Warum Frauen seltener reanimiert werden

Shownotes

Warum Ersthelfer:innen Frauen seltener reanimieren

Wie stereotype Ängste lebensgefährlich werden können

Welche Rolle Gendermedizin bei Diagnostik, Forschung und Therapie spielt

Warum Frauen andere Symptome zeigen – und oft später Hilfe suchen

Was eine „Frauenherzsprechstunde“ ist und warum sie wichtig ist

Wie medizinische Ausbildung und Aufklärung sich verändern müssen

Was die Politik bislang versäumt – und jetzt dringend anpacken muss

Ein Gespräch über Aufklärung, Gleichberechtigung – und über Mut im entscheidenden Moment.

🫀 Wichtigster Appell dieser Folge: Reanimieren rettet Leben – egal, ob bei Mann oder Frau.

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00:00:00: Die Björnsteigerstiftung. Der Podcast.

00:00:03: Mai 1969. Auf dem Rückweg vom Schwimmbad wird der 8-jährige Björnsteiger von einem Auto erfasst und dabei schwer verletzt.

00:00:12: Es dauert fast eine Stunde, bis endlich ein Rettungswagen eintrifft. Björnsteiger stirbt.

00:00:18: Nicht an seinen Verletzungen, sondern an den Folgen eines Schocks.

00:00:22: Die Eltern Ute und Siegfried Steiger gründen erst einen gemeinnützigen Verein.

00:00:26: Später entsteht daraus die Björnsteigerstiftung. Durch ihr unerlässliches Engagement wurden bis heute Millionen Menschenleben gerettet und vergleichbare Schicksalsschläge vermieden.

00:00:36: In diesem Podcast geht es um die Arbeit der Björnsteigerstiftung und die Bedeutung einer funktionierenden Notfallhilfe.

00:00:42: Wir sprechen mit Experten, Betroffenen und den Machern hinter den Kulissen.

00:00:47: Folge 39. Herzsicher. Warum Frauen seltener reanimiert werden. Mit Professor Dr. Claudia Schmidtke.

00:00:55: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Herzsicher, dem Podcast der Björnsteigerstiftung.

00:01:01: Ich freue mich heute sehr mit einem ganz besonderen Gast zu sprechen mit Professor Rinn, Dr. Claudia Schmidtke.

00:01:08: Sie ist Fachherzin für Herzchirurgie.

00:01:11: Professorin war Bundestagsabgeordnete und auch Patientenbeauftragter der Bundesregierung.

00:01:17: Er studiert Medizin in Hamburg, war in Deutschland an verschiedenen Kliniken tätig.

00:01:24: In Kiel aber auch als Ärztin für Intensivmedizin in Frankreich, in Lothringen.

00:01:30: Wir treffen uns heute in Lübeck, wo sie ihre Ausbildung zur Fachherzin für Herzchirurgie gemacht hat.

00:01:37: Sie sind nicht nur eine großartig ausgebildete Herzchirurgie, sondern auch aktiv im Präsidialrat der Björnsteigerstiftung.

00:01:47: Sie sind auch Gendermedizinerin. Was es damit auf sich hat, dazu kommen wir gleich.

00:01:55: Heute wollen wir uns zu Beginn einem Thema nähern, das noch für viele ein Tabu ist.

00:02:01: Nämlich der Frage, wie Frauen in Notfällen versorgt werden.

00:02:06: Und, Frau Prof. Schmidtke, Studien zeigen, Frauen werden seltener reanimiert.

00:02:12: Sie erhalten später Hilfe und das hat Folgen. Warum ist das so?

00:02:18: Erstens mal ganz herzlichen Dank für die Einladung.

00:02:21: Ich freue mich sehr und freue mich ganz besonders, dass wir ein spezielles Thema heute behandeln,

00:02:27: das wirklich mehr Beachtung, denke ich, erfordert.

00:02:31: Ja, Frauen werden in Notfallsituationen deutlich seltener reanimiert.

00:02:35: Wir haben das deutsche Reanimationsregister, das Prof. Gresner vom UKSH sehr nach vorne bringt und leitet.

00:02:48: Und wir haben in diesem deutschen Reanimationsregister folgende Zahlen.

00:02:52: Nach zwei Drittel der Reanimationsfälle bei Männern und ein Drittel nur bei Frauen.

00:02:58: Und nach diesem Reanimationsregister fanden 70 Prozent der Fälle im häuslichen Bereich statt,

00:03:04: in der Öffentlichkeit in etwa 15 Prozent.

00:03:08: Und was wir auch wissen, ist, dass Frauen später den Rettungsdienst rufen.

00:03:14: Also etwa 108 Minuten nach Beginn der Symptome und Männer machen das schon nach 80 Minuten.

00:03:21: Selbst die Rettungsdienst rufen, wenn sie selber betroffen sind?

00:03:26: Beides. Nehmen wir mal den Herzinfarkt, die Symptome sind anders.

00:03:30: Und Frauen zögern es auch hinaus, den Notarzt zu rufen.

00:03:36: Frauen haben ja beispielsweise Bauchschmerzen.

00:03:40: Und dann denken sie, na ja, das ist, hab ich mir vielleicht den Magen verdorben

00:03:45: und nehmen dann erstmal eine Tablette und dann gehen die Schmerzen nicht weg.

00:03:48: Dann nimmt man noch einen Schmerzmedikament und so verzögert sich das.

00:03:52: Frauen wollen ja auch niemandem zur Last fallen und haben ja auch häufig noch Kehrarbeit zu verrichten.

00:03:59: Da spielt vieles eine Rolle. Also es gibt immer ein schönes Beispiel.

00:04:03: Wenn ein Mann ein infarkt hat, gehen jetzt mal von einem Ehepaar aus.

00:04:09: Wenn der Ehemann ein infarkt hat, dann ruft die Frau relativ zügig die Rettung an.

