Rettung aus der Luft
Shownotes
In dieser Folge trifft Béla Anda Dr. Raphael Bender, Leiter der Luftrettung an der BG-Unfallklinik Murnau. Er spricht über die Arbeit im Rettungshubschrauber, insbesondere in den Alpen. Der Standort zählt mit 25.000 Einsätzen zu den führenden in Europa. Das Team ist innerhalb von zwei Minuten einsatzbereit, wobei technische Vorbereitungen und Wetterbedingungen entscheidend sind. Die Einsätze umfassen Rettungsdienst, Intensivtransporte und alpine Rettungen, oft mit Hilfe der Rettungswinde.
Dr. Bender betont die Wichtigkeit von Teamarbeit, alpiner Expertise und kontinuierlichem Training. Herausforderungen sind oft das Wetter und schwierige Einsatzorte. Patienten werden meist ins Krankenhaus geflogen, vor allem bei zeitkritischen Notfällen. Zukünftig wird die Luftrettung an Bedeutung gewinnen, da Krankenhäuser spezialisierter und Transportwege länger werden. Abschließend erläutert er, wie das Team mit psychischen Belastungen umgeht und betont die Bedeutung von Erfahrung und Zusammenhalt.
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00:00:00: Die Björn-Steiger-Stiftung. Der Podcast.
00:00:03: Mai 1969. Auf dem Rückweg vom Schwimmbad wird der 8-jährige Björn-Steiger
00:00:09: von einem Auto erfasst und dabei schwer verletzt. Es dauert fast eine Stunde,
00:00:14: bis endlich ein Rettungswagen eintrifft. Björn-Steiger stirbt.
00:00:17: Nicht an seinen Verletzungen, sondern an den Folgen eines Schocks.
00:00:21: Die Eltern Ute und Siegfried Steiger gründen erst einen gemeinnützigen Verein.
00:00:25: Später entsteht daraus die Björn-Steiger-Stiftung. Durch ihr unerlässliches Engagement
00:00:30: wurden bis heute Millionen Menschenleben gerettet und vergleichbare Schicksalsschläge vermieden.
00:00:36: In diesem Podcast geht es um die Arbeit der Björn-Steiger-Stiftung und die Bedeutung
00:00:40: einer funktionierenden Notfallhilfe. Wir sprechen mit Experten, Betroffenen und den
00:00:45: Machern hinter den Kulissen. Folge 20. Rettung aus der Luft, wenn jede Sekunde zählt.
00:00:51: Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts der Björn-Steiger-Stiftung.
00:00:55: Heute freue ich mich besonders, Dr. Raffael Bender zu treffen,
00:00:58: den Leiter der Luftrettung an der BG-Unfallklinik Monau.
00:01:02: Dr. Bender ist nicht nur ein erfahrener Hubschrauber-Notarzt, sondern auch Experte.
00:01:07: Für viele andere Belange und seit vielen Jahren ist er im Rettungseinsatz in einem der herausforderndsten
00:01:13: Einsatzgebiete Deutschlands, nämlich den Alpen.
00:01:17: Hier haben wir drum herum, es scheint die Sonne, das Schnee bedeckt wunderschön.
00:01:20: 25.000 Einsätze hat seit Stationierungsbeginn gegeben hier in Monau und damit zählt dieser
00:01:28: Standort zu den führenden Standorten der Luftrettung in Europa.
00:01:32: Gemeinsam sprechen wir heute über ihre Arbeit im Rettungshubschrauber,
00:01:36: über spektakuläre Rettungssaktionen im alpinen Gelände und über ganz persönliche Erfahrungen,
00:01:41: was sie dazu gebracht hat, hier tätig zu werden.
00:01:45: Also, fangen wir einmal an. Wir treffen uns hier in Monau, Dr. Bender.
00:01:49: Wenn jetzt der Einsatzbefehl käme, theoretisch, wie lange dauert es und was müssten Sie tun,
00:01:55: bis Sie mit Christophem Monau in der Luft sind?
00:01:57: Guten Morgen Herr Ander, vielen Dank für die Gelegenheit, um über unsere Arbeit zu sprechen.
00:02:01: Wenn der Einsatzbefehl käme, wäre schon einiges an Zeit vergangen an Vorbereitung,
00:02:06: denn wir treffen uns natürlich morgens noch bei Dunkelheit auf der Luftrettungsstation,
00:02:10: das komplette Team und bereiten uns auf den Tag vor, so dass alle Geräte, sowohl die medizinischen Geräte
00:02:16: als auch unser Fluggeräte, Hubschrauber natürlich perfekt vorbereitet sind.
00:02:20: Und wir auch selbst mit unserer persönlichen Ausrüstung, allem was dazugehört, einfach einsatzklar dastehen,
00:02:26: sodass wir dann im Alarmfall in zwei Minuten der Luft sind.
00:02:29: Das ist letztlich auch gesetzliche Vorgabe.
00:02:33: Das sieht das Rettungsdienstgesetz so vor, dass nach Alarmierung ein notarzt besetztes Rettungsmittel
00:02:38: ein sogenanntes Ausrückeintervall von zwei Minuten hat.
00:02:41: Wir schaffen es ehrlicherweise, das muss man dazu sagen, nicht ganz die zwei Minuten zu halten,
00:02:45: sondern mittlerweile die Technik im Hubschrauber so weit fortgeschritten ist.
00:02:49: Das sind dann Haufen Systeme, viele Computer, die alleine zum Hochfahren das Systeme schon
00:02:54: eineinhalb Minuten brauchen, so dass wir, wenn wir es ganz ernst nehmen,
00:02:57: wahrscheinlich eher zweiinhalb Minuten brauchen, bis wir wirklich in der Luft sind.
00:03:00: Nehmen Sie uns einmal mit, was passiert genau.
00:03:02: Also klingelt dann Ihr Handy, geht die Serene an, welcher Impuls kommt von wo
00:03:07: und was wissen Sie auch, wenn Sie zu einem solchen Einsatz starten und was wissen Sie nicht?
00:03:13: Genau, also wir sind eine Viererkruhe, die sich quasi morgens zum Dienst an der Luftrettungsstation trifft.
00:03:18: Dort gemeinsam die Vorbereitung trifft.
00:03:19: 50 Minuten drüben.
00:03:21: Wir arbeiten von Sonnenauf bis Sonnenuntergang, Sonnenaufgang heißt aber im Sommer auch frühestens 7 Uhr.
00:03:26: Das heißt, in der Regel gehen die Arbeitstage gegen 6 Uhr 15 los.
00:03:30: Wir haben dann eine gute halbe Stunde Vorbereitung bis zu einem gemeinsamen Morgenbriefing.
00:03:33: In diesem Morgenbriefing werden anstehende Tagesaufgaben besprochen, wird kurz über den persönlichen Zustand aller
00:03:40: Krumikglieder gesprochen, ob sich jeder wohlfühlt, ob jeder fit ist.
00:03:43: Der erste Kaffee ist dann häufig schon getrunken, genau.
00:03:47: Dann gehen wir kurz durch, was gibt es Besonderes?
