Mein Schiff - Mein Herz - Mein Leben

Shownotes

Wie wandelt man sich vom hochspezialisierten Herzchirurgen zum vielseitigen Schiffsarzt auf den Weltmeeren? In dieser Folge spricht Béla Anda mit Dr. Reinhard Friedl, der nach Tausenden Operationen seinem Herzenswunsch gefolgt ist – im wahrsten Sinne des Wortes.

Heute betreut er als Schiffsarzt die Gäste und Crew auf der Mein Schiff-Flotte – zwischen Atlantiküberquerung, OP-Besteck und Notfallversorgung auf hoher See. Im Gespräch teilt er medizinische Einblicke, philosophische Überzeugungen und berührende Erlebnisse vom Leben an Bord.

💡 Themen dieser Folge: Warum ein Herzchirurg das Krankenhaus gegen das Kreuzfahrtschiff eintauscht

Welche medizinischen Herausforderungen Schiffsärzt:innen täglich meistern

Warum das Herz für Dr. Friedl mehr ist als nur eine Pumpe

Warum Bauchschmerzen manchmal Heimweh bedeuten – und Herzschmerz nicht immer im EKG sichtbar ist

Wie man auf See operiert, beatmet, stabilisiert – oder improvisiert

Und was ein kleines schlagendes Herz in der Ultraschallaufnahme auslösen kann

Infos zu Dr. Reinhard Friedl: http://www.herzzeit.de/ https://www.linkedin.com/in/priv-doz-dr-med-reinhard-friedl-39ab39328/

Transkript anzeigen

00:00:00: Die Björn-Steiger-Stiftung.

00:00:02: Der Podcast.

00:00:04: Mai 1969.

00:00:06: Auf dem Rückweg vom Schwimmbad wird der 8-jährige Björn-Steiger

00:00:09: von einem Auto erfasst und dabei schwer verletzt.

00:00:12: Es dauert fast eine Stunde, bis endlich ein Rettungswagen eintrifft.

00:00:16: Björn-Steiger stirbt.

00:00:18: Nicht an seinen Verletzungen, sondern an den Folgen eines Schocks.

00:00:22: Die Eltern Ute und Siegfried Steiger gründen erst einen gemeinnützigen Verein.

00:00:26: Später entsteht daraus die Björn-Steiger-Stiftung.

00:00:29: Durch ihr unerlässliches Engagement wurden bis heute

00:00:32: Millionen Menschenleben gerettet und vergleichbare Schicksalsschläge vermieden.

00:00:36: In diesem Podcast geht es um die Arbeit der Björn-Steiger-Stiftung

00:00:40: und die Bedeutung einer funktionierenden Notfallhilfe.

00:00:43: Wir sprechen mit Experten, Betroffenen und den Machern hinter den Kulissen.

00:00:47: Folge 43. Mein Schiff, mein Herz, mein Leben.

00:00:51: Warum Kardiologe Dr. Reinhard Friedl zum Kreuzfahrtarzt wurde?

00:00:56: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge des Podcasts "Herzsicher der Björn-Steiger-Stiftung".

00:01:03: Ich freue mich ganz besonders, heute einen wirklich spannenden Gast zu haben.

00:01:08: Dr. Reinhard Friedl war viele Jahre lang Herzchirurg, bevor er sich entschieden hat,

00:01:14: etwas Neues zu machen.

00:01:16: Als Schiffarzt an Bord ging ein Schiffarzt eines Schiffes, das können wir ruhig nennen,

00:01:22: das jeder kennt, nämlich mein Schiff 1, 2 und möglicherweise auch andere.

00:01:28: Auf jeden Fall die mein Schiffreihe betreut er mit seiner großen ärztlichen Kompetenz.

00:01:33: In diesem Podcast folgen sprechen wir mit ihm über den Alltag vor See,

00:01:38: medizinische Extremsituation, den Unterschied zwischen Fiktion und Realität

00:01:42: und darüber, was es bedeutet, sein Leben beruflich so neu zu justieren.

