Revolution in der Notfallrettung
Shownotes
In dieser Folge spricht Béla Anda mit Frank Leenderts, dem Leiter der Großleitstelle Oldenburg – einer der modernsten Leitstellen Deutschlands. Gemeinsam werfen sie einen Blick hinter die Kulissen einer revolutionierten Notfallrettung: Wie funktioniert eine standardisierte Notrufabfrage? Was bedeutet „nächste Fahrzeugstrategie“ in der Praxis? Und warum braucht es dringend ein Umdenken in der deutschen Leitstellenstruktur? Ein Gespräch über Technik, Verantwortung – und mutige Veränderung im Sinne der Patientensicherheit.
Themen der Folge:
die Umstellung von sechs Einzel-Leitstellen zur zentralen Großleitstelle
die Einführung der standardisierten Notrufabfrage
warum Erfahrung allein in kritischen Situationen nicht mehr ausreicht
die nächste Fahrzeugstrategie und ihre lebensrettende Wirkung
Digitalisierung, Echtzeit-Daten und intelligente Disposition
Widerstände, Wandel und die Rolle von Führung im Change-Prozess
was sich bundesweit im Rettungswesen dringend ändern muss
📌 Diese Episode liefert spannende Einblicke in eine Reform, die längst überfällig ist – und zeigt, was möglich ist, wenn Technik, Standardisierung und Menschlichkeit zusammenspielen.
Transkript anzeigen
00:00:00: Die Björnsteigerstiftung. Der Podcast.
00:00:03: Mai 1969. Auf dem Rückweg vom Schwimmbad wird der 8-jährige Björnsteiger von einem Auto erfasst und dabei schwer verletzt.
00:00:12: Es dauert fast eine Stunde, bis endlich ein Rettungswagen eintrifft. Björnsteiger stirbt.
00:00:18: Nicht an seinen Verletzungen, sondern an den Folgen eines Schocks.
00:00:22: Die Eltern Ute und Siegfried Steiger gründen erst einen gemeinnützigen Verein.
00:00:26: Später entsteht daraus die Björnsteigerstiftung. Durch ihr unerlässliches Engagement wurden bis heute Millionen Menschenleben gerettet und vergleichbare Schicksalsschläge vermieden.
00:00:36: In diesem Podcast geht es um die Arbeit der Björnsteigerstiftung und die Bedeutung einer funktionierenden Notfallhilfe.
00:00:42: Wir sprechen mit Experten, Betroffenen und den Machern hinter den Kulissen.
00:00:47: Folge 38. Revolution in der Notfallrettung. Wie eine effiziente Einsatzsteuerung, die Notfallhilfe verbessert.
00:00:55: Herzlich willkommen zu einem neuen Podcast der Björnsteigerstiftung.
00:00:59: Ich freue mich heute, einen besonderen Gast zu haben. Frank Lenderts, Chef der Leitstelle Oldenburg.
00:01:05: Eine der modernsten Leitstellen, die wir haben in die Björnsteigerstiftung, beschäftigt sich ja sehr stark mit der Reform des Rettungswesens in Deutschland.
00:01:13: Vor allen Dingen auch mit der Frage, warum es in vielen Teilen des Landes sind Leitstellen immer noch so, wie sie vor vielen, vielen Jahren waren.
00:01:21: Und zugeschaltet aus Oldenburg. Ganz herzlich willkommen, Herr Lenderts.
00:01:25: Ja, herzlich willkommen, Herr Anders. Und vielen Dank für die Möglichkeit, dass wir uns hier heute austauschen.
00:01:30: Fangen wir mal ganz persönlich an. Wie sind Sie eigentlich selbst zur Arbeit in der Leitstelle gekommen? Was ist Ihr berühmter Background?
00:01:38: Ja, der berühmte Background liegt hier nun auch schon einige Jahre zurück.
00:01:42: Ich war vor der Zeit hier in Oldenburg, in der Großleitstelle war ich bei der Berufsfeuerwehr in Oldenburg.
00:01:47: Und auch dort war ich schon neben dem operativen Einsatzdienst für die Technik in der dortigen Leitstelle zuständig.
00:01:54: Und als es dann um den Aufbau der Großleitstelle ging, dann habe ich mich auf die ausgeschriebene Stelle beworben.
00:02:01: Da ich bereits zu dem Zeitpunkt die Vorstellung davon hatte, dass ich da etwas ganz Neues, etwas ganz Großes entwickeln könnte.
00:02:11: Und ich war sehr daran interessiert, an dessen Gründung und an dessen Aufbau, an dessen Entwicklung mitzuwirken.
00:02:18: Und insofern habe ich mich damals auf dem operativen Dienst der Berufsfeuerwehr auf diese spezielle Schiene in der Leitstelle beworben.
00:02:28: Was war so neu und was war so groß?
00:02:32: Naja, wir waren in der Stadt Oldenburg bei der Berufsfeuerwehr dort zu dem Zeitpunkt eine Leitstelle, die für ein Kreisgebiet zuständig war, für eine Berufsfeuerwehr.
00:02:42: Und die Idee aus Verwaltung und Politik war es ja, insgesamt sechs kommunale Leitstellen gemeinsam mit der Polizei in einer kooperativen Leitstelle zusammenzufassen.
00:02:56: Das heißt also, sechs kleine Leitstellen für Feuerwehr und Rettungsdienst zusammen mit einer Leitstelle der Polizeidirektion in einem neuen Gebäude, an einem neuen Standort zu etablieren.
00:03:08: Und ja die Prozesse und die Wege mal anders zu gehen und zu denken, wie sie in der Vergangenheit gelebt wurden.
00:03:15: Was heißt das konkret?
00:03:17: Ja, wir haben damals sozusagen aus sechs kommunalen Leitstellen eine Leitstelle gemacht.
00:03:22: Das Ganze vor dem Hintergrund der steigenden Einsatzzahlen, die es schon damals gab.
00:03:29: Und vor dem Hintergrund, dass in den einzelnen Leitstellen, sogenannte Einbahnleitstellen vorherrschten, also rund um die Uhr,
00:03:38: meist nur eine Person in diesen Leitstellen gearbeitet hat bei den Berufsfeuerwerden in Oldenburg und in Delmors, war es sicherlich etwas anders.