00:03:49: Insbesondere, was macht die Wetterlage? Wetter ist ein großes Thema in der Fliegerei.
00:03:53: Was macht im Winter die Lawinenlage?
00:03:55: Gibt es Besonderheiten bei der Ausrüstung, irgendwelche technischen Themen, die den Hubschrauber treffen
00:03:59: oder die Rettungswinde betreffen und so startet im Prinzip der Tag.
00:04:03: Und wenn wir dann alarmiert werden, wir werden grundsätzlich alarmiert von einer integrierten Leitstelle.
00:04:08: Das ist bei uns die integrierte Leitstelle Oberland in Weilheim.
00:04:11: Dann ist es tatsächlich so, dass wir Funkmeldeempfänger haben und Telefone,
00:04:15: über die dann der Alarm akustisch quasi reinkommt zu uns.
00:04:19: Ist das ein besonderes Geräusch, dass man hört?
00:04:21: Das ist ein besonderer Klingelton, den kennt man natürlich.
00:04:24: Und da weiß man einfach, dass das jetzt ein Alarm ist und kein normales Telefongespräch.
00:04:27: Wir haben zusätzlich noch auf unserer Station einen sogenannten Einsatzmonitor.
00:04:31: Das heißt ein großes Display, auf dem wir dann die Einsatzörtlichkeit
00:04:36: im Form eines Satellitenbildes mit einem gesetzten Pin und einem Einsatzstichwort kriegen.
00:04:41: Das heißt, wir wissen in der Regel schon grob um was es geht.
00:04:44: Die genauen Angaben oder sehr genauen Angaben gibt es häufig nicht.
00:04:49: Manches erfährt man noch auf dem Anflug zur Einsatzstelle, über die Leitstelle.
00:04:52: Aber klassisch wissen wir die Lokalität.
00:04:54: Gerade wenn das jetzt ein Einsatz ist, irgendwo in bebautem Gebiet ist,
00:04:58: dann ist das eben die Hauptstraße 18 in Unterhaching oder wo auch immer.
00:05:02: Und dort ist dann im Prinzip von der Leitstelle ein Pin gesetzt,
00:05:06: zu dem wir auch dann elektronisch hinnavigieren können.
00:05:08: Und dazu gibt es einen Stichwort.
00:05:10: Also wir wissen, ob sich um eine internistische Erkrankung handelt,
00:05:13: ob sich um den Unfall handelt, in der Regel wie alt der Patient ist
00:05:16: und auch sichern ein bisschen was zum Zustand des Patienten.
00:05:18: Also wenn der Patient bewusstlos ist oder es ansprechbar hat, starke Schmerzen,
00:05:22: das sind so Angaben, die wir häufig kriegen.
00:05:24: Und dann machen wir uns auf den Weg.
00:05:26: Okay, und dann geht es los.
00:05:28: Im Laufstalt zum Hubschrauber.
00:05:29: Die Rotoren laufen rein und nach einer kurzen Aufwärmepfassensmotor
00:05:34: geht es dann ab?
00:05:36: Genau, als erstes im Hubschrauber sollte der Pilot sein,
00:05:39: weil der hat natürlich jetzt in der Anfangsphase die meisten Aufgaben
00:05:41: und muss im Prinzip beide Triebwerke starten,
00:05:44: muss die Systeme hochfahren und das Fluggerät quasi Einsatz klar machen.
00:05:48: Das wie gesagt dauert ungefähr anderthalb zwei Minuten.
00:05:50: In der Zeit steigt auch der Rest der Crew dazu.
00:05:53: Es gibt von unserem Windenoperator,
00:05:55: das ist vorne links im Hubschrauber,
00:05:56: einen letzten sogenannten Outside Check.
00:05:58: Das heißt, der geht nochmal um die Maschine,
00:06:00: schaut, ob da alle Wartungsklappen, alle Dinge auch geschlossen sind,
00:06:04: ob alles fein ist.
00:06:05: Der steigt dann als Letztes ein.
00:06:07: Dann gibt es eine kurze Checkliste für die gesamte Crew.
00:06:10: Da geht es im Wesentlichen nochmal um die eigene Sicherheit,
00:06:12: ist jeder angeschnallt,
00:06:13: sind alle Systeme im grünen Bereich.
00:06:15: Und dann starten wir hier von unserer Station aus
00:06:18: und fliegen dann im Prinzip ohne Umwege ganz direkt zur Einsatzstelle.
00:06:23: Was sind die häufigsten Notfälle, zu denen Sie rufen werden?
00:06:25: Unser Einsatzspektrum ist letztlich so,
00:06:27: dass man sagen kann, die Hälfte der Einsätze sind normales Rettungsdienstiggeschäft,
00:06:31: wie es jeder Notarzt auch bodengebunden kennt.
00:06:34: Das sind im Wesentlichen vital bedrohliche Notfälle und zeitkritische Notfälle,
00:06:38: Herzinfarkte, Schlaganfälle, Verkehrsunfälle,
00:06:41: Stürze aus großer Höhe, all diese Dinge.
00:06:44: Dann haben wir etwa ein Viertel der Einsätze,
00:06:47: das sind Intensivtransporte oder ein Fünftel der Einsätze.
00:06:51: Das heißt, wir machen, wir sind offiziell auch ein Intensivtransport-Hubschrauber,
00:06:55: verlegen dann schwerkranke Patienten von einem Krankenhaus ins andere,
00:06:58: also den klassischen Intherhospital-Transfer.
00:07:00: Häufig beatmete Patienten mit mehreren Medikamenten,
00:07:03: ja, mit einer Kreislaufinsuffizienz, mit Organinsuffizienzen,
00:07:07: die halt zur spezialisierten Therapie in ein höherwertiges Zentrum verlegt werden müssen.
00:07:12: Und dann haben wir noch ein Viertel der Einsätze,
00:07:14: die uns tatsächlich dann in die Berge führen.
00:07:16: Das sind so etwa 400 pro Jahr, wo man sagen muss,
00:07:19: bei der Hälfte dieser Einsätze, also gut 200 mal jährlich,
00:07:22: brauchen wir unsere Rettungswinde.
00:07:24: Und bei anderen Einsätzen am Berg kann man auch hier und da mal anlanden.
00:07:27: Das heißt, wir steigen aus dem Hubschrauber aus,
00:07:30: während der Pilot die Kufe an eine Schrägewiese setzt.
00:07:34: Oder wir können an einem Alm landen oder auf einer Forststraße,
00:07:37: das gibt es auch ab und zu.
00:07:38: Und das wir nicht bei grundsätzlich jedem Einsatz am Berg auch die Rettungswinde brauchen.
00:07:42: Aber das ist so ungefähr ein Viertel des Einsatzspektrums, ja.
00:07:45: Da braucht man sicher Expektise auch ein bisschen sicherlich Kenntnis am Berg.
00:07:49: Sind Sie ein Kind der Berge?
00:07:51: Ja, grundsätzlich bin ich ein Kind der Berge.