00:01:48: Herr Dr. Friedl, wie sind Sie zur Schiffsmedizin gekommen und was hat Sie daran gereizt?

00:01:55: Ja, während vielen Tausend Herzoperationen habe ich mich parallel auch mit Meditation und Bewusstsein beschäftigt,

00:02:05: auch um diese anstrengende Arbeit zu kompensieren.

00:02:10: Und empfehlen Meditationstradditionen wird man ja auch aufgefordert,

00:02:19: mit dem Herzen zu füllen und aus dem Herzen heraus zu handeln.

00:02:24: Und so ist in mir eines Tages die brennende Frage entstand, oder vielleicht auch in meinem Herzen.

00:02:30: Ist es wahr, dass man mit dem Herzen füllen kann?

00:02:33: Ist es wahr, dass man aus dem Herzen heraus handeln kann?

00:02:36: Stimmt es, dass man mit dem Herzen besser sieht?

00:02:39: Oder ist das nur eine altergebrachte Metapher in den Zeiten der Neurowissenschaften?

00:02:47: Und ich habe dann viel geforscht und gelesen und was ich gefunden habe, war ganz erstaunlich.

00:02:56: Und das hat es sehr wohl ein sinnes Organ, das hat es ein sehr wohl ein Organ von Bewusstsein.

00:03:02: Dafür gibt es eine große Neurowissenschaftliche Evidenz.

00:03:06: Und darüber habe ich dann mein erstes Buch geschrieben, "Der Tag des Lebens",

00:03:10: weshalb das Herz unser wichtigstes Sinnesorger an ist.

00:03:14: Auch mein zweites Buch "Blut der Fluss des Lebens" beschäftigt sich mit Blut und Bewusstsein.

00:03:20: Und man kann das halt eben nicht ohne Blut betrachten, wie man eine Quelle nicht ohne Wasser betrachten kann.

00:03:28: Und als ich das dann alles zusammen hatte und mir die Tragweite dieser Erkenntnis bewusst wurde,

00:03:38: habe ich mich gefragt, Reinhard, also wenn du jetzt mal ganz ehrlich bist, zur Hand aufs Herz,

00:03:46: was möchtest du noch machen in deinem Leben?

00:03:48: Da war ich Mitte 50, also so fünf, sechs Jahre her.

00:03:52: Und Sie waren, das muss man sagen, erfolgreicher Herzchirurg.

00:03:56: Sie haben sogar künstliche Herzen veranst.

00:03:59: Und für alle, die so wie ich ja groß geworden sind, den 70er, 80er Jahren,

00:04:05: Herzchirurgie ist im Grunde für mich, für viele andere auch ja die Kernwissenschaft,

00:04:12: die der Medizin, das Hochseil der Medizin, da waren Sie.

00:04:17: Und dann kamen Sie aber über diese Beschäftigung mit Geist dazu diese Erkenntnisse zu haben.

00:04:26: Okay, vielleicht mache ich noch mal was anderes.

00:04:28: Ja, ich hatte die Frage, was würde ich tun, wenn ich meinem Herzen folgen würde?

00:04:35: Ja, nachdem ich viele Tausend Herzen operiert habe, kleine Babys,

00:04:38: Hochbetagte, Kunstharzen, Klappen, Beipässe.

00:04:42: Und die Antwort war, ich würde gerne es jemanden warten.

00:04:46: Lass mich da einmal einhalten.

00:04:48: Ist das der Herzchirurg, den wir normalerweise kennen?

00:04:53: Das ist ein hoch ausgebildeter Mediziner, der Hochspezialist ist,

00:05:00: der auf diese Art und Weise vielen, vielen Menschen hilft.

00:05:03: Das haben Sie alles, diese Eigenschaften.

00:05:06: Aber er ist natürlich auch in der allgemeinen Wahrnehmung mehr jemand,

00:05:12: der am Fließband arbeitet, aber der zack, zack, zack, zack.