00:03:45: Da sah schon zu zweit und zu dritt, weil das Einsatzaufkommen etwas höher war.
00:03:49: Aber die Idee war es halt, große Kontingente zusammenzufassen und auch über die Grenzen hinaus, also über die eigene Stadt bzw. Landkreisgrenze hinaus,
00:03:59: Einsatzgeschehen neu zu denken und damit auch die Einsatzsteuerung auf ganz neue Weine zu stellen.
00:04:07: Nehmen Sie es mal konkret mit, wir hat man Einsatzsteuerung bei Ihnen auch in Oldenburg, eine wunderschöne Stadt, in der ich tatsächlich häufiger bin.
00:04:15: Meine Frau kommt aus Kloppenburg und da sind wir halt heute auch in Oldenburg.
00:04:19: Es ist ja eine Stadt, die einbestieft einmal durch Tradition, aber ich finde auch durch eine sehr hohes Maß an Innovation an Moderne.
00:04:28: Und das haben Sie auch in Ihre Leitstile übertragen. Wie war es vorher die Arbeit im Konkret und was hat sich dann geändert?
00:04:34: Also ganz konkret hat sich der Zusammenschluss geändert und dadurch damit verbunden, dass über die Grenzen hinausdecken.
00:04:42: In der Vergangenheit vor der Zusammenlegung dieser sechs Leitstellen war es so, jede Leitstelle Stadt und/oder Landkreis hat eine gute Arbeit gemacht, hat aber ausschließlich innerhalb der eigenen Strukturen, also innerhalb der eigenen Kreis- und/oder Stadtgrenzen gedacht
00:05:01: und hat dementsprechend innerhalb dieser Grenzen die Einsatzkräfte gesteuert und wenig, ich sage mal über den Tellerrand geschaut, wie kann ich mit Nachbarn zusammenarbeiten, wie kann ich Prozesse so aufstellen, dass ich nicht in kleinen Strukturen denke, sondern wie kann ich Prozesse so etablieren, dass wir globaler denken über die Grenzen hinaus,
00:05:26: natürlich jetzt auch im Zuständigkeitsbereich unserer Sextreherkörperschaften irgendwo an Grenzen stoßen, aber doch den Blick auf das operative Geschäft einfach erweitern.
00:05:37: Und das hat letztendlich den Auftakt dazu gegeben, sich zu entschließen, eine solche Leitstelle ins Leben zu rufen, die halt nicht nur für eine Stadt oder einen Landkreis zuständig ist, sondern die, wie wir es jetzt in Oldenburg haben,
00:05:53: die Zuständigkeit für das Notrufmanagement von vier Flächenlandkreisen und zwei kreisfreien stehen hat. Und wo tagtäglich jetzt Notrufe eingehen und diese Notrufe natürlich nicht von uns als keine Rettungsleitstelle mit Einsatz-Taktik bedient wird, sondern wir alarmieren die Einsatzkräfte und die Einsätze finden weiterhin vor Ort statt,
00:06:12: aber die das ganze zentral steuert und damit auch einen ganz anderen Radius, eine andere Möglichkeit, der Steuerung hat. Und das, was es vorher zum Beispiel gar nicht gab, das Einsetzen einer sogenannten nächsten Fahrzeugstrategie, das gab es rein, weg nur in den eigenen Zuständigkeitsbereichen, geht jetzt halt über Stadt- und Kreisgrenzen hinaus und somit können wir dafür Sorge tragen, dass wir immer das schnellste Mittel auch zum
00:06:41: Bürger zu Bürgerinnen entsenden und da keine Zuständigkeiten mehr haben nach dem Motto "Mein Einsatz und dein Einsatz".
00:06:50: Das ist gerade eine große Herausforderung, auch eine große Debatte, Herr Lina, zwischen den Reformern im Rettungswesen und den Bewahren, weil es oftmals Zwist gibt um Kompetenzen, was die Zuständigkeiten angeht, über Landesgrenzen, das geht soweit, dass bestimmte, ja,
00:07:10: auch Medikamente in einem Teil verabreicht werden dürfen von, also um Sanitätern und Notfallsanitätern in anderen Grenzen nicht, das geht über die Beispiele, die Sie genannt haben. Machen wir es doch einmal ganz konkret. Bei Ihnen in der zentralen Leitstelle geht ein Anruf ein, ein Notruf ein.
00:07:31: Was passiert dann bei Ihnen? Hängt sich hier nicht davon ab, von wo der kommt, aber was hat diese Fahrzeugdisposition, Aufsicht, die Neure und wie reagieren Sie da?
00:07:41: Ja, also grundsätzlich, wenn ein Notruf bei uns ein kommt, dann fragen wir den Anrufer, die Anruferinnen, mit einer standardisierten Notrufabfrage ab. Da gibt es sogenannte Einstiegsfragen, entsprechende Schlüsselfragen.
00:07:56: Gären Sie doch mal ein Beispiel. Ein neuer Notrufeuerwehr an Rettungshins 2 genau ist der Einsatzort. Also wenn wir nicht wissen, wo wir hin müssen, können wir auch keine Einsatzkräfte an den richtigen Ort des Geschehens sozusagen schicken.
00:08:10: Und nachdem wir diese Ortsverifikationen durchgemacht haben und wirklich verlässlich wissen, wo sich der Anrufer befindet und wo wir sozusagen hinkommen müssen, dann steigen wir entweder in die medizinischen oder in die Feuerwehrtechnischen,
00:08:25: die Feuerwehrtechnischen Fragestellungen entsprechend ein und kommen am Ende zu einem Ergebnis. Und zu diesem Ergebnis wiederum entsenden wir gemäß einer vorgegebenen und mit den Feuerwehren und Rettungsdiensten abgestimmten Alarm- und Ausrückeordnung dann die Einsatzkräfte.
00:08:43: Das Ganze passiert im Rettungsdienst georeferenziert und nach der sogenannten nächsten Fahrzeugstrategie kann also heißen, in einem Flächenlandkreis fährt gerade ein Rettungsmittel aus einem oder der Flächenlandkreis, wird gerade durchfahren von einem anderen Rettungsmittel, was aus einem anderen Landkreis stammt.