00:07:53: Ich komme so warm an und gehe privat auch sehr viel und sehr gerne auf dem Berg.
00:07:57: Ich bin auch ehrenamtlich tätig als Bergwachtnotarzt in Oberammergau.
00:08:01: Und grundsätzlich ist es einfach so, dass alle unsere Kolleginnen und Kollegen,
00:08:04: die auf dem Hubschrauber arbeiten, also im Wesentlichen die medizinische Kruh,
00:08:08: die auch den Hubschrauber verlässt an einer Einsatzstelle,
00:08:10: auch eine Alpine-Affidität und auch Alpine-Grundkenntnisse brauchen.
00:08:14: Das trainieren wir natürlich.
00:08:16: Da gibt es spezielle Kursformate.
00:08:17: Viele der Kollegen sind in der Bergwacht als Notarztätig.
00:08:21: Haben dort dann eine sehr fundierte Alpine-Ausbildung.
00:08:23: Andere haben Diplome in Berg- und Höhenmedizin.
00:08:26: Aber jeder muss in der Lage sein, sich zu allen Jahreszeiten adäquat zu bewegen
00:08:30: in einem Alpine-Gelände, also ob das im Winter mit viel Schnee ist,
00:08:34: mit Lawinengefahr oder im Sommer in Felsdurchsetzt im Steigelände ist.
00:08:38: Jeder muss so die Grundkenntnisse auch am Seil beherrschen,
00:08:41: muss sich abseilen können, muss mal an einem Seilgeländer auch irgendwo aufsteigen können.
00:08:45: Das erwarten wir neben der körperlichen Fitness von all unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
00:08:50: Das klingt so spannend.
00:08:51: Ich glaube, da machen wir eine eigene Folge zu.
00:08:53: Das ist schon faszinierend zu hören.
00:08:55: Und im Kopf quasi mitzufliegen bei Ihnen und sich das vorzustellen,
00:08:59: wie herausfordernd diese Aufgabe dort auch in den Bergen ganz besonders ist.
00:09:03: Aber was mich auch interessiert, ich denke, was auch viele unserer Hörer und Hörer interessiert,
00:09:08: ist, wie unterscheidet sich eigentlich die Arbeit im Hubschrauber
00:09:11: von der bodengebundenen Notfallmedizin?
00:09:14: Naja, wenn man es mal ganz einfach herunterbricht,
00:09:17: ist auch der Hubschrauber erst mal nur ein Notarztbesetz des Rettungsmittels.
00:09:20: Das heißt, Indikationsgrund, ein Hubschrauber zu schicken,
00:09:23: kann auch einfach nur sein, dass ich schnell einen Notarzt brauche.
00:09:27: Und wenn der Hubschrauber der Notarzt ist, der am schnellsten den Patienten erreicht,
00:09:30: dann machen wir eben auch die ganz normalen Standard-Rettungsdiensteinsätze,
00:09:34: die jeder andere Notarzt in Deutschland auch macht.
00:09:36: Wer entscheidet das eigentlich auch?
00:09:38: Das entscheidet der Disponent in der Rettungsleitstelle.
00:09:40: Das heißt, wenn Sie den Notruf fehlen, europaweit die 112,
00:09:44: dann haben Sie immer einen kompetenten Ansprechpartner,
00:09:47: der auch eine medizinische Ausbildung hat
00:09:48: und dann eine Hand sehr gezielter Fragen rasch entscheiden kann,
00:09:52: was muss ich disponieren, was muss ich aufbieten für diesen Einsatz.
00:09:57: Und wenn es dann eine klare Notarztindikation ist,
00:10:00: da gibt es einen fixen Indikationskatalog auch,
00:10:02: das heißt, auch gesetzlich vorgeschrieben,
00:10:04: zu welchen Krankheitsbildern oder bei welchen Zustandsbildern
00:10:07: auch der Disponent einen Notarzt schicken muss,
00:10:09: dann wird er das tun, dann wird er den nächsten geeigneten schnellsten Notarzt,
00:10:13: das können wir sein.
00:10:14: Und dann gibt es natürlich für das Rettungsmittel Hubschrauber
00:10:16: noch Spezialindikationen, die besonders wertvoll machen.
00:10:19: Das ist einmal, das wir gerade schon angesprochen haben,
00:10:21: der Einsatz in unwigsamen Gelände, wo man einfach nicht anfahren kann,
00:10:25: wo jetzt der bodengebundene Rettungsdienst nicht hinkommt,
00:10:27: wo wir dann gemeinsam mit dem Partner in der Bergwacht
00:10:30: einfach den Einsatzort erreichen und häufig eben aus der Luft,
00:10:33: dann gibt es natürlich den Grund, dass wir schon vorher wissen,
00:10:39: es braucht vielleicht einen weiteren Transport in einen Spezialzentrum,
00:10:42: das sind schwer brandverletzte Patienten,
00:10:44: das sind vielleicht Kinder in besonderen Altersklassen.
00:10:46: Ja!
00:10:48: Ich rufe dich an.
00:10:51: Das war der Pilot.
00:10:54: Nee, das war der Diensthabender Notarztkollegin von heute.
00:10:57: Ah ja, der hat jetzt heute Dienst.
00:10:59: Und der hat schon sein Gehr an, wir haben einen roten Overroll gesehen,
00:11:03: ist das auch Ihre Dienstkleidung dann?
00:11:05: Ja, das ist verständlich, wir brauchen natürlich eine persönliche Schutzausrüstung,
00:11:08: die uns auch im Straßenverkehr erkenntlich macht und entsprechende Leutstreifen hat,
00:11:13: die gewisse Funktionalität haben muss,
00:11:15: dass man sich auch gut bewegen kann und auch einfach,
00:11:18: dass man funktionell gut gekleidet ist.
00:11:21: Und da kommen dann natürlich Sicherheitsstiefel dazu,
00:11:24: da kommen Kurzeug dazu, ein Hüftgurt und ein Brustgurt,
00:11:27: da ist natürlich ein Helm mit dabei, je nach Einsatz, Handschuhe.
00:11:31: Diese Dinge haben wir natürlich gleich an,
00:11:33: also wir haben gesagt, wir müssen in zwei Minuten in der Luft sein
00:11:36: und da bleibt dann keine Zeit, wenn man sich voran nachher umzieht.
00:11:38: Also das ist alles so vorbereitet, dass wir einfach nur einsteigen müssen.
00:11:40: Weil Sie jetzt theoretisch überall angefordert werden können
00:11:43: auf einer Hauptstraße, auf einer Kreuzung, auf der Autobahn,
00:11:46: die Sie relativ häufig eben.
00:11:48: Das ist ja auch ein bisschen das, was den Reiz für uns an dieser Arbeit ausmacht.
00:11:51: Das Notfallmedizin natürlich, man weiß morgens nie, was kommt
00:11:54: und man kann in einer Situation auf der Autobahn stehen,
00:11:57: bei einem schweren Verkehrsunfall.