00:05:17: Natürlich die Fälle, die Ihnen da in größter Not und das Messer kommen,

00:05:23: das war das dann behandelt.

00:05:25: Selten hört man, dass jemand das Herz auch noch anders wahrnimmt,

00:05:31: einordnet und vom Herzen denkend im Grunde dann auch diese Schlossfolgerung zieht.

00:05:38: Haben wir den Beruf des Herzchirurgs immer falsch gesehen?

00:05:42: Oder ist das etwas eine Besonderheit, die Sie sich da geleistet haben?

00:05:46: Es ist eine Weiterentwicklung.

00:05:48: Natürlich muss ein Geigenbauer, der sich mit der hohen Kunst des Klanges beschäftigt,

00:05:57: meinetwegen dem Bewusstsein von Musik,

00:05:59: der muss sich natürlich auch exkrisit mit Holz auskennen

00:06:03: und der muss ein exkrisiter Handwerker sein.

00:06:05: Und so würde ich das auch sehen.

00:06:07: Also ich kenne das Herz aus erster Hand, wenn man so sagen möchte.

00:06:12: Und dann bin ich eben drauf gekommen,

00:06:15: und ich habe erforscht, dass das Herz nicht nur eine Pumpe ist.

00:06:19: Im Prinzip ist es gar keine Pumpe,

00:06:21: aber es ist nicht nur ein Hohlorgan, was Pulswellen erzeugt,

00:06:26: sondern es ist ein Organ von Bewusstsein.

00:06:30: Und was mich jetzt aufs Schiff gebracht hat, war meine Frage an mein Herz.

00:06:36: Was würdest du noch gern tun in deinem Leben?

00:06:39: Was ist dein Herzenswunsch?

00:06:41: Und ja, das war ein Wunsch aus meiner Kindheit.

00:06:45: Ein uralter Wunsch, Seemannsein.

00:06:48: Wo kam der her?

00:06:50: Ich habe, denke ich, ein erotisches Verhältnis zu Wasser.

00:06:54: Ich liebe Wasser.

00:06:55: Und das war schon, ich wuchs ja auf in Schwaben.

00:06:58: Da gab es nicht besonders viel Wasser, aber das war immer vorhanden.

00:07:02: Ich hatte es an jeden See, an jeden Bach, an jeden Weier gezogen.

00:07:06: An mich auch, das kenne ich gut.

00:07:08: Das kennen Sie.

00:07:09: Ja, und dann bin ich vor 20 Jahren, habe ich dann mit dem Segeln angefangen,

00:07:13: bin über den Atlantik gesegelt, in einer 15-Meter-Jacht,

00:07:17: dass jetzt für den Atlantik nicht so groß ist.

00:07:21: Ja, und da irgendwann ist dieser Wunsch sehr stark geworden.

00:07:27: Und irgendwann habe ich ihn umgesetzt.

00:07:30: Aber Sie geben damit ja auch was auf.

00:07:33: Also der Herzchirurg, der ist besonders gefeiert.

00:07:37: Der wird, denke ich mal, besonders gut bezahlt.

00:07:40: Der hat seine Stellung innerhalb der Ärzteschaft.

00:07:44: Natürlich ist er ein Schiffsarzt.

00:07:46: Wir kennen das aus Verfilmungen, auch jemand, der eine besondere Stellung hat.

00:07:51: Auf einem Schiff, dazu kommen wir sicherlich noch.

00:07:54: Aber natürlich überhaupt nicht vergleichbar.

00:07:58: Ohne eine Wertung vorzunehmen mit der hierarchischen Einordnung eines Herzchirurgs.

00:08:03: War Ihnen das egal?

00:08:06: Es war mir nicht egal.

00:08:08: Aber ich war überzeugt davon, dass man seinem Herzen folgen sollte.

00:08:12: Und ich bin sozusagen mein eigenes Experiment geworden.

00:08:16: Und Herzchirurgen sind natürlich schon auch Macher.