00:09:02: Es ist aber das schnellstgelegentlichste Rettungs- zum Einsatzort und dementsprechend wird dieses Fahrzeug dann auch von uns an diese Einsatzstelle disponiert.
00:09:11: Das ist eine Forderung, die die Björnssteigerstiftung auch schon seit dem Denknerum erhebt. Es ist großartig, dass Sie das so machen. Es ist aber nicht überall Gang und Gebe, oder?
00:09:23: Definitiv nicht. Das ist auch das. Das ist einer von zwei Punkten, die ich mit der heutigen Aufgabe nicht vereinbaren könnte. Zum einen ist es, es gibt viele Leitstellen, in denen keine standardisierte Notrufabfrage vorliegt.
00:09:38: Das ist Art 1 und Art 2 ist, dass halt nicht mit der sogenannten nächsten Fahrzeugstrategie disponiert wird und das gerade in lebensbedrohlichen Situationen nicht das Zuständige, sondern das nächste Gelegens-Einsatzmittel zum Einsatzort geschickt wird.
00:09:54: Lassen wir uns bei diesen Punkten noch bleiben, denn ich denke, das ist vielen Menschen noch gar nicht so gegenwärtig.
00:10:00: Wir haben ja die, ja, das komische Situation, dass wir denken, die in Deutschland sind noch so wahnsinnig führend in allen Bereichen, in denen wir mal führend waren.
00:10:11: Das Rettungswesen gehört dazu und wenn man sich dann, was Sie im Zuge dieses Podcasts natürlich in der Arbeit für die Warnsteigerstiftung gemacht haben, mal mit Experten aus dem Ausland unterhält, gerade aus Österreich,
00:10:25: aber auch aus Ländern, die wir ein bisschen immer als hinter uns stehend beurteilt haben, auch wenn es europäische Kernländer sind, Länder wie zum Beispiel Spanien,
00:10:36: dann kommt man dahin, dass diese zentrale Abfrage, die Sie auch durchführen in vielen anderen Ländern schon Gang und Gebe sind, standard sind bei uns aber nicht.
00:10:47: Also Sie haben in Oldenburg mit Ihrer Leitstelle, Ihrer primierten, mehr verausgezeichneten Leitstelle eine Standardabfrage, die es in vielen anderen Landkreisen so nicht gibt.
00:11:00: Was beinhaltet diese Standardabfrage?
00:11:03: Naja, wir wollen mit dieser Standardabfrage sicherstellen, dass wir dem Bürger genau das Rettungsmittel schicken bzw. in die Versorgungsebene weiterleiten, die für das entsprechend genannte Krankheitsbild erforderlich ist.
00:11:21: Und das kann ich nur machen, wenn ich das mit entsprechenden Standards mache und somit davon ausgehen kann, dass es vollkommen egal ist, wann uns dieser Bürger anruft, zu welchem Zeitpunkt das ist, ob das an einem Vormittag wie heute ist,
00:11:38: ob das in einer Nacht von Freitag auf Samstag oder an einem Feiertag ist und es gleichzeitig auch vollkommen egal ist, welcher Mitarbeiter, welche Mitarbeiterin dieses Gespräch entgegennimmt,
00:11:50: denn unser Ziel ist es ja, dass wir die richtigen Kräfte zur richtigen Zeit mit der richtigen Qualifikation und den richtigen Ressourcen zum Einsatzort schicken.
00:12:00: Und das können wir nicht tun, wenn wir nicht nach einem Standardabfragen, sondern wenn wir subjektives Bauchgefühl, Erfahrungswesen und so weiter, wenn wir das entsprechend in diese Entscheidung mit einfließen lassen.
00:12:15: Was, Herr Linderts, in vielen Leitstellen, immer noch der Fall ist, die Praxis diese gerade beschrieben hat.
00:12:21: Leider. Das ist das, was ich gerade sagte. Für mich in der heutigen Zeit auch im Blick auf das gesamte Rettungswesen aus meiner Sicht nicht mehr vorstellbar,
00:12:34: warum wir nicht standardisiert abfragen, zentral, also wirklich vorgegeben überall standardisiert abfragen und auch konsequent die sogenannte nächste Fahrzeugstrategie anwenden.
00:12:45: Aus was speist sich der Leitfaden, an dem sich ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter orientieren, in der Abfrage?
00:12:52: Das ist ein Produkt, es gibt verschiedene Notrufabfragen, standardisierte Notrufabfragen auf dem Markt, die man entsprechend nutzen kann.
00:13:01: Und wir haben uns für einen dieser Produkte entschieden. Und in dieser standardisierten Notrufabfrage, die wir verwenden,
00:13:10: ist es halt in Anführung, nicht so, dass wir Fragestellungen, also subjektiv Leitstelle und/oder auch die für uns zuständigen ärztlichen Leiter entsprechend diese Fragestellung
00:13:22: eigenständig kürzen können, sondern das ist ein internationaler Standard, evidenzbasierend und auf dessen Basis diese Fragestellungen aus diesem internationalen Protokoll halt genutzt werden und mit dessen Fragestellungen wir tagtäglich arbeiten.
00:13:40: Wird der auch mal modernisiert, modernisiert angepasst, wie ist das?
00:13:45: Ja, auf jeden Fall, ganz wichtig ist, dass dieser Fragenkatalog einfach auch da nicht individuell angepasst werden kann.
00:13:53: Ich nehme als Beispiel die Leitstelle in Oldenburg, arbeitet nach diesem standardisierten Prozess, die Leitstelle in Bremen oder auch in Osnabrück, die arbeiten nach diesem standardisierten Prozess und jeder fängt jetzt an und sagt, wir schrauben an der einen oder anderen Ecke und verbessern,
00:14:08: verändern damit unsere Abfrage, sondern das Ganze geht zentral, auch das ist ein Standard, ein vorgegebener Prozess. Wir können natürlich jederzeit Ideen einreichen, Verbesserungsvorschläge einreichen, aber das wird nicht ad hoc nach dem Motto, das gefällt uns jetzt und wir probieren das einmal, einfach umgesetzt, sondern das wird auch dort in einem standardisierten Verfahren sich angeschaut.
