, wenn man in die Schweiz muss, von München ausgesehen.
00:01:13: Man fährt durch zwei Länder, die Tempo-Limit haben, so wie alle anderen Länder auf der Welt, außer Deutschland.
00:01:20: Ich war auch nicht immer Fan davon, aber ich dachte, als ich dann so auch ohne Stau fuhr, natürlich lag das auch daran Mensch,
00:01:27: es ist ja auch eigentlich ganz entspannen.
00:01:31: Gibt es eigentlich messbare Vorteile aus diesen Regelungen, dem Tempo-Limit?
00:01:37: Also zunächst müssen wir auch bei diesem Thema wieder sagen, man muss differenzieren.
00:01:41: Das Tempo-Limit kann man natürlich auch auf der Landstraße und auch innerstädtisch diskutieren
00:01:46: und dass sich die ganze Diskussion auf die Autobahn konzentriert,
00:01:50: zeigt eigentlich schon, dass das mehr Ideologie beladen als tatsächlich Sachbegründet ist.
00:01:55: Denn auf der Autobahn haben wir ja sowieso nur rund 11% aller Straßenverkehrstoten
00:02:01: und das bedeutet, die Potenziale, die ich dort heben kann, sind natürlich auch extrem überschaubar.
00:02:06: Und wenn wir uns die Unfälle mit Getöteten auf Autobahnen ansehen, was man ja selbstverständlich tun kann,
00:02:13: dann kann man in Datenbanken ganz gut sehen, nicht für alle Unfälle, aber doch als Fingerzeig,
00:02:19: wie viele davon, egal bei welchem Tempo, trotzdem mit Schwerverletzten oder Getöteten ausgegangen wären
00:02:25: und welche möglicherweise, man weiß es nicht, anders ausgegangen wären, wenn das Tempo gering gewesen wäre.
00:02:32: Und die bescheidenden Zahlen, die es dazu gibt, weisen eher darauf hin,
00:02:37: dass wir vielleicht rund 5% aller Getöteten auf deutschen Autobahnen vermeiden könnten,
00:02:44: wenn wir ein Tempo-Limit von 130 oder weniger hätten.
00:02:48: Und das bedeutet letztlich, dass ich hier von 40, 50 Getöteten spreche
00:02:56: bei rund 2800 Verkehrstoten insgesamt.
00:03:00: Und das bedeutet, also die Zahlen, die ich hier heben kann, sind nicht so doll.
00:03:04: Man kann das natürlich auch unter ganz anderen Blickwinkeln diskutieren, nämlich wie Sie gerade schon gesagt haben,
00:03:10: man kommt vielleicht durchaus entspannter ans Ziel, vielleicht auch gar nicht so viel später.
00:03:16: Letztlich ist es ja auch so, dass andere Verkehrsträger beispielsweise die Bahn
00:03:22: möglicherweise natürlich auch davon profitieren, wenn das Auto eine Fahrzeitverlängerung bekommt
00:03:26: und ich vermute da auch eher die Triebfeder vieler Menschen, die dieses Thema diskutieren wollen.
00:03:31: Warum ist das Tempo-Limit in Deutschland ein so emotionales Thema?
00:03:35: Also ich glaube, dass die Generation, die zurzeit noch an den Entscheiderhebeln sitzt,
00:03:40: eine ist, die mit dem Automobil als Status-Symbol groß geworden ist.
00:03:44: Und das bedeutet ganz einfach, dass Thema Freiheit konzentriert sich in Deutschland tatsächlich wie,
00:03:50: ich vergleiche es nicht ohne Grund, der Waffenbesitz in USA verbindet sich das in Deutschland,
00:03:57: vor allen Dingen mit dem Thema Automobil, großes Automobil, schnell verandürfen
00:04:03: und deswegen kommt man so schwer auch mit rationalen Argumenten,
00:04:07: welcher Art auch immer dieser Diskussion bei.
00:04:10: Da gab es früher den Spruch, viele werden ihn nicht mehr kennen, ich erinnere ihn noch gut,
00:04:14: freie Fahrt für freie Bürger.
00:04:16: Das bedeutet natürlich auch im Umkehrschluss, wo es diese freie Fahrt nicht mehr gibt,
00:04:21: sind auch die Bürger nicht mehr letztendlich frei, oder?
00:04:24: Also ich meine, vieles davon ist ja mehr vollkloro.