00:08:20: Und Menschen, die etwas wagen.

00:08:22: Ja.

00:08:24: Also wenn jede Herzoperation, wenn man hineingeht, wagt man etwas.

00:08:28: Und dann legt man ein Leben auf die Goldwaage.

00:08:31: Ja, also das ging ein Herr sicher mit Ängsten.

00:08:34: Es ging ein Herr mit Zweifeln.

00:08:37: Viele Leute haben gesagt, du bist ja total bescheuert.

00:08:40: So wissen wie Sie, haben Sie geredet.

00:08:44: Aber am Ende war es mir egal.

00:08:46: Ich wollte das machen.

00:08:48: Ich weiß nicht, ob Sie Peter Pan kennen.

00:08:50: Aber das sagt ja, Ruhm ist ein Diamant aus Glas.

00:08:54: Und am Ende weiß ich nicht, ob das dann zählt im Leben.

00:08:59: Ja, ich hatte, ich hatte die Genugtuung.

00:09:02: Ich hatte die Herzchirurgie.

00:09:04: Ich hatte die Königsdisziplin in Anführungszeichen.

00:09:08: Aber die Diamantdisziplin ist seinem Herzen zu folgen.

00:09:14: Nachdem ich das seit acht Jahren mache,

00:09:16: hat sich so bestätigt für mich, ich liebe, was ich tue.

00:09:19: Wie war dann der Tag,

00:09:21: als Sie die endgültige Entscheidung getroffen haben?

00:09:24: Wen haben Sie denn informiert? Wie lief das vonstatten?

00:09:27: Ich habe gekündigt.

00:09:29: Ich war der Herzchirurg und Autor.

00:09:31: Also ich wusste auch schon, dass ich Bücher schreiben wollte.

00:09:34: Also es hat mir niemand Fieber gemessen.

00:09:36: Aber so ein bisschen mitleidig angeschaut wurde ich schon.

00:09:40: Ja, aber ich bin ja auch da meine gestandene Persönlichkeit.

00:09:45: Die meisten haben mich dann schon unterstützt.

00:09:48: Ich habe gesagt, ja, ich wünschte viel Glück.

00:09:50: Oder ja, immer eine Hand breit Wasser und ein Kiel.

00:09:54: Was man dann so sagt.

00:09:56: Ja, genau.

00:09:57: Wie ging es dann weiter?

00:09:59: Wie haben Sie den Weg aufs Schiff gefunden?

00:10:02: Informiert hatte ich mal vorher schon.

00:10:04: Es ist ideal, wenn man Notarzt ist.

00:10:07: Und dann bin ich,

00:10:08: erst mal habe ich ein paar Monate Pause gemacht.

00:10:10: Dann bin ich Notarzt geworden.

00:10:12: Das hat dann nochmal drei Monate gedauert.

00:10:14: Also haben wir Ausbildungen gemacht?

00:10:16: Oder richtig immer?

00:10:17: Eine richtige Notarztausbildung.

00:10:19: Ja, das ist zwar nicht zwingend vorgeschrieben,

00:10:21: aber ich dachte, das wäre das sicher noch gut.

00:10:23: Ich bin Intensivmediziner.

00:10:25: Von daher war das jetzt auch nicht so schwierig.

00:10:27: Und man braucht auch so diverse Kurse,

00:10:30: wie ordengeschrittene Herznotfälle,

00:10:33: Kindernotfälle und Verletzungsnotfälle.

00:10:36: Und das habe ich alles gemacht.

00:10:38: Und am 31.12. habe ich meine Bewerbung

00:10:42: an eine große deutsche Redarlei geschickt.

00:10:45: Anfang Mai hatte ich dann, glaube ich,

00:10:48: meinen ersten Einsatz, meinen ersten Vertrag.

00:10:51: Was unterscheidet ein Schiffsarzt eigentlich

00:10:54: von einem Arzt an Land?

00:10:56: Also er muss immer eine Lösung finden.