00:14:31: Es wird geschaut, wie viele Fälle es gibt davon, ist das sinnvoll, das zu ändern? Es ist sinnvoll, vielleicht auch die Fragestellung einfach nur zu verändern, alles das sind Möglichkeiten und darüber über diese Möglichkeiten können wir natürlich auch entsprechend dazu beitragen, dass dieses Protokoll überarbeitet wird.
00:14:50: Dazu kommt, dass aus ganz vielen Leitstellenden, die kommen eher nicht aus dem Deutschen, sondern eher aus dem Europäischen, sondern aus dem internationalen Umfeld, alle ihre Erfahrungen in dieses System sozusagen einspeisen und dann aus dieser großen Menge an Notrufgesprächen sozusagen dann das, ich sag mal, das Nonplus Ultra rausgefiltert wird, erarbeitet wird, wissenschaftlich erarbeitet wird,
00:15:19: um da auch wirklich valide Fragestellung dann entsprechend abzubilden.
00:15:23: Das ist ja sehr spannend, also eine Art Schwarmintelligenz, die auch noch mal wissenschaftlich hinterfragt aufbereitet wird, also zwei wichtige, im Grunde, Ingridenzien, die diesen schon etablierten Katalog immer besser, immer aktueller halten und nicht nur auf das Prinzip Bauchgefühl und, lassen Sie es uns, feiern Erfahrung setzt, sondern eben sich aus vielen verschiedenen Elementen aus dem System,
00:15:48: ja Elementen speist eigentlich so, wie es wirklich modern ist. Wie sind Sie darauf gekommen, dieses Prinzip anzuwenden?
00:15:55: Weil wir klassisch natürlich aus dem Weg eines nicht strukturierten Abfragesystems kommen, wir haben dann ein strukturiertes Abfragesystem angewandt, das ist sozusagen die Vorschufe eines standardisierten Abfrageprotokolls und haben dann auch in der Arbeit festgestellt, dass dieses reilweg strukturierte Abfrageprotokoll nicht ausreichend ist,
00:16:17: um die Fragen, die Hilfe ersuchen der Bürgerinnen und Bürger, wirklich nach einem Standard zu beantworten, sondern auch mit einem strukturierten Abfrageprotokoll, also dem, ich sage mal roten Faden, an dem man sich entlanghangeln kann, es immer noch dazu kommt, dass wir Einsatzfälle haben, die heute anders entschieden wurden als gestern oder tagsüber anders gelaufen sind wie nachts.
00:16:43: Und das hat uns letztendlich dazu veranlasst, noch konkurrieter darüber nachzudenken, den Blick weit weiter schweifen zu lassen als rein weg innerhalb von Deutschland. Wir haben uns dann mit den von Ihnen gerade genannten auch schon europäischen Nachbarn ausgetauscht.
00:17:01: Wir waren ja besonders, in Niederösterreich, das war schon sehr sehr prägend, da haben wir uns mit den Kollegen dort ausgetauscht, aber wir haben auch gute Kontakte in die Niederlande, auch dort mit solchen Systemen gearbeitet oder auch nach Skandinavien, gerade besonderen nach Dänemark. All das haben wir getan, haben uns sozusagen dort auf die Reise gemacht, haben diese Systeme natürlich auch kritisch hinterfragt.
00:17:26: Ist das etwas, ist das ein Weg, den wir gehen müssen? Es ist ja häufig der, ich will mal nicht sagen Vorwurf, aber schon der Ansatz zu sagen, da ist ein standardisiertes Produkt und in Anführung, die Erfahrung des Mitarbeiters zählt nicht mehr.
00:17:43: Dieser Fragestellung haben wir uns kritisch gegenübergestellt, haben aber ganz klar für uns entschieden, dass es nicht für uns persönlich, sondern für die Bürgerinnen und Bürger das Beste ist, dass wir eine Abfrage nach einem festen, finanzierten Standard etablieren, damit wir halt zu jeder Tages- und Nachtzeit, ganz egal an welchem Wochentag und vollkommen unabhängig von dem Kollegen oder der Kolleginnen, auf dieses Notrufgeschehen entsprechend reflektieren,
00:18:12: und zu dem jeweiligen Ereignis die beste Möglichkeit, Hilfe zu schicken.
00:18:18: Ich finde es sehr gut, dass Sie diesen einen Punkt angesprochen haben. Das ist natürlich ein Vorurteil oder auch ein Urteil, der einem sicherlich dagegen schlägt.
00:18:27: Ich werde daran interessiert erfahren, wie Sie damit umgegangen sind. Natürlich gerade in diesen Leitstellen, wo viele Menschen sitzen, die sehr viel von dem, was sie sind, auch geben in diese Aufgabe, in diese Berufung, die sich nicht um die Ohren schlagen, die zu tun haben,
00:18:43: mit dramatischen, auch adrenalin-einflüßenden Situationen, die Menschen geiden durch schwierigste Momente durch ihre Hilfe, durch ihre Ansprache in den Leitstellen, eben erfahren am Plötzlich negativ gesprochen.
00:18:58: Ja, deine Erfahrung ist zwar auch was wert, ich will nicht sagen, nichts wert, aber wir müssen sehen, dass wir noch ein paar andere Erkenntnisse dazu bringen.
00:19:06: Das findet natürlich auch nicht jeder lustig. Wie sind Sie damit umgegangen und wir haben das geschafft, dann trotzdem dieses System zu etablieren?
00:19:13: Weil wir diese ganz klare Vision hatten, das zu tun, und weil wir an dieser Vision, die wir jetzt auch noch nicht haben,
00:19:35: auch festgehalten haben und sie konsequent umgesetzt haben. Das war natürlich nicht
00:19:27: feierlich für alle Kolleginnen und Kollegen, weil wir haben einen wirklichen
00:19:32: Change gemacht. Wir haben einen wirklich herdikalen Change gemacht und mit der
00:19:37: Einführung einer standardisierten Notruppabfrage alle bis da laufen in
00:19:42: Prozesse komplett hinterfragt. Wir haben den Kolleginnen und Kollegen aber auch
00:19:47: ganz genau erklärt, warum wir das tun müssen und wie wichtig weiterhin die
00:19:53: Erfahrung der Kolleginnen und Kollegen ist. Denn wir müssen unterscheiden, ob wir
00:19:58: im Call-Taking arbeiten, also rein weg in der standardisierten Notruppabfrage,
00:20:03: wo es um die Einhaltung von Vorgaben und Compliance geht oder ob wir Fachwissen
00:20:11: und entsprechende Berufserfahrungen, langjährige Berufserfahrungen,
00:20:16: Weiterbildung, Weiterentwicklung im Rahmen der Disposition benötigen.