00:04:28: Also jeder, der auf der Autobahn mal unterwegs ist und das eben nicht mitten in der Nacht,
00:04:33: weiß natürlich, dass die Phasen, wo man denn mal wirklich frei fahren kann,
00:04:38: ohnehin ausgesprochen begrenzt sind.
00:04:40: Und im Gegenteil, gerade dadurch, dass man dann vielleicht mal eins bei drei Kilometer richtig aufs Gas treten kann,
00:04:47: habe ich ja einen doppelten Effekt.
00:04:49: Erstens verbrauche ich natürlich irrsinnig viel Energie für die Beschleunigung und das Abbremsen dann wieder.
00:04:56: Und auf der anderen Seite muss ich dann eben vielleicht auch doppelt so schnell heizen,
00:05:00: um irgendwas wieder herauszuholen.
00:05:02: Und das gefährdet natürlich auch alle anderen auf anderen Spuren, die dann mit so hohen Geschwindigkeiten gar nicht rechnen.
00:05:07: Also wenn man ihn so zuhört, könnte man denken, ein Tempol, den man mit auf Autobahnen hätte,
00:05:13: wenn überhaupt einen sehr, sehr begrenzten Wert.
00:05:16: Tatsächlich hätte das nur einen begrenzten Effekt in Zahlen.
00:05:18: In Zahlen, technisch gesehen.
00:05:20: Ja, also in Zahlen hätte das tatsächlich nur einen begrenzten Effekt.
00:05:24: Das ist richtig.
00:05:25: Die Frage, die keiner beantworten kann, ist, wie wirkt das auf unser Verkehrsklima insgesamt?
00:05:31: Hat das vielleicht Auswirkungen darauf, wie wir insgesamt miteinander umgehen?
00:05:35: Ob der Staat tatsächlich hier Freiräume zulässt, wo man heizen kann, wie verrückt und andere Gefährde dabei?
00:05:41: Oder ob er das nicht zulässt?
00:05:43: Und inwieweit das insgesamt dann etwas für die Gesellschaft auf der Straße bedeutet, das kann man nicht wissen.
00:05:50: Von den Tempo-Freunden wird ins Weltgeführte, dass ein Verzicht auf ein Tempolimit in Deutschland
00:05:56: auch nachhaltig positive Auswirkungen auf die deutsche Automobilindustrie hat.
00:06:02: Warum sind unsere Autos so gut, so klang es früher, weil wir nämlich bei uns kein Tempolimit haben
00:06:08: und unsere Autos nicht bei 160 auseinanderfallen, wie es eins die amerikanischen Wagen taten?
00:06:15: Ist das noch opportun so zu argumentieren in Zeiten globaler Lieferketten?
00:06:22: Also ich glaube, das Ganze spielt sich nicht auf der technischen Ebene ab.
00:06:26: Denn inzwischen ist es ja natürlich auch so, dass man mit jedem amerikanischen Fahrzeug auch 220 fahren könnte,
00:06:31: ohne dass man in Gefahrgeräte hier aus der Kurve zu fliegen.
00:06:35: Wo das sicherlich einen Effekt hat, ist emotional.
00:06:39: Also ich selber habe in USA mehrfach die Erfahrung gemacht, dass deutsche Autos tatsächlich damit ingenörtechnisch verbunden werden.
00:06:47: Ob das jetzt wirklich in der Sache gerechtfertigt ist oder nicht, weiß man nicht.
00:06:52: Aber es ist halt ein Marketingargument zu sagen, ja, Made in Germany heißt eben auch,
00:06:59: dass die hier für sehr hohe Geschwindigkeiten konzipiert wurden.
00:07:02: Das glaube ich schon. Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass wir auch entsprechende Autobahnen haben.
00:07:09: Das heißt, unsere Autobahnquerschnitte, die Kurvenquerschnitte, die Fahrbahnneigung,
00:07:14: alles ist darauf zugeschnitten, dass man dort sehr hohe Geschwindigkeiten fahren kann.
00:07:19: Und wenn wir natürlich andere Geschwindigkeiten hätten, könnte das möglicherweise eben auch bedeuten,
00:07:24: dass man da bei der Konzipierung, Planung von Autobahntrassen auch anders vorgehen könnte.
00:07:30: Das stimmt schon, die Fahrbahn breite, aber das ist ein ganz subjektiver Eindruck.
00:07:34: Wenn ich meine Italien-Fahrer habe, habe ich den Eindruck zumindest, die Fahrbahnen sind weniger breit dort als hier.