00:10:58: Ja, weil ein Schiff sind besondere Bedingungen.

00:11:02: Da kann man jemanden nicht mal zu einem Facharzt

00:11:06: weiter überweisen oder einen CT schicken.

00:11:09: Weil ein CT gibt es nicht auf dem Schiff

00:11:12: und man gibt auch keine weiteren Fachärzte,

00:11:15: außer vielleicht der Kollege.

00:11:17: In der Stelle muss man dazu sagen,

00:11:19: dass wir meistens zu zweit sind,

00:11:21: außer also der Kollege hat eine andere Fachrichtung.

00:11:24: Aber also man muss immer eine Lösung finden

00:11:27: und man muss bereit sein, sehr viel zu lernen,

00:11:31: weil im Grunde kann jede Krankheit,

00:11:34: die es gibt auf der Welt, einmal durch die Tür kommen.

00:11:37: Und wir haben eine große Apotheke.

00:11:40: Wir haben ein OP, wir haben eine Intensivstation.

00:11:42: Wir haben ein Röntgen, wir haben ein Ultraschall.

00:11:45: Wir haben eine Apotheke.

00:11:47: Das heißt, dass eine sehr große Klaviatur der Medizin

00:11:51: und auf dieser Klaviatur muss man auch spielen können.

00:11:55: Und üben kann man sein ganzes Leben.

00:11:58: Das tut auch jeder Pianist.

00:12:00: Aber das ist schon ein großer Anspruch,

00:12:04: dass man dieses Spektrum beherrscht, sozusagen.

00:12:08: Und das ist, denke ich,

00:12:11: sehr viel mehr Krankheiten und Fälle und Patienten,

00:12:14: als man üblicherweise an Land so hat.

00:12:17: Weil dort kommen ja nur Patienten einer bestimmten Fachrichtung.

00:12:20: Ja, das kann ich mir vorstellen,

00:12:22: weil auf einem solchen Schiff sind bis zu wie viele Passagiere?

00:12:27: 3.000 Passagiere.

00:12:29: 3.000 Passagiere aus unterschiedlichsten Ländern.

00:12:33: Auch die Besatzung ist natürlich auch mal krank.

00:12:37: Und auch die müssen sich erkummern, denke ich.

00:12:40: Und es sind ja ganz besondere Umstände dann auf einem solchen Schiff.

00:12:44: Dann auch Menschen kommen aus ganz unterschiedlichen Lebensrichtungen zusammen.

00:12:48: Die Crew besteht wahrscheinlich aus ganz vielen Nationen noch dazu.

00:12:53: Vielleicht nehmen Sie uns mal mit,

00:12:55: über einen, wenn sowas gibt, klassischen Arbeitstag.

00:12:59: Wie sieht der bei Ihnen aus, wenn Sie auf meinem Schiff unterwegs sind?

00:13:03: Ich habe Sprechstunde von 8 Uhr bis 11 Uhr.

00:13:07: Man stehen Sie auf, was machen Sie dann?

00:13:09: Frühstückens in der Kabine, gehen Sie irgendwie zu den Leuten?

00:13:12: Sagen Sie, heute ist die Sonne, da setze ich mich auf die Veranda.

00:13:15: Ich frischstücke nicht.

00:13:17: Das ist eine Marotte aus meiner Zeit als Halskirurg.

00:13:21: Da habe ich immer erst nach der ersten OP gegessen.

00:13:23: Das war vielleicht dann 13 oder 14 Uhr.

00:13:25: Und das habe ich so beibehalten.

00:13:27: Und 16, 8 Uhr.

00:13:29: Also die lange Fastenzeit, das ist ja auch durchaus gesund.

00:13:32: Also ich stehe morgens auf.

00:13:34: Ich schaue aus dem Fenster.

00:13:36: Ich freue mich, dass ich auf dem Meer bin.

00:13:38: Ich fühle mich zu Hause.

00:13:40: Wenn es nicht gerade ganz fürchterlich stürmt,

00:13:44: gehe ich an Deck.