00:20:21: Dieser Prozess, der zweite den ich gerade genannt habe, also die Disposition lässt
00:20:24: sich nicht ganz so einfach standardisieren, weil da brauche ich natürlich
00:20:27: einsatztaktische Erfahrungen. Menschen, die wissen, was da draußen mit Feuerwehr,
00:20:31: Rettungsdienste und Polizei funktioniert, die dieses ganze Zusammenspiel auf der
00:20:35: operativen Ebene läuft. Aber genau das brauche ich halt in der
00:20:39: Notruf, reine Notrufabfrage nicht. Und das war schon sehr herausfordernd,
00:20:45: dass den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch entsprechend klarzumachen.
00:20:49: Und da mache ich keinen Hehl raus. Auch das hat uns die Abwanderung von einigen
00:20:53: Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gekostet. Leider, ja, weil sie sich auf dieses
00:20:59: System nicht einlassen konnten oder wollten. Und ich bin sehr stolz, dass das
00:21:06: trotz dieser großen Schmerzen, es wirklich schmerzt auf diese
00:21:10: Kolleginnen und Kollegen dann in dem Moment zu verlieren. Aber für uns war
00:21:13: diese Vision, sag ich mal, ganz klar, dass wenn wir etwas verbessern wollen,
00:21:19: verändern wollen, wenn wir den Bürger die Hilfe zukommen lassen wollen, die
00:21:24: er benötigt, dann brauchen wir konsequent diesen Standard, der auch immer weiter
00:21:30: entwickelt, der evaluiert, der überprüft wird. Weil ansonsten können wir diese
00:21:35: Leistung hinten heraus nicht liefern. Und das hat lange Zeit gedauert.
00:21:42: Das war ein Prozess. Und dieser Prozess war, wie gesagt, nicht ganz
00:21:47: schmerzfrei, hat auch die Abwanderung von den Kolleginnen und Kollegen
00:21:51: bedeutet. Jetzt heutzutage sind wir aber, glaube ich, da wirklich sehr
00:21:55: guten Weg. Und wenn wir neue Mitarbeitende einstellen, die das nur so kennen, wie
00:22:01: wir es machen, dann kommt ganz häufig die Frage, na ja, wie habt
00:22:04: das denn vorher gemacht? Also, wie habt ihr denn vorher entschieden, welches
00:22:08: Rettungsmittel entsprechend entsandt wird? Und wenn dann kommt, dass man sich an einem
00:22:13: roten Faden in Anfangsriffen nur entlang gehangelt hat und der Rest sozusagen, die
00:22:19: zweite Hälfte von der Erfahrung, von dem Zustand des einzelnen Abhängen,
00:22:24: dann reflektieren die Mitarbeitenden heute und sagen, Mensch, das ist aber
00:22:29: klasse, dass wir jetzt einen Standard haben und das zu jeder Zeit entsprechend
00:22:33: auch so anwenden können. Sehr spannend. Auch, dass sie da einzelne
00:22:37: Mitarbeiter verloren haben, auch darüber offen reden, das spricht sehr für sie.
00:22:41: Und klar, manche sind wahrscheinlich nicht bereit gewesen, sich davon zu lösen,
00:22:46: aber es zeigt ja auch, gerade im internationalen Vergleich, wie richtig
00:22:50: sie mit diesem Weg sind und toll auch, dass sie darüber gesprochen haben und
00:22:54: versucht haben, auch denjenigen, die Bedenken haben, ihren Bedenken zu nehmen
00:22:58: und trotzdem auch zu achten, was sie da an Erfahrung mitgebracht haben und dass
00:23:03: sie das immer noch wertschätzen. Kommen wir aber mal zu ihrer nächsten
00:23:07: Fahrzeugstrategie. Auch das ist, glaube ich, für viele Menschen noch, die nicht so
00:23:11: ganz nah sind. In unserem Feld hier nicht ganz vorstellbar, dass es in Deutschland
00:23:17: mehrheitlich so ist, in großer Mehrheit sogar, muss man sagen, dass ein Fahrzeug
00:23:21: eben, dass sich rettungstechnisch in einem Gebiet bewegt, wo ein Notfall ist,
00:23:28: dahin geordert werden könnte, aber nicht wird, weil eben die
00:23:32: Zuständigkeit formell fehlt. Sie haben das geändert und greifen zurück, wenn
00:23:37: ich es richtig verstehe, auf einen großen Pool von Fahrzeugen und Können
00:23:41: ermitteln, welches Fahrzeug gerade, auch wenn es nicht, nehmen wir an, es ist
00:23:45: der nächste Landkreis bei Ihnen oder das müsste wir uns noch mal erklären,
00:23:49: genau, wenn das funktioniert, nicht daher kommt, aber trotzdem dort,
00:23:53: wo sie unterwegs ist und zu ihrem Gesamtzuständigkeitsbereich gehört,
00:23:57: dann eben dort schnell aktiviert werden kann.
00:24:00: Also vom Grundsatz ist es so, dass wir sechs Träger der Rettungsdienste haben.
00:24:04: Das sind die vier Flächenlandkreise und die zwei kreisfreien Städte, die
00:24:09: organisieren ihren Rettungsdienst entsprechend lokal und vor Ort.
00:24:14: Aber ich bin sehr froh, dass sich das ist Oldenburg und welche Städte...
00:24:18: Wenn ich das mal aufzähle von den Landkreisen, das ist der Landkreis
00:24:21: Ammerland, das ist der Landkreis Kloppenburg, das ist der Landkreis
00:24:25: Oldenburg, das ist der Landkreis Wesermarsch und das sind die beiden
00:24:28: Städte Delmen, Horst und Oldenburg.
00:24:30: In Summe etwa eine Fläche von 4.200 Quadratkilometern, in der gut 800.000
00:24:36: Menschen wohnen.