00:07:41: Und sie beschreiben es, die Neigung in den Kurven ist, der manchmal tatsächlich so, dass man so einen Steilkurven-Effekt hat,
00:07:47: tatsächlich, dass die eben geneigt ist, damit ich entsprechend dann nicht aus der Kurve fliege.
00:07:54: Ja, tatsächlich muss ja natürlich jeder Ingenieur, der eine Straße plant,
00:07:59: mit welchen hohen Geschwindigkeiten wir darüber fahren können.
00:08:03: Und leider ist es ja inzwischen so, dass Neuwagen im Schnitt rund 170 PS haben in Deutschland
00:08:09: und das bedeutet, dass die alle ohne weiteres 220 schaffen und viele davon eben auch mehr.
00:08:15: Ja, das ist ein Phänomen, das verstehe ich auch manchmal wirklich mit offenem Mund davor.
00:08:20: Ich hatte mal, ich geb es zu einen Golf GTI, als der Wagen relativ neu war.
00:08:26: Da hatte er 105 PS und natürlich diesen besunden Turbolader, aber das war schon so für diese Kategorie von Autos das höchste der Gefühle.
00:08:36: Und sie sagen es jetzt 170. Wie kam es, dass die Autos einfach immer mehr motorisiert wurden?
00:08:41: Man muss sagen, das ist ein Doppel-Effekt. Ihr Golf war natürlich vermutlich ein Golf 1.
00:08:46: Das bedeutet, er hatte ein Leergewicht von 800 kg und das 800 kg Leergewicht erzielte eben dadurch,
00:08:52: dass er kaum Zusatzaggregate hatte und in der Regel ja auch keine Klimaanlage in der Zeit.
00:08:56: Und die Scheiben musste ihr auch noch kurbeln?
00:08:58: So ist das und wir haben inzwischen extrem viel elektronische Unterstützungselemente.
00:09:04: Das fängt eben an mit Servo-Lenkung, Servo-Bremsen, Klimaanlagen.
00:09:09: Alles Mögliche wird elektrisch unterstützt gemacht.
00:09:13: Und das führt dazu, dass wir bei Neuwagen ohne weiteres und zwar noch nicht Elektro, die sind ja noch viel schwerer bei 1,7 Tonnen inzwischen sind.
00:09:22: Und die müssen ja auch fortbewegt werden.
00:09:25: Und jeder, der mal ein Oldtimer mit, sagen wir mal, 110 PS gefahren hat, wird sich gewundert haben, wie unglaublich agil dieses Teil abgeht.
00:09:35: Und wie unglaublich träge die 170 PS in dem viel schwereren Wagen dann sind.
00:09:40: Das heißt, also damals hörte es sich zwar weniger an.
00:09:44: Es war de facto aber zumindest in der Beschleunigung gar nicht weniger.
00:09:48: Was wäre denn, wenn wir mal von einem Tempolimit ausgehen, was wäre denn ein vernünftiges Tempolimit,
00:09:54: das man ansetzen müsste, könnte, wenn man tatsächlich ernsthaft drüber nachdenkt,
00:10:00: das auf deutschen Autobahnen einzufohlen oder Ihnen jetzt die Forderung danach in den Mund zu legen?
00:10:06: Also ich habe ja seit vielen Jahren, weil ich einfach als Wissenschaftler agiere und nicht einfach eine Meinung haben möchte,
00:10:12: gesagt, wir müssen mal schauen, in einem Großversuch, welche denn die ideale Geschwindigkeit ist.
00:10:20: Denn natürlich gibt es auch sehr viele Umweltverbände, die am liebsten Tempo 100 hätten.
00:10:26: Und vielleicht ist ja der Weg nach unten.