00:11:59: In der nächsten Situation bin ich im Wohnzimmer
00:12:01: und behandle den Patienten mit dem Herzinfarkt
00:12:03: und eine halbe Stunde später stehe ich auf der Zugspitze
00:12:05: und habe es mit einem schwer gestürzten Skifahrer zu tun.
00:12:08: Das ist natürlich ein breites Spektrum
00:12:10: und das macht es auch spannend und macht auch ein bisschen den Reiz an der Arbeit aus.
00:12:13: Ich glaube, dass auch gleichzeitig spannend, aber auch unglaublich anspruchsvoll vor,
00:12:18: denn Sie haben es ja beschrieben.
00:12:20: Sie wissen überhaupt nicht, was kommt
00:12:22: und es ist ja jetzt nicht so, dass Sie mit einem Kunden sprechen
00:12:25: oder irgendein anderes Gespräch haben,
00:12:27: sondern bei Ihnen geht es ja wirklich um das Retten von Leben, von Menschen.
00:12:31: Sie werden angefordert in diesem Bereich von meistens in Situationen,
00:12:36: wo Menschen entweder extrem gefährdet sind oder schwerst verletzt
00:12:40: und müssen sich in kürzester Zeit eben einstellen auf das, was da kommt.
00:12:46: Haben Sie das trainiert, lernt man das mit der Zeit?
00:12:50: Ist das eine Aufgabe, die auch andere Ärzte haben?
00:12:53: Aber hier kommt sie mir ja ganz besonders spezifisch vor.
00:12:56: Wie stellen Sie sich ein auf das, was da kommt,
00:12:59: von dem Sie gar nicht wissen, was da kommt?
00:13:01: Naja, letztlich ist das natürlich was, was man trainiert.
00:13:03: Das wäre ja furchtbar, wenn wir untrainiert in solchen Situationen kämen.
00:13:06: Man kann grundsätzlich sagen,
00:13:08: dass man im Luftrettungsmittel alle Berufsgruppen, die dort arbeiten,
00:13:11: das fängt man Piloten an und hört beim Notarzt auf.
00:13:13: Auch die Notfallsanitäter, alle unsere Mitarbeiter auf der Maschine,
00:13:16: sind natürlich in ihrer Berufsgruppe ausgewiesen Experten
00:13:19: mit einer großen Berufserfahrung.
00:13:21: Das heißt, man wird nicht nur als Offen-Hubschrauber
00:13:23: im unmittelbaren Nacht-Medizin-Studium,
00:13:25: sondern man muss natürlich einiges an Erfahrung mitbringen.
00:13:27: Die Kolleginnen und Kollegen sind grundsätzlich Fachärzte
00:13:30: mit einer langen Berufserfahrung auch in der Klinik.
00:13:33: Die haben alle mehrere Jahre Berufserfahrung
00:13:36: in den verbundenen Rettungsmitteln und sind dort mehrere Jahre
00:13:39: und viele hundert Einsätze als bodengebundener Notarzt gefahren,
00:13:42: bevor sie dann letztlich die Möglichkeit kriegen,
00:13:44: auch Hubschrauber zu fliegen.
00:13:46: Und das, was wir machen, also sowohl das alpinespektrum
00:13:49: als auch medizinisch wird, natürlich dauerhaft trainiert.
00:13:52: Wir bilden uns fort, wir machen Simulationstraining,
00:13:54: wir machen spezielle Ausbildungen für unsere Einsatzszenarien,
00:13:57: wir üben gemeinsam mit der Bergwacht draußen im Gelände.
00:14:00: Also das nimmt einen großen Teil auch des Jahres ein,
00:14:03: um wieder zu trainieren.
00:14:05: Überum macht auch hier den Meister.
00:14:07: So sieht es aus.
00:14:09: Was sollen die schwierigsten Landeinsätze?
00:14:11: Mit Landeinsätzen meinen Sie, wo der Hubschrauber gelandet ist, oder?
00:14:14: Wo der Hubschrauber gelandet ist, genau.
00:14:16: Und zwar entweder schwierige Situationen, unwegsames Gelände,
00:14:19: Personen, die nicht weggehen wollten.
00:14:21: Wir unterschätzen ja auch, was für ein unglaublicher Wind
00:14:24: von einem Hubschrauber beim Landen oder beim Staaten ausgeht.
00:14:27: Und ich meine, ich will das gar nicht einschränken,
00:14:29: aber grundsätzlich an das, was sich hier erinnern,
00:14:31: bis er hui, das war aber Heikel, aber das ist immer noch gut bei rausgekommen.
00:14:34: Ja, letztlich ist das eigentlich die Frage für den Piloten.
00:14:36: Der Pilot kann dafür besser einstellen,
00:14:38: was für ihn jetzt situativ anspruchsvoll und Heikel war.
00:14:41: Ich hoffe nicht, dass wir, also eigentlich versuchen wir es zu vermeiden
00:14:44: im Team, dass wir in Situationen kommen, die so Heikel sind,
00:14:47: dass wir hinterher sagen, wo da haben wir Schwein gehabt.
00:14:49: Das darf nicht passieren.
00:14:51: Also es gibt für jedes Team, jederzeit die Möglichkeit auch,
00:14:54: im Anflug einer Einsatzstelle bei schlechten Witterungsbedingungen
00:14:57: in gefährlichen Gelände auch zu sagen, das wird jetzt nur noch zu heiß,
00:15:00: das müssen wir jetzt nochmal neu überdenken, das müssen wir anders machen.
00:15:02: Das geht jetzt so nicht und dann brechen wir den Anflug auch ab
00:15:05: oder den anderen Anflug.
00:15:06: Das kommt extrem selten vor.
00:15:08: Aber meistens ist es tatsächlich so, dass räumliche Engerhalten-Thema spielt.
00:15:12: Wir haben eine sehr große Maschine, die H145 ist der Rettungshubschrauber,
00:15:17: der größte Rettungshubschrauber, der im Zivilen Rettungsdienst in Europa eingesetzt wird.
00:15:21: Der hat sehr viel Power und das bringt uns natürlich Leistungsreserven,
00:15:25: gerade im Gebirge, im Sommer, macht natürlich aber auch,
00:15:28: wie Sie schon gesagt haben, viel Downwash.
00:15:30: Das heißt, wir können nicht in jeden kleinen Hinterhof rein landen.
00:15:32: Das geht auch vom Roterdurchmesser schon gar nicht, von den Sicherheitsabständen.
00:15:35: Das geht aber auch von dem Wind, den wir machen nicht.
00:15:37: Wir wollen ja nichts kaputt machen.
00:15:39: Und das bringt es halt mit sich, dass wir auch mal am Ortsrand landen,
00:15:41: dass wir auf dem Sportplatz landen, dass wir mal 2, 3 Meter zu Fuß laufen müssen,
00:15:45: dass wir auch im Einzelfall mal einen Zubringer kriegen durch ein Polizeifahrzeug,
00:15:48: durch ein Feuerwehrfahrzeug, den HVO.
00:15:50: Und wenn wir gar nicht an die Einsatzstelle hinkommen,
00:15:53: dann haben wir ja das große Vorteil bei uns, dass wir eine Rettungswende dabei haben.