00:24:38: In den Rettungsdiensten, die wir entsprechend haben, sind auch 155 Feuerwehren
00:24:42: bei uns zu Hause und diese Rettungsdienste sprachen wir gerade über
00:24:47: die nächste Fahrzeugstrategie.
00:24:49: Diese Rettungsdienste, diese Träger, also die Träger unserer Leitstelle
00:24:52: haben sich entsprechend entschieden, dass wir genau diese nächste Fahrzeugstrategie
00:24:57: anwenden.
00:24:58: Will heißen, wir wissen über alle rettungsdienstlichen Fahrzeuge, wo sie
00:25:01: sich befinden.
00:25:02: Ein rettungsdienstliches Fahrzeug befindet sich entweder auf einer
00:25:05: Rettungswache, das ist relativ einfach.
00:25:07: Dann haben sie einen gewissen Status und sind zu uns sozusagen gut zu
00:25:11: erreichen.
00:25:12: Und ansonsten befinden sich diese Rettungsmittel im fahrenden System
00:25:18: zwischen den einzelnen Einsätzen zu den Krankenhäusern, Altenheimen,
00:25:21: Pflegediensten, wo auch immer.
00:25:23: Und dann ist es so...
00:25:25: Und wo die sind.
00:25:26: Da haben sie großen Screen.
00:25:28: Ja, genau.
00:25:29: Also das wissen wir.
00:25:30: Das läuft letztendlich im Hintergrund.
00:25:32: Die ganzen Fahrzeuge auf einer Karte zu verfolgen ist sicherlich nicht unser
00:25:36: Ziel, sondern das läuft im Hintergrund.
00:25:39: Technisch rein technisch läuft es ab.
00:25:42: Diese Fahrzeuge melden in einem bestimmten Intervall alle paar Sekunden,
00:25:46: senden die uns als Leitstelle ihre georeferenzierte Koordinate, wo sie
00:25:50: sich gerade befinden.
00:25:52: Das passiert vollkommen automatisiert.
00:25:54: Da braucht kein Mensch, der in einem Rettungsmittel etwas zu tun.
00:25:57: Das heißt also alle paar Sekunden, der hättet sich sozusagen bei uns im
00:26:01: System der Standort eines jeden Rettungsmittels ab.
00:26:04: Und wie gesagt, das sehen wir gar nicht, wo sich dieses Auto befindet.
00:26:09: Wir speichern in einer Datenbank einfach nur genau diese Position.
00:26:13: Und wenn wir dann einen Notruf bekommen und der Einsatzort lokalisiert ist,
00:26:19: dann wird geschaut, welches Rettungsmittel befindet sich am nächsten zu diesem
00:26:25: Einsatzort.
00:26:26: Weil das ganze georeferenziert Stand findet, also der Einsatzort georeferenziert
00:26:31: ist und wir auch wissen, an welcher Koordinate sich das Fahrzeug vor
00:26:35: fünf Sekunden gefunden hat, kann dann ein Vergleich stattfinden in diesem System.
00:26:40: Dann wird geschaut, welche Fahrzeuge sind in einem bestimmten Radius zu diesem
00:26:46: Einsatzort.
00:26:47: Da kann man in Stufen schauen und gucken, gibt es ein Fahrzeug, was ist in
00:26:51: einem Kilometer Radius, gibt es ein Fahrzeug, was ist im 2, 5, 10 Kilometer
00:26:54: Radius.
00:26:55: Das macht das System innerhalb von Bruchteilen von Sekunden vollkommen
00:26:59: automatisch und am Ende gibt es eine Ressource, die am dichtesten dran ist.
00:27:04: Und die wird dann dem Leitstellende Sponenten vorgeschlagen und diese
00:27:08: Ressource wird dann entsprechend auch zum Einsatzort alarmiert.
00:27:11: Das ganze vollkommen digital.
00:27:13: Wir haben zum einen eine einheitliche digitaler Alarmierung, das heißt die
00:27:18: Piper, die man am Hosengölle trägt, die funktionieren nicht nur in einer Stadt
00:27:23: oder in einem dieser Landkreise, sondern die funktionieren bei uns flächendeckend.
00:27:26: Das heißt, wir können alle Einsatzkräfte überall erreichen.
00:27:30: Das ist Art 1 und Art 2 ist, wir haben vor einigen Jahren auch eine digitale
00:27:35: Einsatzdokumentation eingeführt.
00:27:37: Diese Ressourcen draußen, die fahren, die haben entsprechende Tablets, auf denen
00:27:41: die gesamte Einsatzdokumentation stattfindet und auch diese Tablets werden
00:27:45: dann in dem Moment mit dem Einsatz entsprechend beschickt.
00:27:49: Wie wissen die Systeme oder Sie, welches Fahrzeug wirklich verfügbar ist?
00:27:54: Das kann ja jetzt sein, dass in Dellenmaus von A bis B jetzt ein Rettungswagen
00:27:59: unterwegs ist, zwar aber ein Herzinfarkt-Patienten da an Bord ist und
00:28:04: parallel findet jetzt in nächster Nähe ein Unfall stark, bei dem sich jemand das
00:28:10: Bein gebrochen hat. Ihr System sagt, dieser RTW ist nun in unmittelbarer Nähe des
00:28:15: Unfalls, wo sich der eine das Bein gebrochen hat, kann aber da vielleicht hin,
00:28:19: weil er diesen Herzinfarkt-Patienten an Bord ist. Wie differenzieren Sie das?
00:28:24: Das wird durch sogenannte Statusmeldungen erledigt.
00:28:27: Die Rettungsdienste im BOS-Bereich haben sogenannte Fahrzeug-Stati.
00:28:32: Wenn ich einen Patienten an Bord habe und mit einem Patienten in eine Klinik,
00:28:37: in eine Versorgungseinrichtung fahre, hat der eine bestimmte Kennung und
00:28:41: diese Kennung wird natürlich zudem in Anführungsstrichen in unserem System
00:28:46: erfasst. Die wird gesetzt von der Einsatzbesatzung in den Fahrzeugen.
00:28:50: Die wissen also ganz genau, wann fahre ich los und steige ich ein und fahre los
00:28:54: in die Versorgungseinrichtung, dann wird ein solcher Status über das Funkgerät
00:28:58: gesetzt. Das reflektiert unsere Datenbank ganz genau so und berücksichtigt
00:29:03: das dann entsprechend auch bei diesem georeferenzierten Einsatzmittelvorschlag.