00:04:16: Und im umgekehrten Fall, da kriegt der Mann es vielleicht erst gar nicht mit,

00:04:20: weil die Frau sich dann, wenn es abends ist, so erstmal aus dem Bett quält

00:04:24: und bloß nicht den Mann aufweckt und selber erst mal ein bisschen rumdoktert,

00:04:27: dann wird der Mann wach davon, dann sagt er, na ja, haste beschwer, ja ja, hab ich,

00:04:31: aber ist nicht so schlimm und so wird das alles ein bisschen hinausgezögert.

00:04:36: Frauen sind dadurch manchmal tatkräftiger zu Wege als die Männer.

00:04:40: Das ist tatsächlich so, aber tatkräftiger dann bei einigen in Bezug auf andere,

00:04:45: nicht so sehr auf sich selbst.

00:04:47: Exakt, genau das ist der Punkt.

00:04:50: Und dieser Punkt der Schmerzmittel ist natürlich auch leider mittlerweile

00:04:55: doch weit verbreitet. Also das können auch normale Schmerzmittel sein,

00:05:00: kann nicht so abhängig machen, aber der Hang, sich mal eben da so eine,

00:05:05: ich mach jetzt keine Werbung, aber drei Buchtaben in der Abkürzung einzuschmeißen,

00:05:11: der ist, glaube ich, auch bei Frauen etwas verbreitet da,

00:05:15: um eben das, was Sie gesagt haben, nicht zulasten fallen, weiterzumachen,

00:05:19: geht ja auch so, das sind sicherlich auch Sachen.

00:05:23: Aber wie erklären Sie sich die Zurückhaltung vieler bei Frauen,

00:05:29: aber offenbar gibt es diese Zurückhaltung ja auch bei Ersteilferinnen und Ersteilfern,

00:05:33: wenn es um Frauen geht.

00:05:35: Das ist so, wir haben das Ganze auch belegt mit einer Reihe von Studien,

00:05:40: auch internationalen Studien. Die Zurückhaltung der Ersteilferinnen und Ersteilfer ist da.

00:05:47: Es zeigt beispielsweise eine große Studie aus den Niederlanden,

00:05:51: dass Frauen in öffentlichen Räumen in nur 63 Prozent der Fälle von Leyen reanimiert werden

00:05:57: und Männer hingegen in dieser Studie in 73 Prozent der Fälle.

00:06:02: Und es gibt eine Befragung aus Großbritannien und dort gab ein Drittel der Männer an,

00:06:09: sie hätten Sorge bei der Reanimation einer Frau fälschlich, der unsinnlichen Berührung beschuldigt zu werden.

00:06:15: Wir kennen alle die Mitu-Debatte, das kann man teilweise nachvollziehen,

00:06:21: aber diese Angst kann natürlich lebensgefährlich sein, denn jede Minute ohne Herzdruckmassage

00:06:27: senkt die Überlebenswahrscheinlichkeit um etwa zehn Prozent.

00:06:31: Wir sind ja gewohnt auch zwischen den Zeilen zu lesen oder auch etwas abstrakte Formulierungen deuten zu können.

00:06:38: Gerade all diejenigen, die sich auch zuhörend im medizinischen Bereich bewegen, was sehr, sehr viele sind,

00:06:44: aber trotzdem lassen sie uns das nochmal übersetzen.

00:06:47: Also, weil es für viele, glaube ich, auch eine Überraschung ist.

00:06:51: Für mich war es das, als ich das zum ersten Mal gehört habe, ein wesentliches Merkmal bei der Reanimation

00:06:58: oder bei der Hilfe für Menschen, die einen plötzlichen Herzinfarkt haben, die dann zusammenklappen,

00:07:05: auf der Straße, auf dem Bahnsteig oder sonst wo.

00:07:09: Das ist ja, dass man hingeht und hilft, das wird einem ja auch eingebleut

00:07:15: und jede Hilfe ist besser als nichts zu tun, bis dann eben die professionellen Retter kommen.

00:07:21: Dazu gehört eben auch zu prüfen, Art mit der oder diejenige noch und dann relativ schnell zu beginnen

00:07:28: mit der berühmten Herzdruckmassage und ob jetzt so Stange Live oder modernen Songs

00:07:34: auf jeden Fall häufig zu drücken in einem bestimmten Rhythmus

00:07:37: und relativ tief zu drücken auf dem Brustkorb, damit das Herz auf diese Art und Weise noch arbeiten kann

00:07:44: und der Organismus auf diese Art und Weise mit Blut aber vor allem mit Sauerstoff versorgt wird.

00:07:52: Und sie sagen bzw. die Studien ergeben, dazu muss man natürlich auch um das machen zu können,

00:07:59: den Oberkörper frei machen. Man muss also den oder diejenige, die da liegt,

00:08:04: eben befreien von dem, was sie anhaben oder das Hochschieben,

00:08:09: die sich dann auch um die Hämme zu drücken, um dann besser drücken zu können.

00:08:14: Und da gibt es offenkundig die Hämmes bei vielen, also 10% macht das aus, zu drücken bei Frauen,

00:08:22: weil man denkt Gott, da sind ja Brüste und wenn ich jetzt drücke und die Frau entkleidet,

00:08:29: dann bin ich in einer Situation, die kann ich nicht steuern

00:08:33: und vielleicht werde ich da auch noch wegen unsichtlicher Berührung belangt

00:08:38: und dann wollte ich nur helfen, muss mich rechtfertigen, also lass ich es lieber sein.

00:08:42: Ist das so?

00:08:43: Das ist so, das stimmt. Das ist auch schon durchaus ein Tabu, aber wir dürfen nicht vergessen,

00:08:51: dieses Tabu, den weiblichen Körper irgendwie anzufassen in dieser Notsituation,

00:08:56: das kann im schlimmsten Fall dann auch das Leben kosten dieser betroffenen Frau.

00:09:03: Aber es ist so, auch in Notfallsituationen wird eben auch der weibliche Körper häufig noch anders wahrgenommen

00:09:10: und Menschen sind verunsichert, darf ich das überhaupt? Darf ich die Kleidung öffnen,

00:09:15: auch um einen Defibrillator beispielsweise anzuwenden?

00:09:18: Ist das okay, auf die Brust zu drücken?