00:10:28: noch gar nicht zu Ende, man kann auch noch langsamer fahren. Auf der anderen Seite ist es eben so,
00:10:33: dass die 130, die die meisten ja gerne hätten, auch eine gegriffen Geschwindigkeit ist. Meine Theorie ist,
00:10:41: dass ein Hauptproblem tatsächlich durch die sogenannten Differenzgeschwindigkeiten entsteht. Das
00:10:46: heißt, auf der rechten Spur wird in der Regel unter 90 gefahren, da haben wir Lkw, außerhalb des
00:10:51: Wochenendes zumindest, der mittleren Spur habe ich dann so 120 bis 140 und auf der linken Spur
00:10:56: wird sehr, sehr schnell gefahren. Und das bedeutet, bei jedem Spurwechsel muss ich sehr große Geschwindigkeitsdifferenzen
00:11:03: einkalkulieren. Kann das aber vielleicht gar nicht, erst rechn ich, wenn ich schon vielleicht ein
00:11:07: ältere Semester bin, die fahren auch sehr ungern auf der Autobahn deswegen. Und wenn nur die Differenz
00:11:13: Geschwindigkeiten das Hauptproblem wären, was keiner genau weiß, dann könnte man auch 140 fahren oder
00:11:19: vielleicht sogar 150. Wo wäre jetzt der Unterschied, wenn ich das wüsste? Die meisten Benutzer der
00:11:27: Autobahn fahren nicht schneller als 140 im Moment. Das heißt, rund 90 Prozent aller Autobahnnutzer
00:11:34: bleiben unter 150. Und nehm ich mal nicht würde jetzt 140 anordnen, dann haben wir immer noch so eine
00:11:40: kleine Toleranz drüber, dann fährt man halt so 145, 146, also das, was fast alle sowieso nicht
00:11:47: überschreiten. Und der Unterschied ist, ich hätte sofort eine gesellschaftliche Akzeptanz von hohem
00:11:53: Maße für diese Geschwindigkeitsbegründung. Und ich muss mich gar nicht mit 130 oder 120
00:11:59: verkämpfen. Aber das müssten wir halt, weil ich es auch nicht genau weiß, mal in einem Großversuch
00:12:05: mit verschiedenen Geschwindigkeiten testen. Meine persönliche Prognose ist zwischen 130 und 150 liegen
00:12:11: so geringe Differenzen, dass wir ohne weiteres auch eine höhere Geschwindigkeit anordnen können,
00:12:16: die die meisten sowieso heute nicht überschreiten. Schauen wir mal weg von den Autobahnen hin auf die
00:12:22: anderen Straßen, wo das haben sie ja deutlich gemacht, ein Großteil der Unfälle, auch der tötlichen
00:12:28: Unfälle, stattfinden. Aber wir haben ja auf Landstraßen eine Begrenzung von 100 Stundenkilometer
00:12:35: maximal. Wir haben in der Städtisch 50 oft auch 30. Was kann man denn da noch tun? Also wenn wir uns mal
00:12:43: die Landstraße ansehen, dann haben wir tatsächlich ja dort die meisten Verkehrstoten und die Frage
00:12:48: ist ja tatsächlich, ob die 100 km/h eine angemessene Geschwindigkeit sind für die komplizierten
00:12:54: Verhältnisse, die wir dort haben. Denn anders als auf der Autobahn habe ich natürlich auf der
00:12:58: Landstraße sämtliche Themen, die zu schweren Unfallen führen können, also Überholunfälle,
00:13:02: dann erst recht in Bereichen, wo man halt schlecht sieht, wo man eigentlich gar nicht hätte überholen
00:13:08: sollen. Enge kurvige Straßen, wo gerade die jungen Fahrer sehr gerne aus der Kurve fliegen, weil
00:13:15: sie das nicht richtig einschätzen können. Dunkelheit teilweise mit sehr wenig Verkehr,
00:13:21: wo ich dann weit und breiter Einzige bin. Also vor allen Dingen eben auch Kreuzungen, Einmündungen,
00:13:27: da kann alles kommen vom Motorrad, vom Traktor, der vom Feld kommt. Riesen Probleme, die wir dort
00:13:34: haben und die Frage ist eben, sind die 100 km/h angemessen? Und ich bin erstmal genau wie der
00:13:39: Deutsche Verkehrssicherheitsrad der Meinung, dass zumindest auf schmalen Landstraßen, denn auf
00:13:44: denen sehen wir nochmal ein deutlich geholftes Unfallgeschehen, wenn ich mir die schweren
00:13:47: Unfälle anschaue, dass dort grundsätzlich Tempo 80 angeordnet werden sollte, wenn nicht sogar 70.
00:13:54: Und wir haben auf der anderen Seite ja sehr breite Straßen, insbesondere Bundesstraßen, sind sehr
00:14:00: gut ausgebaut, auch sehr gut beschildert. Oft darf ich da auch gar nicht überholen, oder ich habe
00:14:05: den sogenannten 2+1-Querschnitt, das heißt jeweils auf einer Seite dann eben zwei Spuren,
00:14:09: sodass man auch belegentlich überholen kann. Da kann ich natürlich ohne weiteres Tempo 100 lassen.