00:29:10: Jetzt gehe ich noch eine Stufe weiter. Sie haben es gerade dargestellt.
00:29:13: Wir haben in dem Rettungswagen einen lebensbedrohlich erkannten Patienten
00:29:19: und bekommen in Anführungsstrichen einen zusätzlichen Einsatz in unmittelbarer
00:29:22: Nähe, wo sich jemand, ist noch mal das Sprunggelenk, frakturiert hat.
00:29:27: Dann würden wir sicherlich diesen Rettungswagen, der den lebensbedrohlichen
00:29:31: Patienten an Bord hat, nicht dorthin schicken, sondern würden ihn in
00:29:36: den Lernst-Krankenhaus weiter entsenden.
00:29:39: Brehen wir den Spieß um. Der Rettungswagen fährt mit einem Patienten
00:29:44: in ein Krankenhaus, der eine Sprunggelenkstraktur hat und in unmittelbarer
00:29:48: Nähe ereignet sich ein lebensbedrohlicher Einsatz, einen plötzlicher
00:29:51: Herrskreislaufstillstand, was auch immer. In dem Moment wird das nächste
00:29:56: Freierettungsmittel gesucht, also das, was wirklich frei ist und in der Nähe ist
00:30:01: und zudem packen wir oben drauf dieses Rettungsmittel, was sich mit dem
00:30:06: Patienten und der Sprunggelenkstraktur sozusagen auf der Fahrt zum
00:30:10: Krankenhaus findet. Denn das können wir in dem Moment parallel entsenden und
00:30:16: als Ersthelfer sozusagen vor Ort schicken, natürlich mit der Konsequenz,
00:30:21: dass der Patient mit der Sprunggelenkstraktur vielleicht 3 Minuten
00:30:24: im Auto alleine warten muss oder vielleicht doch 5, bis dass die
00:30:27: nächsten Einsatzkräfte eingetroffen sind. Aber das ist aus unserer Sicht
00:30:31: absolut vertretbar, denn wir müssen differenzieren. Auf der einen Seite geht
00:30:35: es um eine Sprunggelenkstraktur und auf der anderen Seite geht es um einen
00:30:38: plötzlichen Herrskreislaufstillstand. Also höchst flexibel, höchst technisiert.
00:30:43: Wie digital ist Ihre Leitstelle im Vergleich zum bundesweiten Durchschnitt?
00:30:47: Was das operative Einsatzgeschehen angeht, würde ich sagen sind wir größer
00:30:53: 95 Prozent digital. Bei uns gibt es im operativen Geschäft, was die
00:30:57: Einsatzmittelvorschläge angeht, was auch die Prozesssteuerung angeht, gibt es
00:31:02: kein Papier mehr. Und im Vergleich zum Durchschnitt? Ja, ich kann natürlich jetzt
00:31:08: nicht den gesamten Bundesdurchschnitt da abbilden, aber ich glaube schon, dass wir
00:31:12: da sehr digital entsprechend unterwegs sind. Ja, sie sind sehr digital, sie haben
00:31:18: aber auch Standards, die sie beschrieben haben, die wir auch zum großen Teil
00:31:23: vergeblich suchen. Warum ist es so schwer, diese doch erkennbar, modernen und
00:31:31: auch wirklich zeitgemäßen und auch essentiellen Dinge einzuführen?
00:31:36: Zu Beginn möchte ich dieser Frage stellen, ich glaube, dass das
00:31:39: wirklich das Herzblut einer jeden Leitstelle ist, an den jeden Mitarbeitern
00:31:43: in einer Leitstelle ist, die Aufgaben, die Arbeiten, die dort anfalten und
00:31:47: erledigt werden müssen, das besten Wissen und Gewissen für die Bürgerinnen und
00:31:51: Bürger zu machen. Wir haben in ihrer Fragestellung, darauf würde ich eingehen
00:31:56: wollen, aber keine, ich mache mal wirklich zentrale Vorgabe, wie wird es denn
00:32:01: gemacht, was sozusagen definiert, was oder wer definiert den Standard. Wir haben
00:32:08: Bundesländer, wir haben Träger der Rettungsdienste, Träger der Leitstellen
00:32:14: und im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung macht das jeder etwas
00:32:20: anders. Ich will nicht sagen, schlecht, das würde mir überhaupt gar nicht zustehen,
00:32:24: aber jeder macht das etwas anders und damit wir dort in Anführungsstrichen auch
00:32:30: bundesweit auf einen Standard kommen, das ist meine Auffassung, bedarf es dann
00:32:35: auch entsprechender zentraler Vorgaben, Kriterien, damit wir in den Bundesländern
00:32:43: oder auch innerhalb der Bundesländer nicht eine solche, ich sage mal,
00:32:48: spannbreite haben, dass die einen Leitstellen so agieren und die andere
00:32:54: Leitstellen halt anders agieren. Also im Grunde ein standardisiertes Verfahren,
00:33:00: um Standards umzusetzen, umsetzen zu können. Ja, wenn es kein standardisiertes
00:33:06: Verfahren ist, ich glaube mal so, vielleicht können die Verfahren,
00:33:10: ich sage mal, es gibt mehrere Wege, die nach Rom führen, vielleicht können auch
00:33:14: dort verschiedene Verfahren zu einem Ziel kommen, aber das Ziel muss klar
00:33:20: definiert sein und die Vorgabe, wie wir dieses Ziel erreichen, die können wir
00:33:25: vielleicht, ich sage mal, noch ein bisschen differenz steuern, weil ich
00:33:29: einfach auch unterschiedliche Gegebenheiten habe. Der eine wohnt in den Bergen und der
00:33:33: andere wohnt am Wasser, der eine hat vielleicht viele Bürgerinnen und Bürger
00:33:37: zu versorgen, der andere noch mehr und das sind sicherlich entsprechend
00:33:43: unterschiedliche Strukturen und deswegen kann das auch so gesetzt werden, dass ich
00:33:47: ein Ziel habe und ich muss dieses Ziel erreichen und wie ich das mache,
00:33:50: sozusagen, da gibt es noch Differenzen. Das schönste Beispiel ist immer, wir
00:33:55: arbeiten noch sehr stark mit den Kollegen in Berlin zusammen. Berlin ist die
00:33:58: größte Leitstelle in Deutschland. Berlin versorgt über dreieinhalb
00:34:02: Millionen Menschen, zuzüglich dessen, was da tagtäglich an Pendlerinnen und
00:34:05: Pendlereien fährt. Wir haben nur einen Bruchteil von dem, Berlin ist aber eine
00:34:10: Trägerkörperschaft, bei uns sind sechs und das zum Beispiel können wir ja nicht
00:34:16: auf einen Standard heben. Wir können ja nicht sagen, wir machen jetzt eine
00:34:19: Leitstelle und ziehen sozusagen auch gleich die Trägerkörperschaft zusammen
00:34:24: und es gibt nicht mehr vier Flächen Landkreise und zwei kreisfreie Städte,
00:34:27: sondern das ist jetzt eins. Das ist eine andere Entscheidungsbasis, sage ich mal.