00:13:46: Eigentlich gehe ich fast immer an Deck.

00:13:48: Und ich mache da eine kleine Runde.

00:13:50: Haben Sie dann schon Ihre Uniform an?

00:13:53: Ja, genau.

00:13:55: Als ich trage, man ist als Schiffsarzt ein hoher Offizier an Bord.

00:13:59: Und man hat 3,5 Streifen.

00:14:04: Der Kapitän hat 4,5, sozusagen.

00:14:08: Aber das ist schon ziemlich weit oben für die Hierarchie des Schiffes.

00:14:13: Also wenn ich im öffentlichen Bereich bin.

00:14:16: Da kommen schon mal Leute sagen, guten Tag Herr Kapitän.

00:14:19: Genau.

00:14:21: Und das sehe ich dann auch schon, wie Sie auf mich zukommen.

00:14:23: Und dann sage ich immer, nein, ich bin es nicht.

00:14:25: Ich sehe nur so aus.

00:14:27: Also ich trage die Uniform und dann gehe ich ins Hospital.

00:14:32: Und da habe ich Sprechstunde zwischen 8 und 11 Uhr und zwischen 5 und 8 Uhr.

00:14:37: Also 17 und 20 Uhr.

00:14:39: Und die erste Stunde ist jeweils für die Crew.

00:14:42: Und wie Sie es schon gesagt haben, die kommt aus über 40 Nationen.

00:14:46: Die Sprache an Bord ist Englisch.

00:14:49: Die alle unterschiedlich gut beherrschen.

00:14:52: Als Schiffsarzt sollte man schon einigermaßen flüssig sprechen können.

00:14:58: Es muss nicht wildefrei sein, aber man sollte sich schon ausdrücken können.

00:15:02: Ja, und dann ist eben die Crew dran und danach kommen dann die Gäste.

00:15:06: Und dazwischen habe ich ein Pieper oder ein Telefon

00:15:11: und bin eben verfügbar für Notfälle.

00:15:14: Was für Notfälle gibt es da auf dem Schiff?

00:15:17: Alle Arten von Notfällen.

00:15:19: Arztinfarktes, Schlaganfälle, Lungenembolien,

00:15:23: Blutvergiftung, also Sepsis, Lungenentzündungen,

00:15:27: Bandscheibenvorfälle, Verletzungen, Knochenbrüche,

00:15:32: Blinddarmentzündungen, der andere Magendarmentzündungen.

00:15:37: Und so eine alle Art von Notfällen, die man an Land auch hat, würde ich sagen.

00:15:42: Und wie funktioniert dann auf See diese medizinische Notfallkette,

00:15:47: wenn jemand dann möglicherweise wirklich auch ausgeflogen werden muss

00:15:52: oder stabilisiert werden muss, wenn sie gut auf hoher See.

00:15:58: Doch auch das gibt es.

00:16:00: Sie sind in unserem Vorgespräch erwähnt.

00:16:02: Sie überqueren bald in Atlantik, auch mit meinem Schiff.

00:16:05: Da kann es sein, dass man da irgendwo zwischen Potsmouth

00:16:10: und New York ist auf hoher See, auf dem Atlantik,

00:16:13: und es erregt sich, was passiert dann.

00:16:16: Man macht das genauso wie an Land.

00:16:19: Wir haben also ein Rettungssystem an Bord, das vergleichbar ist,

00:16:23: der Ausstattung eines Notarztwagens in jeder Stadt hier in Deutschland.

00:16:28: Wir haben eine Gruppe von Lionhelfern

00:16:31: und die Dingen dieses Notfall-Equipment,

00:16:33: was man auch in einem Notarztwagen hat, an den Ort des Geschehens.

00:16:38: Und dann arbeiten wir diesen Notfall ab, wie man so sagt,

00:16:42: wie auch an Land, das folgt bestimmten Algorithmen.