00:14:15: Also wir sollten es etwas differenzierter angehen, aber gerade in den Problembereichen, schmale
00:14:21: Landstraßen, Miteinmündungen, Mitkreuzungen sind eigentlich Tempo 80 aus meiner Sicht die
00:14:28: Oberkante dessen, was wir vertreten können. Das ist aber dann Sache der Länder oder wer befindet
00:14:34: darüber dann? Also die Länder könnten das theoretisch jetzt schon machen, müssen dann aber
00:14:38: natürlich eine Einzelfallprüfung machen, was extrem aufwendig ist. Was wir eigentlich bräuchten,
00:14:43: wäre eine Anweisung in der Verwaltungsvorschrift, dass wir schmale Landstraßen anders beschildern.
00:14:50: Und das würde dann bedeuten, dass sobald ich einen gewissen Querschnitt unterschreite,
00:14:54: eben automatisch die Kreise oder der, so heißt das jeweilige Straßenbaulast Dräger, das kann
00:14:59: eben auch das Land sein. Wenn es eine Landesstraße ist, kann dann einfach dort die 80-Schilder
00:15:04: hinmachen, ohne dass eine Einzelfallprüfung erforderlich ist über die Situation dort.
00:15:08: Gibt es in Bayern übrigens viel, diese schmalen Landstraßen, die alle, nicht alle, will ich
00:15:13: nicht sagen, aber zum großen Teil Tempo 100 haben und man fragt sich schon nicht, ob das jetzt wirklich
00:15:18: dauerhaft sicher ist, ist es nicht, meiner Meinung nach, insofern ist das ein wirklich spannender Vorschlag.
00:15:24: Bayern hat halt sehr viel ländlichen Raum, das bedeutet eben auch, ich muss länger gestrecken auf
00:15:30: der Landstraße zurücklegen, gerade auch junge Fahrer vielleicht von irgendeiner Diskothek, drei
00:15:34: Orte weiter. Und dann haben wir natürlich immer noch ein Problem, dass die angeordnete Geschwindigkeit
00:15:41: nicht die ist, die gefahren wird. Und das ist auf der Landstraße ein zusätzliches Problem,
00:15:46: weil ich Geschwindigkeitskontrollen in diesem riesen Netz natürlich gar nicht oder nur sehr,
00:15:51: sehr ausgewählt machen kann. Und das bedeutet zwingend für mich dann auch, wenn ich schon viel
00:15:57: mehr 80 anordne, statt 100, dann muss ich auch eine entsprechende Begleitkampagne machen, damit
00:16:03: meine Kernklientel auch besser versteht, warum wir das machen. Begleitkampagne bedeutet Kontrollen?
00:16:10: Nein, die Kontrollen sowieso so weit das möglich ist, aber wir wissen, es ist nicht
00:16:13: viel möglich, sondern ich meinte tatsächlich Aufklärungskampagne. Wir müssen eben gerade mit,
00:16:18: das ist ja ein hauptsächlich ein Problem von jungen männlichen Fahrern, das muss man einfach mal klar
00:16:23: sagen, das verschätzen aus solchen Straßen. Da müssen wir besser ins Gespräch kommen, dass,
00:16:29: wenn da Tempo 80 steht, da sich nicht einfach einer Spaß gemacht hat, sondern dass das schon
00:16:34: seinen Grund hatte. Bei Alkohol am Steuer ist das ja gelungen oder weitestgehend gelungen, das war
00:16:39: ja früher, ja fast ein Kabalier ist direkt, da tricke ich nochmal ein, fahre ich eben vorsichtig
00:16:46: nach Hause, das ist jetzt völlig nicht nur verpönt, es wird natürlich entsprechend geahndet, auch
00:16:51: zurecht, aber da ist es ja gelungen wirklich diesen Kulturwandel herbeizuführen. Wie kann das denn
00:16:57: hierbei wirklich gelingen? Ja, da sprechen Sie was an, was also eigentlich ein sehr, sehr wirkmächtiges
00:17:04: Schwert ist. Das ist die soziale Akzeptanz oder soziale Kontrolle, die viel mächtiger ist als
00:17:12: alles, was wir mit Aufklärungskampagnen, mit Verfolgungsdruck durch die Polizei oder was immer
00:17:17: erreichen könnten. Bedauerlicherweise sind wir davon noch meilenweit entfernt, wir haben vorhin