00:15:56: Wir können auch spontan, auch wenn das nicht von Anfang an so geplant war,
00:16:00: jederzeit entscheiden, die Rettungswende in Einsatz zu nehmen.
00:16:03: Wir haben unser Kurzzeichen an, der Windenoperator kann während des Fluges
00:16:07: bei langsamer Fahrt von vorne nach hinten umsteigen.
00:16:09: Und wir können im Prinzip immer von einer Minute am Windenhacken hängen
00:16:12: und dann auch uns abwinschen lassen quasi zur Einsatzstelle, wenn das notwendig ist.
00:16:17: So dass wir reinfliegerisch glücklicherweise wenig Heikensituation haben,
00:16:22: was aber immer ein Thema ist,
00:16:25: rund ums Jahr ist es Wetter.
00:16:25: Das, was wir machen, ist Sichtflugbetrieb.
00:16:28: Wenn wir nicht sehen, können wir nicht pflegen.
00:16:31: Wenn es nebelstarken Schneefall hat, gibt es Bedingungen,
00:16:34: die den Einsatz von einem Rettungsschrauber schwierig machen.
00:16:38: Wo halt dann auch mal trotzdem gefordert wird,
00:16:40: Menschen sind in Not und denken, oh Gott, warum kommt keiner?
00:16:44: Klar, alle haben natürlich erst mal eine hohe,
00:16:46: intrinsische Motivation, einen Einsatz zu machen.
00:16:49: Vielfach probieren wir das auch und schaffen es am Ende.
00:16:52: Und gerade in den Bergen ist es natürlich so,
00:16:55: dass Wetter noch mal was ganz Besonderes ist.
00:16:57: Da gibt es schnelle Wetterwechsel.
00:16:59: Da gibt es Wolken, Nebelbänder,
00:17:01: die quasi sich von der Lokalität schnell verändern,
00:17:05: wo man in irgendeinen Graben oder Tal abgesetzt wurde.
00:17:08: Und fünf Minuten später ist eine Wolke drin,
00:17:10: und man sieht nichts mehr.
00:17:12: Das sind alles Dinge, die muss man halt nebenher,
00:17:15: in Anführungszeichen auch im Auge haben.
00:17:17: Und die haben natürlich auch unmittelbar Einfluss
00:17:19: auf unsere Einsatztaktik.
00:17:21: Vielleicht nicht alles das machen kann, was man gerne machen möchte,
00:17:24: wenn man einfach unter noch zusätzlichem Zeitdruck steht,
00:17:27: weil sonst eine Abholung im Hochschau war nicht mehr einfach bei.
00:17:30: Ich hab's auf dem Weg hingesehen.
00:17:32: Hier schönstes Bergwetter, herrlicher Sonnenschein.
00:17:35: Die Berge lachen einen an und zwei Kilometer vorm Monau.
00:17:39: Am Staffelsee ist die Beise super.
00:17:42: Man sieht ungefähr 40 Meter weit.
00:17:44: Das wird sicherlich noch aufbrechen im Laufe des Tages.
00:17:47: Aber das zeigt, wie auch wenigen Kilometern sich auch hier gerade
00:17:51: die Wetterelden ankönnen oder Wetter total unterschiedlich ist.
00:17:56: So ein Klassiker ist auch,
00:17:57: wir haben ja ganz oft sehr schönes Wetter im Herbst.
00:18:00: Wenn Föhnwetterlage ist, wo überall anders vielleicht Regen,
00:18:03: Nebel und schlechtes Wetter ist, dann haben wir tolles Wetter.
00:18:07: Aber Föhn ist auch ein Thema.
00:18:09: Föhn ist starker Wind,
00:18:10: und starker Wind ist oben an den Graten und Kipfeln noch mal stärker.
00:18:14: Und wenn sie da auf der Lehseite unterwegs sind,
00:18:16: auf der Windabgewandten Seite,
00:18:18: der Wind von oben so kräftig nach unten,
00:18:20: dass manche Flugmanöver und manche Einsatzstellen
00:18:23: nicht einfach zu erreichen sind.
00:18:25: Also da haben wir ganz vielfältig in allen Jahreszeiten
00:18:28: immer wieder mit dem Wetter zu tun.
00:18:30: Wenn der Moment kommt, dass Sie entscheiden,
00:18:33: ich muss mit der Winde runtergehen,
00:18:36: was haben Sie dann dabei,
00:18:37: um am Einsatzort auch mit Ihrem Equipment helfen zu können?
00:18:41: Haben Sie einen Rucksack drauf?
00:18:43: Ja, letztlich das selbe notfallmedizinische Material,
00:18:46: was wir auch an einer Einsatzstelle auf der Straße dabei hätten.
00:18:50: Wir haben unser wesentliches Material in zwei Notfallrucksäcken verpackt,
00:18:53: und wir haben einen zusätzlichen Monitor-Devibulator.
00:18:56: Und diese drei Teile können wir an der Winde natürlich mitnehmen.
00:19:00: Alles andere würde keinen Sinn machen.
00:19:02: Wir müssen den Patienten unten helfen.
00:19:04: Machen Sie den extra hoch?
00:19:06: Also, dann ist es extra ab?
00:19:08: Es gibt verschiedene Möglichkeiten.
00:19:10: Je nach Situation, Wetter-Situation,
00:19:12: Beschaffenheit der Einsatzstelle,
00:19:14: die Gefährlichkeit des Geländes,
00:19:16: also je steiler und unschöner das Gelände ist,
00:19:19: umso eher machen wir es so,
00:19:21: dass wir auch jeden unserer METCO-Einzelnen absetzen,
00:19:24: dass wir einen sogenannten Einzelwindsch machen,
00:19:27: dass jeder Einzelne runtergelassen wird,
00:19:29: und wir das nicht im Doppelwindsch machen.
00:19:31: Was man noch erwähnen muss, dass wir bei diesen Einsätzen,
00:19:35: wenn es Gelände wirklich unangenehm ist,
00:19:37: auch immer unsere Partner der Bergwacht dabei haben.
00:19:40: Das heißt, parallel zu uns wird die örtliche Bergwacht-Bereitschaft
00:19:44: der Bergwacht ab.
00:19:45: Was jetzt für diesen Einsatz bei der Lage,
00:19:47: die wir haben mit all den wenigen Informationen,
00:19:50: die es manchmal sind, die beste Taktik ist.
00:19:52: Da kann es sein, dass wir auch an sehr steil und exponierten Stellen
00:19:56: zunächst mal zwei Bergräte absetzen,
00:19:58: die dann in Seigeländer aufbauen,
00:20:01: die eine Bohrmaschine dabei haben,
00:20:03: vielleicht noch einen Stand bohren können,
00:20:05: damit wir anschließend als Mediziner gesichert am Patienten arbeiten können.
00:20:09: Jetzt arbeiten Sie am Patienten.
00:20:11: Wie sieht es sich, ob der Patient auch mit dem Hubschrauber
00:20:14: ins nächste Krankenhaus oder hierhin in die Unfallklinik
00:20:17: nach Monat gebracht werden muss?