00:09:21: Aber es geht eben hier um eine lebensrettende Maßnahme in diesem Fall

00:09:25: und das ist keine intime Handlung, also da darf man keine Scheu haben, sondern drücken.

00:09:31: Und sie sagten, dass ja auch, es gibt ja Musik, die man im Rhythmus dann anwendet für die Frequenz des Druckes.

00:09:41: Und ich habe dann nochmal nachgeschaut, welche Lieder es gibt.

00:09:44: Also es gibt mittlerweile tatsächlich Generationenunterschiede, also die Hitliste umfasste wirklich Lieder, die kannte ich nicht.

00:09:52: Aber auch da müssen wir aufpassen, dass wir auch da modern bleiben

00:09:55: und diese Lieder in den Köpfen verankern, damit dann auch die Frequenz des Druckens stimmt.

00:10:00: Also Staying Alive Beaches, die kennen vielleicht dann viele der jungen Generationen nicht mehr so.

00:10:06: Aber für uns ist das natürlich der Klassiker, frag ich mal.

00:10:10: Wie lässt sich so ein Tabu aufbrechen, dieses vibrürig Frauen in solchen Situationen, was kann ich tun?

00:10:17: Was können wir tun, damit das eben klarer wird, dass es da keine Scheu geben darf?

00:10:24: Also dieses Tabu muss wirklich aktiv und auf unterschiedlichsten Ebenen angegangen werden.

00:10:30: Also Schweigen rettet kein Leben, es braucht bessere Schulungen und es braucht eben auch Schulungen mit der Darstellung des weiblichen Körpers.

00:10:40: In erste Hilfe-Kursen sollten genauso oft weibliche Übungspuppen zum Einsatz kommen wie männliche.

00:10:46: Das haben wir noch nicht bundesweit durchgreifend.

00:10:51: Es gibt Puppen, die haben dann beispielsweise auch Körpchengröße A und das scheidet sich nahezu nicht vom männlichen.

00:10:59: Es gibt Aufsätze mit Brüsten. Also die Industrie ist da schon sehr einfallsreich und ich bin wirklich sehr froh

00:11:07: und habe mich lange mit Herrn Steiger darüber unterhalten und er hat mir versichert, hat gesagt,

00:11:12: ne bei unseren Schulungen verwenden wir zukünftig 50% weibliche Puppen und das ist natürlich herausragend.

00:11:21: Es gibt eine aktuelle Studie aus Österreich und die hat sich angeschaut über 800 Abbildungen im Netz

00:11:31: und nur etwa 7% der dargestellten Renimationspatienten waren Frauen.

00:11:37: Also auch die Abbildungen, auch das prägt uns ja das, was wir sehen ist Normalität.

00:11:43: Über 74% waren in dieser Studie Männer.

00:11:47: Wenn wir also nur ständig Männer auf den Plakaten in den Videos, in den Schulungen sehen,

00:11:52: dann verinnerlichen wir auch Reanimation, Männersache, Männer, reanimieren Männer.

00:11:58: Und es ist ja sehr unbewusst auch dieser Mechanismus und den müssen wir unbedingt durchbrechen.

00:12:06: Und was mir irgendwann auch einmal über den Weg gekommen ist, war eine Abbildung.

00:12:12: Ich habe dann geguckt, wie sieht es denn aus?

00:12:15: Frauenreanimationen und dann gab es einen tollen Text dazu, der war wirklich gut und dann gab es eine Abbildung.

00:12:25: Es ging eigentlich darum, dass Frauen reanimiert werden, dass Frauen, diejenigen sind, die Hilfe benötigen.

00:12:31: Und was war eine Abbildung zu sehen? Eine Frau, die ein Mann reanimierte.

00:12:35: Wir sagen nicht, wo ich es gesehen habe, das tue ich nicht.

00:12:38: Aber sowas ist natürlich bezeichnend da.

00:12:41: Nicht einen Schritt weiter zu denken, es müsste der Mann sein oder eine Frau, die eine Frau reanimiert.

00:12:48: Ich kann mich, ich habe auch überlegt, während Sie gesprochen haben, ich kann mich auch an keine Darstellung erinnern,

00:12:53: wo eine Frau, eine Frau reanimiert oder ein Mann, eine Frau, wahrscheinlich um all das zu vermeiden,

00:13:00: was Sie gesagt haben und danke, dass Sie Herrn Steiger da so auch initiiert haben.

00:13:05: Er hat tatsächlich dafür dann gesorgt, auch auf Ihre Anregungen, dass die Puppen, die die B.A. Steigerstiftung in die Schulen gibt,

00:13:12: eben zu 50 Prozent nunweibliche Körperform haben, mit Brüsten, um diese Scheu auch zu nehmen.

00:13:20: Wir haben recht, es müsste auch eine Darstellung so sein.

00:13:23: Und der Punkt müsste auch adressiert werden, so wie wir es gerade eben tun.

00:13:28: Genauso ist das. Drüber sprechen und es als Normalität empfinden.

00:13:33: Es ist ja bislang häufig so, auch was Symptome angeht.

00:13:38: Man spricht eigentlich sehr häufig von einer Normalität, wenn es um eigentlich männliche Symptome geht.

00:13:45: Das geht von herzenfakt bis zu vielen anderen Dingen.

00:13:49: Aber Frau ist keine Abweichung von der Norm. Und das müssen wir uns, glaube ich, wirklich bewusst machen.

00:13:54: Frau Professorin Schmittke, Sie stehen auch nicht nur für den Bereich der Herzchirurgie, den Sie viele Jahrzehnte sehr erfolgreich gemacht haben,

00:14:03: also die Königsdiszipline Ärztinnen und Ärzte, für einen Bereich, den man etwas erklären muss,

00:14:10: weil er schon vom Namen her in unserer jetzigen aufgeheizten gesellschaftlichen Debatte schnell missverstanden wird

00:14:20: und nicht für den Bereich der Gendermedizin. Was hat es damit auf sich?

00:14:25: Gendermedizin ist die besondere Berücksichtigung der unterschiedlichen Geschlechter.