00:17:22: bei der Autobahn darüber gesprochen, dass und warum die Deutschen gerne schnell fahren oder
00:17:27: zumindest schnell fahren möchten. Es hat auch was mit dem Fetischauto zu tun und es ist eben leider
00:17:33: so, dass in sehr vielen Kreisen, wenn ich da jetzt heute von Berlin nach München fahre und
00:17:39: sitze abends mit ein paar Leuten zusammen und würde sagen, also habe ich heute in dreieinhalb
00:17:43: Stunden geschafft. Teufelskerl. Teufelskerl, der Mann, der hat's drauf, der hat ein super Auto,
00:17:50: der alles im Grunde muss ich quasi permanent mich und andere gefährdet haben, um das zu schaffen,
00:17:56: aber es wird mir keiner ins Gesicht sagen. Und solange das so ist, sind wir von einer Kultur,
00:18:02: wo man sich ganz anders verhält im Straßenverkehr, weil andere einen dann auch kritisch begleiten
00:18:10: würden, meilenweit entfernt. Ihm sitzt ein 22-jähriger junger Mann gegenüber, der genausene
00:18:17: Attitüde hat Teufelskerl. Will ich sein, will ich schaffen dreieinhalb Stunden Hamburg, München,
00:18:23: Berlin, München. Was sagen Sie denen, dass er nicht diesen Fehler macht? Also ich fürchte,
00:18:30: wenn das jemand ist, den ich nicht gut kenne, ist das sinnlos. Denn für den bin ich sowieso
00:18:38: Opa und das bedeutet, der wird mein Rat nicht annehmen, auch als Unfallforscher nicht. Das heißt,
00:18:44: wir müssen eigentlich viel, viel, viel, viel früher ansetzen und das heißt in den Elternhäusern,
00:18:49: im Freundeskreis, es ist ja durchaus nicht so, dass alle jungen Menschen sich so verhalten,
00:18:54: sondern da gibt es sehr wohl auch anderswerte Getriebene, die das bereits widerspiegeln,
00:19:01: was ich eben gesagt habe, aber das erledigt man nicht mit einem Gespräch. Und selbst wenn das
00:19:06: kurz so wäre, würde es sich sehr, sehr schnell wieder in die alte Verhaltensweise zurückentwickeln.
00:19:12: Das ist ja leider was, was wir auch von Kampagnen kennen, die auf Schock setzen. Also wir haben
00:19:18: beispielsweise in Nordkram-Westfalen eine Kampagne, wo dann in die Schulklassen jemand kommt, der
00:19:26: entsprechende Videos zeigt, teilweise auch die WRAKS, teilweise sogar Betroffene mitbringt. Und
00:19:32: wir können sehr gut messen, dass dann auch Betroffenheit bei den Schülerinnen und Schülern
00:19:36: entsteht. Bedauerlicherweise ist das zeitlich nicht stabil, wie das heißt. Also das bedeutet,
00:19:41: nach wenigen Tagen oder nach wenigen Wochen ist dieser Effekt wieder vollkommen weg, weil
00:19:46: da überlagende, viel längerfristige Werte dahinter stecken. Das heißt, also das Elternhaus hat
00:19:53: hier eine zentrale Funktion und mein Gefühl ist, dass die Dinge sich hier leider nicht zum Besseren
00:20:00: entwickeln. Das kann man diesen schönen Spruch nehmen, die Zeit und nicht das Leben. Ja, jetzt weiß ich
00:20:06: nur auch, wie das zu Ende ging im Volksmund. Ich war von Baum und nicht daneben.
00:20:10: Aber ich glaube, klar, also Zeit ist natürlich ein ganz wesentlicher Faktor, nur auch das hat
00:20:23: irgendwie so komische Effekte. Es gibt Leute, denen kann man sagen, erfahr doch einfach mal 10
00:20:27: Minuten eher los. Die fahren 10 Minuten eher los und heizen trotzdem. Also was da alles
00:20:32: psychologisch dahinter steckt, ist manchmal auch ganz schwer zu sehen und vor allen Dingen auch zu
00:20:38: beeinflussen von außen. Und Thema für einen neuen, spannenden Podcast, die Psychologie des
00:20:44: Autofahrers. Ich freue mich schon drauf. Vielen Dank Herr Brockmann. Sehr gerne.
00:20:49: Die Björn Steigerstiftung, der Podcast.
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