00:20:19: Wir haben bei uns, das liegt sicher auch ein bisschen an der topografischen Lage,
00:20:23: eine sehr hohe Transportquote.
00:20:25: Das heißt, etwa 70 Prozent der Patienten, die wir behandeln,
00:20:29: im Luftrettungsdienst transportieren wir auch selber.
00:20:31: Das ist außergewöhnlich viel für ein Rettungshubschrauber.
00:20:34: Liegt aber daran, dass wir natürlich hier mit den vielen Talschaften,
00:20:38: die wir dann häufig sehr lange Fahrstrecken haben,
00:20:41: ins Krankenhaus und gerade bei zeitkritischen Notfällen,
00:20:44: wo wir natürlich auch keinen langen Transport verkaufen,
00:20:47: wenn wir dann ohnehin vor Ort sind und der Patient
00:20:49: ein entsprechendes Krankheitsbild bietet,
00:20:51: dann werden wir auch sehr großzügig den Patienten transportieren.
00:20:54: Wenn das medizinisch notwendig ist, machen wir das immer.
00:20:57: Aber es gibt auch Patienten, die nach einer Initialbehandlung
00:21:00: rasch stabilisiert sind, die Krankheitsbild haben,
00:21:03: was es nicht super zeitkritisch ist, wo wir dann auch sagen,
00:21:05: der Patient geht jetzt mit dem Rettungswagen,
00:21:08: mit der Gleitung in die Klinik und wir sind sofort wieder einsatzfrei
00:21:11: für den nächsten Notfall.
00:21:13: Was ist eigentlich ein medizinischen Gerät an Bord
00:21:16: bei Ihrem Rettungshubschrauber?
00:21:18: Es gibt eine Dienausstattung, das heißt, es ist in Deutschland auch klar geregelt,
00:21:22: was ein Notarztbesetzes Rettungsmittel dabei haben muss.
00:21:24: Das haben wir alles dabei. Also das, was der bodengebundene Notarzt
00:21:27: auch dabei hat, das sind neben den Notfallrucksäcken,
00:21:30: natürlich ein Beabungsgerät, das ist ein Defibrillator,
00:21:32: das ist der Monitor zur Patientinüberwachung,
00:21:34: das sind Spritzenpumpen zur Applikation von kontinuierlichen
00:21:37: Applikationen von Medikamenten, das sind so Absaugpumpe,
00:21:41: das sind so die Dinge, die jedes andere Notarztfahrzeug auch dabei hat.
00:21:44: Und dann haben wir natürlich Zusatzmaterial für unsere Alpineneinsätze,
00:21:48: das heißt, unsere persönliche Schutzausstattung ist noch ein bisschen erweitert,
00:21:52: das heißt, wir haben im Winter natürlich auch ein LVS-Gerät dabei,
00:21:55: ein Schaufel und eine Sonde für Lawinenunfälle.
00:21:57: Wir haben auslösbare Lawinenkrägen, also sowas wie ein Lawinen-Airbag,
00:22:01: den wir anlegen können.
00:22:03: Wir haben Steigeisen dabei, wenn es eisig ist,
00:22:05: wenn wir irgendwo im Höllental auf dem Gletscher arbeiten müssen.
00:22:07: Wir haben einen sogenannten Bergrettungssack oder Luftrettungssack dabei,
00:22:11: das ist das selbe Modell, was auch die Bergwacht Bayern nutzt,
00:22:14: mit dem wir dann auch den Patienten mit der Rettungswindel liegend
00:22:18: quasi nach oben ziehen können und transportieren können.
00:22:21: Das sind so die Zusatzmaterialen, die wir noch mitnehmen.
00:22:24: Gibt es auch mal so ein Fall, wo ein Patient in diesem Rettungssack
00:22:29: dann transportiert wird, außen hängt?
00:22:31: Na ja, außen hängt nur so lange, bis wir mit dem Seil oben sind.
00:22:35: Also wir haben ein 90 Meter langes Windenseil
00:22:37: und die Rettungswinde hat ja im Vergleich zum Rettungstau,
00:22:40: das wird in Österreich noch sehr oft geflogen.
00:22:42: Man hat den Vorteil, dass wir sehr wie eine Seilwinde,
00:22:46: dass wir sie quasi mit dem Elektromotor einfach nach oben ziehen können.
00:22:49: Das heißt, ich hänge mich unten mit den Patienten ein.
00:22:51: Ein Patient liegt eingepackt in diesem Bergrettungssack
00:22:54: mit einer Vakuumatratze, das ist dann angepasst an die Körperform,
00:22:58: ist abgesaugt und schön hart mit einem speziellen Aufhängungssystem
00:23:02: und lasst mich dann im Prinzip wie mit dem Lift vom Windenoperator
00:23:05: nach oben heben.
00:23:06: Und wenn ich oben an der Kube, an der Seiten-Tür angekommen bin,
00:23:09: dann lade ich gemeinsam im Flug mit dem Windenoperator den Patienten ein.
00:23:13: Und anschließend machen wir die Tür zu, dann wird es schön warm
00:23:16: und etwas ruhiger.
00:23:17: Und dann fliegen wir natürlich mit den Patienten nicht als Außenlast,
00:23:20: sondern wir haben ihn letztlich immer in der Kabine.
00:23:23: Das ist ja auch ein Beruf oder eine Berufung
00:23:26: mit einer Mischung aus beiden Rettungs-Notarzt mit viel Erfahrung
00:23:31: im Hubschrauber, der ist ja fast filmrei.
00:23:33: Ich meine, es ist ein ganz ernsthafter Beruf,
00:23:35: der vielen Menschen in größten Notsituationen hilft,
00:23:38: aber es hat natürlich etwas Besonderes mit dem Hubschrauber.
00:23:42: Gibt es da so ein bisschen Leid auch mal bei den Kollegen?
00:23:45: Na ja, also grundsätzlich ist es in vielerlei Hinsichteprivileg
00:23:48: auf einem Luftrettungsmittel arbeiten zu dürfen.
00:23:50: Das ist was, was viele Kollegen, die gerne Notfallmedizin machen
00:23:54: und auch viel notfallmedizinisch unterwegs sind,
00:23:57: gerne möchten und die Stellen auf dem Hubschrauber sind
00:24:00: in der Menge einfach begrenzt,
00:24:02: damit auch jeder einzelne ausreichend viel Einsatzerfahrung hat
00:24:05: und regelmäßig routiniert arbeitet.
00:24:08: Und wenn der Stelle frei wird,
00:24:10: dann habe ich immer viel, viel mehr Bewerber,
00:24:12: als ich anschließend aussuchen kann.
00:24:14: Das heißt, es gibt einen großen Bedarf.
00:24:17: Es ist an fast eine Luftrettungsstation
00:24:19: ein bisschen der Flaschenhals.
00:24:20: Viele Leute, die das gerne machen möchten
00:24:22: und viele, die einfach auch ein bisschen Geduld mitbringen müssen,
00:24:26: bis es da mal irgendwann soweit ist.