00:14:31: Wir wissen ja, dass wir über Mann und Frau hinaus auch weiter diversifiziert sind

00:14:39: und hier wirklich zu schauen, welche Erkrankung, welche Therapie, welche Symptome,

00:14:48: welche Forschung ist spezifisch für die einzelnen Personen.

00:14:53: Also wir gehen im Grunde in eine personalisierte Medizin in sehr vielen Bereichen

00:14:59: und das all das umfasst die Gendermedizin.

00:15:02: Und schauen wir uns mal diesen Bereich der Notfälle, wie Herzinfarkt oder plötzlichen Herztod an.

00:15:08: Gibt es da auch medizinisch relevante Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei eben diesen Notfällen?

00:15:16: Absolut. Also klassisches Beispiel ist ja immer der Herzinfarkt.

00:15:21: Und auch da, wenn Sie so Revue passieren lassen, was sehen Sie so für Bilder, was wird gelehrt

00:15:29: oder was sieht man auch in Aufklärungsschulungsmaterial für Leinen oder auch für Fachleute,

00:15:37: das ist immer der Mann, der sich an die Brust fasst, ein bisschen linksorientiert,

00:15:44: mit Ausstrahlung der Beschwerden in den linken Armen, so wird das dann häufig symbolisiert.

00:15:51: Das betrifft überhaupt nicht die Symptome einer Frau.

00:15:54: Kann es betreffen, aber Frauen haben andere Symptome.

00:15:58: Es kann mal sein, dass eine Frau einfach ganz erschöpft ist, müde ist, gar nicht auf die Beine kommt,

00:16:05: schlapp ist oder dass sie Beschwerden hat, Oberbauchbeschwerden, Magen-Schmerzen,

00:16:12: all das können Hinweise auf einen Herzinfarkt sein.

00:16:15: Und darüber müssen wir einfach aufklären, weil zu spät den Arzt zu rufen, wir haben das gesehen,

00:16:22: wir haben es vorhin drüber gesprochen, das betrifft eben auch die Symptome einer schwerwiegenden Erkrankung, wie den Herzinfarkt.

00:16:30: Wie kommt es, dass diese Symptome so unterschiedlich sind oder sein können?

00:16:35: Männer und Frauen sind unterschiedlich, sie haben eine andere Wahrnehmung.

00:16:38: Wir haben, das dürfen wir auch nicht vergessen, deshalb werden häufig auch die Studien ja gerne an Männern gemacht.

00:16:46: Wir haben unterschiedliche Abschnitte des Hormonhaushaltes.

00:16:52: Wir haben die Menopause, wir haben die Menstruation ans Phase.

00:16:58: Also die Frau ist nicht einfach in vielen Belangen, was diesen Bereich eingeht.

00:17:06: Ich will jetzt nicht sagen, auch sonst nicht, sonst muss ich hier ziehen, auch nur eine Frage.

00:17:11: Als ich sagte, da habe ich gedacht, oh, du hast jetzt eine Vorlage gehabt.

00:17:15: Das schweige ich jetzt.

00:17:18: Wir haben ein anderes Empfinden,

00:17:21: dass dann auch anders ausstrahlt und den Körper eben anders wahrnehmen lässt.

00:17:26: Das ist auch sehr, sehr nachwürdig.

00:17:28: Aber auch das braucht natürlich entsprechend Darstellung, Thematisierung in der Öffentlichkeit.

00:17:35: Was müsste sich Ihrer Ansicht nach ändern in der Ausbildung, der Forschung, auch der klinischen Praxis,

00:17:43: damit Frauen in solchen Ernstfällen nicht betnachteiligt sind?

00:17:49: Also wir müssen an ganz vielen Stellschrauben drehen.

00:17:52: Eins allein wird da nicht reichen.

00:17:55: Wir brauchen eine bessere medizinische Ausbildung, mehr Inhalte zu Gendermedizin

00:18:01: und das Ganze eben nicht nur als Randthema, sondern verpflichtend an allen Universitäten.

00:18:07: Das Ganze als fester Bestandteil.

00:18:09: Wir brauchen, hat es schon erwähnt, in den Studien ausreichend den Einstieg oder den Einfluss von genügend Frauen.

00:18:20: Die Ergebnisse müssen nach Geschlechtern ausgewertet werden.

00:18:24: All das ist noch nicht der Fall.

00:18:26: Und wir sprechen auch von einem Gender-Data-Gab.

00:18:30: Das heißt, bedeutet, dass wir nicht genügend Datenmaterial haben zu einzelnen Geschlechtern.

00:18:38: Wir brauchen für die klinische Praxis auch beispielsweise Checklisten, Diagnosischemata,

00:18:45: damit eben nicht alles nur auf das Ende des Jahres geht.

00:18:49: dass das männliche Normbild zugeschnitten ist.

00:18:51: Und wir brauchen auch eine sprachlich korrekte

00:18:54: und ausgewogene Darstellung,

00:18:56: um die bestmögliche Versorgung aller Patientinnen

00:18:59: und Patienten zu gewährleistet.

00:19:01: Das hab ich vorhin schon gesagt,

00:19:03: denn wir sprechen ja häufig von einem Leitsymptom,

00:19:06: und das ist meistens ein männliches Symptom.

00:19:10: Und ich sag's gerne noch mal,

00:19:12: 'ne Frau ist keine Abweichung von der Norm.

00:19:15: Gibt es eigentlich internationale Beispiele,

00:19:18: von denen Deutschland in diesem Bereich lernen könnte?

00:19:21: Ja, das haben wir.

00:19:23: Wir haben beispielsweise Kanada.

00:19:26: Das ist ein sehr gutes Beispiel.

00:19:28: Dort gibt es eine nationale Aufklärungskampagne,

00:19:31: speziell zur Frauengesundheit.

00:19:33: Es gibt dort eigene Webseiten,

00:19:36: Schulungsmaterial und sehr viele öffentlichkeitswirksame Aktionen.

00:19:40: In den USA und Schweden gibt es das auch.

00:19:44: Dort ist die Gendermedizin sehr viel stärker

00:19:47: und schon als bei uns in die Ausbildung und den Leitlinien verankert.