00:34:31: Aber das Ziel, Vorgaben zu machen, Standards zu definieren, die
00:34:36: entsprechend umgesetzt etabliert werden müssen, ich glaube, das wäre schon
00:34:40: etwas, was und letztendlich geht es unterm Strich immer um die Sache, es geht
00:34:44: immer um die Bürgerinnen und Bürgers, geht immer um das Zusammenspiel in unserem
00:34:49: Gesundheitssystem, die das dann auch entsprechend voranbringen würden.
00:34:53: Jetzt haben wir ja bald eine neue Regierung, es gibt einen Gesundheitsminister oder den
00:34:58: alten oder einen neuen Gesundheitsministerin, das ist, wenn wir auch
00:35:02: bald erfahren, nehmen wir an, Sie haben einen Wunsch frei, welcher wäre es?
00:35:06: Ja, das ist natürlich eine sehr spannende Frage, da ich auch in verschiedenen
00:35:10: Gremien in der Vergangenheit sowohl auf Lande als auch auf Bundesebene schon
00:35:14: mitarbeiten durfte und ein bisschen mehr den Blick hinter den Vorhang
00:35:19: sozusagen wagen konnte, ist es für mich, dass die so wichtige Reform der
00:35:24: Notfallversorgung eigentlich auf den Weg gebracht wird und dass das deutsche
00:35:28: Gesundheitssystem entsprechend verändert und angepasst wird.
00:35:34: Ich würde auch da, die sagen, der Wunsch an den Bundesgesundheitsministerien,
00:35:39: ich würde da auch meine Expertise, meine Erfahrung auch aus Oldenburg gerne mit
00:35:43: einbringen, das könnte ich dem neuen, der neuen Ministerin mit anbieten, aber es
00:35:49: ist wirklich wichtig, dass jetzt etwas passiert, bevor das System kollabiert.
00:35:53: Das ist dann die Konsequenz?
00:35:54: Ja, das wäre die Konsequenz und ich bin davon überzeugt, dass das irgendwann
00:35:58: passieren wird und wie gesagt man so schön, es muss erst schlimmer werden, bevor es
00:36:03: besser wird und wir sind da leider, dass es auf dem Wege, dass es immer
00:36:08: schlimmer wird und ich hoffe, dass mit einer solchen Reform der Notfallversorgung
00:36:14: dann auch mit einer neuen Bundesregierung und der entsprechenden Konsequenz in der
00:36:19: Umsetzung, dass das dann wirklich besser wird.
00:36:22: Zum Abschluss, Herr Linert, eigentlich war das schon ein sehr schönes Schlusswort, aber
00:36:26: gibt es einen Moment, dass Ihre Laufbahnen, auf denen Sie besonders stolz sind oder auch
00:36:31: auf denen ganz besonders im Gedächtnis geblieben sind?
00:36:34: Ich glaube, das würde ich nicht einem einzigen Moment festmachen wollen.
00:36:38: Es gibt aus meiner Sicht so die gewissen Momente, in denen wir als Rettungsleitstelle,
00:36:45: Feuerwehren-Rettungsleitstelle, zur wirklich richtigen Zeit für die Bürgerinnen und
00:36:51: Bürger, für die Anrufenden da sind und diese explizit in diesen ganz besonders
00:36:57: lebensbedrohlichen Situationen so unterstützen, dass das für die Betroffenen
00:37:03: gut ausgeht. Und das erzeugt bei mir selbst jetzt im Gespräch so ein Gänsehaut-Moment,
00:37:12: wo ich immer wieder sage, genau das ist der Moment, das spiegelt sich bei mir
00:37:17: wieder, warum ich tagtäglich aufstehe, warum ich tagtäglich zur Arbeit gehe und
00:37:22: warum es sich lohnt, das System, was wir haben, zu hinterfragen, das System zu
00:37:27: verbessern, auch mal andere Wege zu gehen, auch mal dieses berühmte
00:37:32: Change Management wirklich kontrovers umzusetzen, Veränderungen mal keiner,
00:37:38: aber sie sind erforderlich. Und das sind so die Momente, wenn man auch noch durch
00:37:43: noch so schwere Zeiten gegangen ist und noch so viel Widerstände hatte, das sind
00:37:47: wirklich die Momente, wo ich sage, ja, Woll und genau aus diesem Grund hat es sich
00:37:53: gelohnt, diesen schweren Weg zu gehen.
00:37:55: Linnert, wir danken Ihnen herzlich für dieses wunderbare Gespräch, aber auch für
00:38:00: Ihre großartige Arbeit in einem sehr, sehr starren System, diese Innovation
00:38:06: voranzutreiben, dass wir Dien größter Respekt und Sie sind da wirklich ein
00:38:11: Pionier, ein Vorkämpfer in einer ganz, ganz wichtigen eben Lebensrettung in
00:38:17: Sache und wir können Ihnen, dann Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterinnen,
00:38:21: danken für Ihren täglichen Einsatz und auch für diese Innovationskraft, den
00:38:25: Mut, die Dinge eben nach vorne zu schreiben.
00:38:28: Ganz herzlichen Dank für dieses wunderbare Gespräch.
00:38:31: Die Pion Steiger Stiftung. Der Podcast.
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