00:24:27: Was sind die Kriterien, nach denen Sie entscheiden?
00:24:30: Im Wesentlichen natürlich die fachliche Kompetenz.
00:24:32: Das heißt, die notärztliche Erfahrung,
00:24:34: die Affinität zu Notfallmedizin.
00:24:36: Notfallmedizin ist ja eine Zusatzbezeichnung.
00:24:38: Es ist ja in Deutschland noch keine eigenständiger Facharzt.
00:24:41: Das heißt, wir sind hier bei uns an der Station
00:24:44: eine Mischung aus Unfällkirurgen und Anästhesisten.
00:24:46: Und es gibt natürlich Kollegen,
00:24:48: die haben eine sehr hohe Affinität zu Notfallmedizin machen.
00:24:51: Sie sind da sehr engagiert, auch in der Freizeit.
00:24:54: Und das ist mal ein wesentliches Kriterium.
00:24:56: Das Kriterium an natürlich die Alpintauglichkeit.
00:25:00: Das heißt, es reicht ja nicht zu sagen,
00:25:02: ich gehe gerne auf den Berg und bin schwindelfreis.
00:25:04: Und dann, die Kollegen müssen schon auch nachweisen
00:25:06: über bestimmte Ausbildungen, Diplome, wie auch immer,
00:25:09: dass sie das in Alpintauglichkeit haben
00:25:11: und das körperlich und technisch eben hinkriegen.
00:25:14: Was heißt Alpintauglichkeit in dem Zusammenhang?
00:25:16: So, wie ich eben schon gesagt habe,
00:25:18: die müssen natürlich in der Lage sein,
00:25:20: dass sie die eigentliche Gefahr für uns
00:25:22: oder die Herausforderung in den Bergen
00:25:25: und dieses "Ich hänge mich in den Windenhaken und lass mich runter".
00:25:28: Das ist ja ein rein passiver Vorgang.
00:25:30: Das kann man alles trainieren und üben.
00:25:32: Und klar, Schwindelfreihheit wird man brauchen.
00:25:34: Aber da braucht es uns nicht allzu viel.
00:25:37: Das Problem fängt an, wenn man unten ist
00:25:39: und der Hubschrauber weg ist
00:25:41: und ich in einem Gelände unterwegs bin,
00:25:43: wo ich daran damit abstürzen kann, wo es lawinengefährlich ist,
00:25:47: wo es steil ist, wo ich mich vielleicht irgendwo abseilen muss
00:25:50: zum Patienten, wo ich auch mal 100 Meter steilen und irgendwo zusteigen muss,
00:25:53: wo ich unter sehr unangenehm Bedingungen arbeiten muss.
00:25:56: Und das muss der Bewerber für den Arbeitsplatz-Hubschrauber
00:25:59: natürlich schon beweisen, dass dem gewachsen ist und das kann.
00:26:03: Und dass das für ihn kein so großer Stressfaktor ist,
00:26:06: dass es nachher vielleicht die eigenen Ressourcen
00:26:08: für die Medizin nicht mehr erreichen,
00:26:10: weil man so mit sich selber beschäftigt ist.
00:26:13: Gibt es auch Bewerberinnen?
00:26:15: Ja, klar, wir haben ein bunt gemischtes Team.
00:26:17: Natürlich fliegen bei uns in allen Bereichen auch Frauen mit.
00:26:20: Welche Entwicklung sehen Sie für die Zukunft der Luftrettung in Deutschland?
00:26:22: Ich glaube, dass die Luftrettung in Zukunft
00:26:24: einen rein quantitativ noch mal größeren Stellenwert einnehmen wird.
00:26:29: Das liegt ein bisschen daran, dass sich die Krankenhauslandschaft verändert.
00:26:32: Krankenhäuser weniger werden und auch die Behandlungsmöglichkeiten
00:26:36: in einzelnen Krankenhäusern spezialisierter und enger werden.
00:26:41: So, dass es einfach länger Transportwege gibt.
00:26:44: Und der bodengebundene Rettungsdienst, gerade hier bei uns im Oberland,
00:26:47: ich habe das eben schon mal angesprochen, wir haben lange Fahrzeiten
00:26:50: in Zukunft noch länger und es ist jetzt schon so,
00:26:52: dass durch wegfall kleinerer Krankenhäuser auch die Bindungszeiten
00:26:55: von Rettungswagen einfach länger werden.
00:26:57: Das Zeitintervall sich verlängert und da gibt es einfach Krankheitsbilder,
00:27:00: die lassen das nicht zu, da geht es um Zeit, im Schlaganfall,
00:27:03: Herz in Fakt, schweres Trauma, diese Dinge.
00:27:05: Und da kann natürlich die Luftrettung in gewissen Maße die Lücken füllen.
00:27:09: Das wird kommen, das ist auch, denke ich, politisch so gewollt.
00:27:13: Das würde in erster Linie auch bedeuten,
00:27:16: dass wir Luftrettungsstationen in Deutschland auch von der Zeit,
00:27:20: die sie zur Verfügung stehen, ausweiten.
00:27:22: Das ist ein Thema, was gerade auch diskutiert wird,
00:27:24: Randzeiten, Erweiterungen.
00:27:26: Ich habe Ihnen gesagt, wir sind eine Luftrettungsstation,
00:27:28: die aktuell nur von Sonnenauf bis Sonnenuntergang fliegt.
00:27:30: Aber es ist natürlich schwer zu vermitteln, technisch ist es kein Problem,
00:27:33: auch bei Dunkelheit zu fliegen.
00:27:35: Das ist ja das, ich bin auch in einem früheren Leben
00:27:38: sehr, sehr viel Hubschrauber mitgeflogen.
00:27:40: Da habe ich zum ersten Mal erlebt, dass dieses Mystikum,
00:27:43: was ja immer so gilt, Hubschrauber können nicht bei Nacht fliegen,
00:27:47: nicht stimmt.
00:27:49: Das ist eine Hubschrauberflüge, die ich mitgemacht habe.
00:27:51: Dunkelste Nacht.
00:27:53: Das ging auch, aber wahrscheinlich war das die besondere Ausstattung
00:27:56: des Hubschraubers, die das möglich gemacht hat, oder?
00:27:58: Grundsätzlich keinen Hubschrauber nachts fliegen.
00:28:01: Ich habe Ihnen eben schon gesagt, wir machen Sichtflugbetrieb.
00:28:03: Das heißt, für uns gibt es natürlich nicht diese Möglichkeit,
00:28:06: wie das Delinienflieger haben per Instrumentenflug und Leitstrahl
00:28:09: irgendwo auch bei schlechtem Wetter eine Landebahn zu finden.
00:28:12: Sondern wir müssen ja auch im Gelände,
00:28:14: in nicht vorher definierten Bereichen landen,
00:28:18: so dass wir schon was sehen müssen.
00:28:20: Man kann sich aber nachts, wenn es dunkel wird,
00:28:22: über Restlicht verstärker brillen, über Nachtsichtgeräte quasi,
00:28:25: kann man sich ganz viel Licht holen.