00:19:51: Und auch Reanimationsgröße mit weiblichen Puppen gehören dort

00:19:55: wirklich zum Standard.

00:19:57: Da können wir, glaube ich, eine ganze Menge lernen.

00:20:00: Das ist ja in Deutschland eine relativ neue Richtung.

00:20:03: Auf den Jahr 2011 wurde es gelehrt

00:20:06: und sind da Vorschlüsse gemacht worden.

00:20:09: Das ist ja vor dem Hintergrund dessen,

00:20:12: dass die frauliche Füße es doch anders ist

00:20:16: als das Mannes anerkennendes,

00:20:18: die wir seit Adam und Eve erteilen,

00:20:21: doch relativ frisch.

00:20:23: Wie sind Sie persönlich darauf gekommen zu sagen,

00:20:26: dass ein Bereich der ist wichtig, der interessiert mich

00:20:29: und dem gehe ich mal nach und qualifiziere mich auch dafür?

00:20:33: Mich beschäftigt dieses Thema ehrlicherweise auch schon seit Jahrzehnten.

00:20:38: Als ich junge Assistenzärztin war,

00:20:40: in der Herzheorgie bin ich eigentlich das erste Mal in Berührung gekommen.

00:20:44: Seitdem lässt mich das Thema auch nicht los.

00:20:47: In den 80er-Jahren ist eigentlich das Ganze ins Laufen gekommen

00:20:52: durch eine amerikanische Kardilogen.

00:20:54: Es war Frau Legato und die hat in einer Studie festgestellt,

00:20:58: dass bei Männern der Herzinfarkt schneller diagnostiziert wird,

00:21:02: weil eben die typischen Symptome auftreten

00:21:05: als bei Frauen eben andere Symptome.

00:21:08: Und das ist letztendlich, sie hat dann auch ein Buch dazu geschrieben,

00:21:12: "Female Hard" heißt das Buch.

00:21:14: Und das ist im Grunde die Geburtsstunde

00:21:16: der geschlechtssensiblen Medizin gewesen.

00:21:19: Das heißt, wir in der Herzmedizin waren relativ früh mit dabei.

00:21:24: Und seitdem hat mich das, ehrlich gesagt, überhaupt nicht losgelassen.

00:21:29: Herzheorgie, das ist ja wirklich eine absolut spezialisierte Profession.

00:21:36: Gut, das Erzwesen ist in allen Bereichen sehr anerkannt.

00:21:40: Aber ich würde sagen, die Herzheorgie, ich komme auch aus einer Zeit,

00:21:44: wo die Herzcheorgen wirklich diese Halbgötter waren

00:21:48: und für mich auch immer noch sind,

00:21:50: großartige Leistungen, die da erbracht werden,

00:21:53: sowohl chirurgisch, aber auch in der Forschung.

00:21:55: Ich meine, es ist wirklich einfach nur fragend und positiv.

00:21:59: Das war ja auch eine absolute Männer und vielleicht sogar auch Macho-Welt.

00:22:03: Wie haben Sie sich da gefühlt? Wie sind Sie da reingekommen?

00:22:08: Wie haben Sie, das haben Sie ohne Zweifel, da etabliert?

00:22:12: Was mussten Sie da durchstehen auch?

00:22:14: Und was war Ihr Erfolgsweg, um dahin zu kommen, wo Sie sind?

00:22:19: In dem, was Sie in Ihrer Sprache gebraucht haben,

00:22:23: sehen wir, dass der Zuschnitt auf Männer gerichtet ist.

00:22:27: Weil Sie sprachen von Halbgöttern.

00:22:29: So, und nicht von Halbgöttinnen.

00:22:31: Es gibt auch keine Halbgöttinnen, wir sind alle Göttinnen irgendwie.

00:22:35: Richtig, haben Sie recht, der ursprüngliche Begriff,

00:22:38: Halbgötter in Weiß, das war immer der nicht Göttinnen.

00:22:41: Stimmt. - Das ist ungerecht.

00:22:42: Aber es spiegelt die Realität letztendlich wieder.

00:22:45: Bis vor Kurzem hatten wir keine einzige Frau

00:22:48: in einer Führungsposition als Chefärztin in der Herzhogi.

00:22:52: So langsam kommen die Ärzten dorthin und das ist auch wichtig.

00:22:55: Weil in meinen Augen braucht es mehr Frauen in dieser Position,

00:22:59: damit Frauen auch Frauen fördern und Frauen auch ziehen.

00:23:03: Wenn solange nur Männer in dieser Position sind,

00:23:07: werden häufig auch die Oberärzte, die dann folgen,

00:23:11: in Position gebracht.

00:23:13: Insofern ist es enorm wichtig,

00:23:15: die ersten Schritte zu machen, dass Frauen in dieser Position sind.

00:23:19: Ich habe meine Ausbildung in einem Fach gemacht, in dem Krawatten.

00:23:23: Früher häufiger waren als Kollegen, das ist so.

00:23:26: Ich bin die erste Frau, die mein damaliger Chef ausgebildet hat.

00:23:31: Sowohl klinisch als auch wissenschaftlich.

00:23:34: Ich bin die erste Fachärztin gewesen, war die erste Oberärztin gewesen.

00:23:39: Die erste Professorin.

00:23:42: Sie sagen das ganz richtig.

00:23:44: Das ist einfach so, wenn man in diesem Fach mitspielen will.

00:23:48: Hierarchische Fächer sind alle ein bisschen schwieriger für Frauen.

00:23:53: Herzhogi noch mal mehr, dann braucht man ein dickes Fell, starke Nerven.

00:23:58: Idealerweise ein Y-Kromoson.

00:24:00: Ich habe nur zwei von diesen Dingen.

00:24:04: Man muss dann vielleicht auch mal doppelt so viel leisten.

00:24:08: Mir hat es immer Spaß gemacht, mir hat es Spaß gemacht im OP.

00:24:12: Mir hat es aber auch Spaß gemacht, wissenschaftlich zu arbeiten.

00:24:16: Was Spaß macht, da hat man dann auch ein bisschen mehr Elan.

00:24:19: Aber das Ganze hat mich letztendlich auch natürlich geformt.

00:24:24: Und für mich ist es aber auch wichtig, ein Beispiel zu sein.

00:24:27: Für andere Frauen und ihnen auch Mut zu machen, auch dran zu bleiben.

00:24:32: Und den bis zu haben.

00:24:34: Und das, was man sich vorgenommen hat, das Ziel dann auch zu erreichen.

00:24:39: Wenn das Ziel ist, Herzhirurken zu werden, bitte gerne.

00:24:43: Welchen Rat geben Sie Frauen,

00:24:45: das vielleicht hören, die sich mit der Frage beschäftigen,

00:24:48: wie kann ich denn auch so einen Weg gehen?

00:24:51: In einer immer noch Männerdominierten Welt,

00:24:54: mindestens in diesem Fachbereich.

00:24:56: Doppelt gut sein, ist natürlich auch schon mal eine Herausforderung.

00:25:01: Wenn das gut sein, hartnäckig sein, wie schaffe ich das als Frau?

00:25:05: Ich glaube, die Frauen haben es heutzutage leichter, als ich es hatte.

00:25:09: Wir haben hier in unserer Klinik für Herzhirurky

00:25:13: mittlerweile sehr viele Frauen in der Ausbildung.

00:25:17: Hier in Lübeck. - Ja.

00:25:18: Das ist wirklich großartig, muss ich sagen.

00:25:21: Es braucht Unterstützung.

00:25:23: Das ist eigentlich egal, ob sie dort Mann oder Frau sind in dem Bereich,

00:25:27: wenn sie einen Mentor oder eine Mentoren haben,

00:25:30: die sie unterstützt auf dem Weg sei es wissenschaftlich oder auch klinisch,

00:25:34: das heißt, im operativen Feld Unterstützung zu bekommen,

00:25:38: das ist, glaube ich, das A und O.

00:25:40: Welche Hürden erleben junge Ärztinnen und wie können die überwunden werden?

00:25:46: Also Hürden, Hürden, Hürden.

00:25:48: Ich habe auch über die Hürden nennen.

00:25:50: Hürden, ja. Aber wir sagen auch Hürden, ja.

00:25:53: (Lachen)

00:25:54: Warum eigentlich nur männlich? Das ist ungerecht, Hürden.

00:25:58: Das heißt ja, die Hürde. - Ja.

00:26:00: Irgendwas ist doch falsch.

00:26:02: Also, es fängt ja bei der Sprache an.

00:26:04: Wir sind gerade in der Sprache.

00:26:06: Und das geht natürlich auch über subtile Rollenerwartungen.

00:26:10: Bisherhin zur Frage,

00:26:12: kann ich diesen Beruf auch vereinbaren mit meinem Leben außerhalb der Klinik?

00:26:16: Wichtiger Punkt.

00:26:17: Das bedeutet, wir haben Schichtdienste.

00:26:20: Ich habe immer gesagt, das ist ein asozialer Beruf.

00:26:23: Weil man weiß nie, wann kommt man wirklich aus der Klinik?

00:26:26: Wenn man am Abend vielleicht mal ein kulturelles Event besuchen oder nicht,

00:26:32: kann es sein, dass ich abgerufen werde, dass ich dann doch operieren muss.

00:26:36: Da hat man vieles zu bedenken.

00:26:40: Schichtdienste, eine fehlende Kinderbetreuung,

00:26:42: kaum planbare Arbeitszeiten, das schreckt halt viele ab.

00:26:46: Und was wir brauchen, ist familienfreundlichere Strukturen.

00:26:50: Wir brauchen auch Mentoringprogramme, die gezielt Frauen fördern.

00:26:55: Es gibt kein Kompetenzdefizit, es gibt nur ein Strukturproblem.

00:27:00: Wie autark ist man eigentlich in der Klinik?

00:27:03: Wir sind ja ein besonders großes, aber könnte man sagen,

00:27:06: wir machen unseren eigenen Kindergarten oder machen diese Strukturen.

00:27:10: Wäre es das theoretisch möglich?

00:27:12: Das ist nicht nur theoretisch möglich, sondern es ist praktisch auch möglich.

00:27:16: Wir haben das tatsächlich hier, als ich irgendwann einmal anfing,

00:27:20: hier zu arbeiten, da gab es auch einen Kindergarten,

00:27:24: der hatte aber Zeiten, die nicht unbedingt vereinbar gewesen sind,

00:27:29: mit denen der Ärztin Herzhirurgien in Diensten,

00:27:33: die auch mal länger arbeiten.

00:27:35: Es hat sich aber sehr gewandelt.

00:27:37: Also dieses Unternehmen hier, das UKSH, ist ein familienfreundliches Unternehmen,

00:27:41: auch mit Qualitätssiegel.

00:27:43: Also hier ist man schon wirklich sehr bemüht,

00:27:46: auch Familien zu unterstützen.

00:27:49: Das sind ja nicht mehr nur die Frauen.

00:27:51: Mein damaliger Chef hatte immer Sorge, als er mich einstellte,

00:27:55: na ja, wenn ich sie jetzt ausbildet, dann sind sie in dem Alter,

00:27:58: da bekommen sie dann Kinder und dann ist die Ausbildung.

00:28:01: Das war alles sehr schwierig, wie es am Ende gekommen.

00:28:04: Ich war, glaube ich, die einzige auf Oberarzt-Ebene,

00:28:07: die dann keine Kinder hatte.

00:28:09: Die männlichen Kollegen hatten alle Kinder

00:28:11: und ich durfte dann deren Erziehungsurlaub dann abdecken.

00:28:15: So kann es auch sein.

00:28:17: Also wir haben ja mittlerweile andere Strukturen.

00:28:20: Nichtsdestotz bleibt natürlich doch häufig die Kehrarbeit

00:28:24: an den Frauen hängen.

00:28:26: Da müssen wir diese Strukturen entsprechend schaffen.

00:28:28: Ja, super, dass Sie das machen.

00:28:30: Sie waren ja auch politisch.