00:28:28: Es braucht eine Ausbildung dazu.
00:28:30: Also die Piloten und Windenoperator, die vorne links sitzen,
00:28:33: müssen speziell ausgebildet sein für den Nachtflug.
00:28:36: Der Hubschrauber braucht ein paar technische Dinge,
00:28:38: die Voraussetzungen sind.
00:28:40: Wir wollen natürlich dann auch einen großen Scheinwerfer dabei haben,
00:28:43: um die Einzelstelle auszuleuchten und solche Dinge.
00:28:45: Aber das ist alles kein Hexenwerk, das kann man alles machen.
00:28:47: Man kann natürlich auch einen Patienten,
00:28:49: der jetzt hier bei uns hinter dem Walchensee irgendwo lebt,
00:28:52: schwer erklären, warum er denn im August abends um 20 Uhr
00:28:57: mit seinem Herz infarkt, in 15 Minuten im Herz-Katheter-Labor liegt
00:29:01: und im November klappt das um die Uhrzeit nur mit einer Stunde Fahrzeit.
00:29:05: Da stirbt Herzmuskel, das ist für ihn schlecht, wenn es länger dauert.
00:29:09: Und das ist sicher was, wo sich in Zukunft viel tun wird,
00:29:12: wo man einfach Luftrettungsstationen, flächendeckenden Deutschland
00:29:15: einfach länger vorhält.
00:29:17: Die Idee zur Luftrettung hatte ja der Vater
00:29:19: vom jetzigen Präsidenten der Björn Steiger Stiftung,
00:29:23: die Eingrichsteiger, der schon in den 70er-Jahren gesagt hat,
00:29:27: hier muss was passieren und dann zur Finanzierung
00:29:29: sogar damals Haus und Hof erfendet hat.
00:29:31: Und ein großes System aufgebaut hat, der deutschen Luftrettung.
00:29:34: Also insofern hat er Pionierarbeit gemacht und sicherlich wäre er froh.
00:29:39: Es ist gerade vor zwei Jahren gestorben,
00:29:41: aber zu sehen, welche großartige Entwicklung die Luftrettung
00:29:44: in Deutschland heute hat und welche Perspektiven sie bildet.
00:29:48: Eine Frage habe ich noch.
00:29:50: Es gibt ja besondere Momente, zu denen sie auch kommen,
00:29:53: besonders schwierige Einsätze.
00:29:57: Da kann ich mir vorstellen, wie im Rettungsdienst allgemein gibt es
00:30:01: manchmal auch Bilder, die man am liebsten verdrängen würde.
00:30:05: Wie gehen Sie, wie geht Ihr Team mit diesen besonderen,
00:30:08: sicherlich auch psychischen Belastungen um?
00:30:10: Das wichtigste Stichwort haben Sie gerade schon genannt,
00:30:14: dass es ja keine One-Man-Show ist, sondern wir sind als Team unterwegs.
00:30:18: Der Patient gewinnt ja immer dann, wenn wir auch in unserer Team-Perform
00:30:22: uns gut aufeinander abgestimmt alle ihre eigenen Ressourcen
00:30:25: auf den Patienten bündeln und das gemeinsam gut funktioniert.
00:30:28: Dementsprechend helfen wir uns natürlich auch gemeinsam
00:30:31: bei Belastungen einsetzen.
00:30:33: Das wesentliche Momentum ist einfach, dass man darüber spricht
00:30:36: und dass man das im Team gemeinsam nachbespricht, darüber redet,
00:30:39: sich Gedanken macht, was wir in der Gleichgelagern-Situation
00:30:42: mal anders machen, was hat super funktioniert,
00:30:44: wo war noch ein bisschen Luft nach oben, wie habt ihr das empfunden?
00:30:49: Damit kann man schon ganz viel abpuffern.
00:30:51: Dann macht es natürlich die Erfahrung.
00:30:53: Wir haben natürlich auf einem Luftrettungsmittel,
00:30:56: ich nenn es mal ein Anführungszeichen, die qualitativ etwas höherwertige Einsätze.
00:31:00: Das heißt, wir haben natürlich prozentual mehr Traumata,
00:31:04: mehr schwere Verkehrsunfälle, mehr schwere Arbeitsunfälle,
00:31:07: mehr schwer verletzte Patienten.
00:31:09: Wir haben mehr Kindernotfälle, wir haben mehr Einsätze in Extremgelände,
00:31:13: als das jetzt der normale Notarzt hat.
00:31:16: Das macht natürlich dann auch noch eine gewisse Erfahrung.
00:31:19: Und Erfahrung bringt ja auch immer Sicherheit.
00:31:21: Und das schützt uns aber nicht davor, dass wir auch mal Dinge mit nach Hause nehmen
00:31:25: und dass wir unangenehme Erlebnisse haben.
00:31:27: Und wie gesagt, sprechen hilft darüber natürlich
00:31:29: in stabiles soziales Umfeld.
00:31:31: Familie, mit der man alles besprechen kann.
00:31:33: Und nette Kollegen, ich glaube, das ist so das Wesentliche.
00:31:37: Wir hätten grundsätzlich die Möglichkeit,
00:31:39: mit dem wir uns auch noch eine Psychologische Hilfe zu nehmen.
00:31:42: Da gibt es von Klinikseite und von ADAC-Seite entsprechend angebotet.
00:31:45: Das ist glücklicherweise sehr selten notwendig.
00:31:47: Gibt es einen Ritual nach einem erfolgreichen Einsatz,
00:31:50: dass man zusammensetzt am Abend noch mal sagt,
00:31:53: hey, ist das mal gut gelaufen?
00:31:55: Oder gibt es irgendein Brauchtum bei Ihnen, wo Sie sagen,
00:31:58: bevor wir losbliegen, werfen wir mal mit dem Hümmel zu den Linkeschultern?
00:32:03: Nee, also sowas machen wir nicht.
00:32:05: Wir betrinken uns dann immer regelmäßig sinnlos.
00:32:07: Machen wir natürlich nicht.
00:32:09: Was wir immer machen, am Ende des Tages,
00:32:11: wenn wir uns abgemeldet haben bei der Leitstelle,
00:32:13: wenn der Dienst vorbei ist, dass wir noch ein paar Millionen zusammenstehen,
00:32:16: vielleicht tatsächlich auch mal ein kleines Bier aufmachen oder
00:32:19: oder noch was zusammen trinken, in das der Kaffee
00:32:22: und einfach noch mal den Tagrevy passieren lassen, bevor man auseinandergeht.
00:32:25: Das findet jeden Tag statt.
00:32:27: Mit welchem Spruch melden Sie sich dann ab bei der Leitstelle?
00:32:30: Da gibt es keinen festen Spruch.
00:32:32: Wir telefonieren mit dem netten Kollegen und sagen,
00:32:34: dass wir für heute fertig sind.
00:32:36: Danke, Dr. Pender, für das wunderbare Gespräch.
00:32:38: Sehr gerne.
00:32:42: Die Björn Steigerstiftung.
00:32:44: Der Podcast.
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