00:28:33: Sie waren im Bundestag in der Legislaturperiode von 2017 bis 2021.

00:28:41: Sie waren als Patientenbeauftragte der Bundesregierung aktiv.

00:28:46: Was haben Sie da gemacht?

00:28:47: Und was hat das Thema geschlechtsspezifische Versorgung

00:28:51: schon damals für Sie konkret bedeutet?

00:28:54: Ja, vorhin erläutert,

00:28:56: dass Gendermedizin schon immer quasi in meiner DNA mit begriffen ist.

00:29:03: Und für mich war auch als Patientenbeauftragte oder als Beauftragte

00:29:09: der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten,

00:29:12: wie es "correct und lang" heißt.

00:29:15: Immer klar, Gendermedizin ist kein nice to have,

00:29:17: sondern es ist auch gesetzlicher Auftrag.

00:29:19: Es ist tatsächlich so, was viele nicht wissen.

00:29:22: Es steht sogar schwarz und weiß im Sozialgesetzbuch 5,

00:29:26: und zwar im Artikel 140H.

00:29:30: Und dort heißt es, die Beauftragte oder der Beauftragte

00:29:32: hat insbesondere darauf hinzuwirken,

00:29:35: dass die gesundheitliche Versorgung den Belangen von Frauen und Männern

00:29:38: gleichermaßen rechnung kriegt.

00:29:40: Und das ist ja ein ziemlich klarer Auftrag.

00:29:43: Genau, das habe ich natürlich auch versucht

00:29:45: und versuche jetzt auch weiter, auch ohne dieses Amt, umzusetzen,

00:29:49: indem ich halt Gendermedizin auch weiter auf die politische Agenda bringe.

00:29:55: Und es braucht im Endeffekt weiterhin mehr Verbindlichkeit und Ressourcen,

00:30:01: damit dieser Auftrag dann auch überall dort ankommt,

00:30:04: wohin gehört, nämlich im Alltag der Versorgung.

00:30:07: Und wenn wir uns die letzten Koalitionsverträge anschauen,

00:30:10: dann stand das ganz häufig drin, aber passiert es im Ende nicht so richtig viel.

00:30:15: Aber wie kriegen Sie es jetzt hin?

00:30:17: Also, wir müssen auf unterschiedlichsten Ebenen einfach laut werden.

00:30:22: Es gibt im Moment wirklich eine ganz tolle Unterstützung

00:30:26: der Funkemediengruppe, die Bilder "Frau" hat vor Kurzem

00:30:32: den dritten Gesundheitsgipfel in Essen abgehalten.

00:30:36: Und das ist wirklich fantastisch.

00:30:37: Und jetzt auch wie in vielen anderen Bereichen

00:30:40: eine Ärzte-Liste auf den Weg gebracht, die noch nicht komplett ist,

00:30:44: noch nicht endgültig, aber es ist Bewegung drin.

00:30:47: Und warum ist das wichtig?

00:30:49: Weil wir einfach Frauen zeigen wollen, an welche Stelle können sie sich wenden,

00:30:55: wenn sie Beschwerden haben.

00:30:56: Es gibt auch unheimlich viele tolle Ideen.

00:30:59: Ich war jetzt gerade auf der SEMEA,

00:31:02: also der größten europäischen Messe für digitale Gesundheit.

00:31:07: Und auch da viele Gespräche führt.

00:31:11: Alle sind so ein bisschen in der Awareness,

00:31:14: dass wir ja wirklich auch diesen Gender-Data-Gap haben,

00:31:18: dass wir viel mehr forschen müssen

00:31:20: und viel mehr Daten benötigen für die Frauenmedizin.

00:31:23: Was wünschen Sie sich konkret von der Politik

00:31:26: und auch von der Gesellschaft in der Zukunft?

00:31:29: Also, von der Politik wünsche ich mir sehr viel mehr Mut.

00:31:33: Mutigender Medizin nicht als Randlutiz zu behandeln,

00:31:37: sondern als das, was hier ist,

00:31:39: eine Frage von Gerechtigkeit und Qualität.

00:31:42: Und das Ganze eben nicht auf freiwilliger Basis,

00:31:45: sondern wir brauchen Verbindlichkeiten.

00:31:48: Wir haben ja überall Checklisten, nur nicht in der Gendermedizin.

00:31:52: Was wünsche ich mir von der Gesellschaft?

00:31:54: Ganz konkret weniger Zögern?

00:31:56: Mehr hinschauen und gern auch mal machen.

00:31:59: Und ob es die Reanimation ist oder das Gespräch mit der Ärztin,

00:32:04: Mut tot gut.

00:32:06: Und manchmal rettet er eben auch das Leben.

00:32:08: Gab es einen persönlichen Grund für Sie,

00:32:10: sich so intensiv mit dem Thema Frauen in Notfällen zu beschäftigen?

00:32:15: Gab es einen persönlichen Anlass, Auslöser?

00:32:17: Naja, ich hab viele Frauen erlebt, Patientinnen,

00:32:22: die später als notwendig diagnostiziert wurden,

00:32:25: die verspätet auch zur Operation gekommen sind.

00:32:29: Ich hab, kann mich sehr gut erinnern an den Fall einer jungen Frau,

00:32:35: die fehlbehandelt wurde.

00:32:39: Sie hatte Rückenschmerzen angegeben.

00:32:41: Und ist letztendlich beim Orthopäden gelandet,

00:32:44: der sie eine Woche lang auf Rückenschmerzen therapiert hat.

00:32:48: Und das war fatal, weil das Ganze war eine Ordnendysektion,

00:32:51: also eine Aufspaltung der Aorta.

00:32:55: Dort aufzupassen, mal zu hinterfragen,

00:32:59: kann da vielleicht noch was anderes dahinter sein?

00:33:01: Das kann natürlich auch beim Mann passieren,

00:33:04: aber noch mal anders fragen und noch mal hinterfragen.

00:33:07: Weil Frauen, häufig die Beschwerden, dann auch anders erklären.

00:33:10: Beispielsweise kann sich das auch so vorstellen,

00:33:14: ist ein Arzt, das Wartezimmer voll, es kommt eine Patientin,

00:33:19: nein, machen wir es erst mit einem Patienten.

00:33:22: Ein Patient sagt, ich hab hier so Brustschmerzen

00:33:24: und der geht da rein und sagt, nur welche Symptome er hat.

00:33:29: Quasi wie in einer Werkstatt.

00:33:31: So, Herr Doktor, das sind meine Symptome, nun mach mal.

00:33:35: Und dann, doch, Herr Doktor, das könnte ja mal was mit Märzens zu tun haben

00:33:39: und dann wird dieser Mann in die richtige Schiene gleich gebahnt.

00:33:43: Und die Frau kommt an, gleich die Beschwerden hat.

00:33:46: Ich hab ja so Brustschmerzen, aber Herr Doktor,

00:33:48: Frauen reden ja auch viel und erklären dann auch gleich viel.

00:33:52: Herr Doktor, ich hab aber auch gestern da die Kiste,

00:33:54: vielleicht war das zu viel und so,

00:33:56: freut sich natürlich der Arzt oder der Ärztin,

00:33:59: der Wartezimmer voll, das wird wohl das Richtige sein

00:34:01: und frag nicht noch mal dreimal nach.

00:34:03: Sollte was passiert durchaus.

00:34:06: Und was haben wir gemacht hier im Universitären Herzzentrum in Lübeck?

00:34:11: Wir haben gesagt, damit das nicht mehr der Fall ist,

00:34:15: stellen wir unsere Ambulanz um.

00:34:16: Und wir machen eine Frauenherzsprechstunde.

00:34:19: Das kann man relativ einfach machen

00:34:21: und das empfehle ich auch allen Kliniken, dies zu tun.

00:34:24: Denn die Ärztinnen und Ärzte wissen einfach,

00:34:28: wenn dieser Nachmittag oder der Tag ist, an dem die Frau da ist,

00:34:32: dann muss ich noch mal anders denken.

00:34:34: Dann weiß ich, die Beschwerden sind anders oder können anders sein.

00:34:38: Muss noch mal vielleicht auch drei andere Fragen stellen.

00:34:41: Auch bei der Medikation.

00:34:44: Also die meisten Empfehlungen sind für einen 80 Kiloman.

00:34:48: So, da kommt jetzt eine zarte Frau von mit 50 Kilo an.

00:34:52: Da müssen wir auch sensibel sein und sagen,

00:34:55: okay, da ist es jetzt vielleicht nicht die ganze Tablette,

00:34:58: da reicht vielleicht auch eine halbe Tablette.

00:35:00: So, einfach diese Sensibilität zu wecken,

00:35:03: dafür ist so eine Frauenherzsprechstunde einfach großartig.

00:35:06: Das ist super wichtig, weil im Zuge der zunehmenden Angleichung

00:35:11: von Lebensverhältnissen, Ausbildungsmöglichkeiten

00:35:16: auch geschlechter spezifischen Rollen,

00:35:19: in dem was alles möglich ist,

00:35:22: kann es natürlich sein, dass diese Unterschiede

00:35:24: auch völlig wegdiskutiert werden.

00:35:27: Weil man sagt, das ist ja schon eine Benachteiligung,

00:35:31: wenn man Frauen als Frauen organisch oder vielleicht auch darüber hinaus,

00:35:36: sie haben die Frageform erwähnt, die sein kann,

00:35:40: eben behandelt und darstellt und qualifiziert.

00:35:43: Nur ist es natürlich wichtig zu sagen,

00:35:46: auch das sollte diskriminierungsfrei sein

00:35:48: und in Realitäten entsprechen.

00:35:50: Exakt. Also Gleichbehandlung kann in diesem Fall auch gefährlich sein.

00:35:54: Ja.

00:35:55: Und auch, um noch mal zurückzukommen auf die Medikamente,

00:35:59: Frauen verstoffwechseln, Medikamente anders.

00:36:03: Das heißt, es mag die Wirkung länger sein, die mag kürzer sein.

00:36:08: Die Dosis kann einfach auch mal zu viel sein.

00:36:11: Und was passiert, wenn die Dosis zu viel ist?

00:36:13: Die Nebenwirkungen sind dann entsprechend auch zu viel.

00:36:16: Und was macht Frau dann?

00:36:18: Sie setzt dann das Präparat auch mal ab,

00:36:20: obwohl bei einer kleineren Dosis der gleiche Effekt da wäre

00:36:24: und die Nebenwirkungen geringer.

00:36:26: Also auch da brauchen wir Sensibilität.

00:36:28: Letzte Punkt.

00:36:30: Was möchten Sie unseren Hörerinnen und Hörern mitgeben?

00:36:34: Vielleicht sogar als Appell für mit Zivilcourage im Notfall.

00:36:38: Ganz klar, trauen Sie sich.

00:36:42: Sie können nichts falsch machen, außer nichts zu tun.

00:36:46: Ein Herz ist ein Herz und das ist völlig egal,

00:36:48: ob unter einem Anzug mit Schlips oder unter einer Bluse.

00:36:53: Und es ist völlig okay, bei der Reanimation auf die Brust zu drücken.

00:36:57: Es geht hier um Leben retten und es geht überhaupt nicht um Etikette.

00:37:01: Also wenn Sie es nächstes Mal zeugen oder Zeugen eines Notfalls werden,

00:37:04: hoffen Sie 112, drücken Sie kräftig

00:37:07: und verlieren Sie auf keinen Fall nur eine Minute Zeit.

00:37:11: Man braucht auch kein Medizinstudium.

00:37:14: Man braucht einfach nur Mut, dann auch den ersten Schritt zu tun.

00:37:18: Und der Unterschied zwischen Leben und Tod

00:37:20: sind manchmal eben nur zwei drückende Hände.

00:37:22: Professorin Dr. Schmetke,

00:37:24: bedankt Ihnen sehr für dieses wunderbare Gespräch.

00:37:27: Vielen Dank, Herr Neu.

00:37:28: (Dynamische Musik)

00:37:30: Die Björn Steigerstiftung, der Podcast.

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