00:16:45: Also man sichert die Atemwege, man guckt, ob die Atmung stimmt,

00:16:48: man stoppt die Blutung, all diese Dinge.

00:16:51: Sie haben es schon gesagt, man stabilisiert den Patienten,

00:16:55: dann denkt man ihn auf unsere Intensivstation,

00:16:58: und wenn er dann stabil ist,

00:17:01: dann kommt es ja erst mal dazu zu schauen, was die Diagnose ist.

00:17:06: Weil eine Patientensamma stabilisieren heißt noch nicht immer,

00:17:09: als Notarzt, dass man eine Diagnose stellen muss.

00:17:12: Das muss man verstehen, das ist nicht identisch.

00:17:16: Aber idealerweise kommt man dann schon zu einer Diagnose im EKG

00:17:20: oder auch aufgrund des Krankheitsbildes,

00:17:23: und dann muss eine Entscheidung getroffen werden,

00:17:27: was passiert jetzt mit diesem Patientin.

00:17:29: Muss man ihn ausfliegen, können wir ihn an Bord behandeln und so weiter.

00:17:34: Also üblicherweise, wenn das ein gravierendes Geschehen ist,

00:17:38: ist natürlich das Bordhospital oder auch unsere Intensivstation

00:17:42: nicht der geeignete Ort.

00:17:44: um dort länger behandelt zu warten - z.B. wenn jemand einen Herzkatheter braucht oder

00:17:48: eine Operation oder einen Schlaganfall hat, dann braucht er eben eine Klinik mit entsprechenden

00:17:56: Möglichkeiten, z.B. in der Stroke Unit. Also dann kommt der Augenblick, wo ich den Kapitän

00:18:02: anrufe und ihm sage, okay, wir haben hier einen kritisch kranken und der muss idealerweise

00:18:09: in einer Klinik an Land versorgt werden. Und zwar sage ich dann idealerweise auch, welche

00:18:14: Klinik und was die können muss und was der Patient braucht und wie schnell das gehen muss. Das sage

00:18:20: ich dem Kapitän. Und dann sagt er, ja okay, ich kümmere mich drum, als erst sozusagen vergleichbar

00:18:26: an Land mit der Rettungsleitstellung. So und der nimmt dann mit den Küstenzustellen an Land

00:18:31: Kontakt auf. Da gibt es in Deutschland Bremen Rescue und in anderen Ländern und in Norwegen gibt es

00:18:38: ja andere Stellen. So mal die Thieme Rettungskoordinationszentren und die machen dann einen

00:18:45: Vorschlag. Und das ist nicht immer der Hubschrauber. Ja manchmal wird man, wenn die Wetterverhältnisse

00:18:52: schlecht sind, kann vielleicht ein Hubschrauber nicht starten oder man ist vielleicht außerhalb

00:18:55: der Reichweite. Also kann sein man wird umgeroutet. Das Schiff muss seine Route ändern. Es kann

00:19:02: irgendwo anders hinfahren. Oder es kommt ein Boot, was längst geht. Oder eben auch der Hubschrauber.

00:19:11: Das weiß man dann vorher nicht. Und dann, wenn der Kapitän das eben rausgefunden hat,

00:19:16: meldet er sich zurück und sagt ja, also Hubschrauber kommt in einer Stunde, bereitet man alles

00:19:22: vor so weit. Welches Equipment, welche Ausstattung haben Sie an Bord zu verfügen? Gut, wir haben

00:19:28: eine Intensivstation mit zwei Beatmungsplätzen. Sie haben vorher Transatlantik erwähnt, also

00:19:34: ist durchaus keine Seltenheit, dass wir Patientinnen auch dann tagelang intensiv medizinisch behandeln

00:19:41: und beatmen. Ich habe das ja auch in meinem neuen Buch, was jetzt dann demnächst erscheint.

00:19:46: Ja, dann machen wir doch mal Werbung, wer ist das? Ja, hier kommt der Wahlbeblog, ein Arzt für jede

00:19:50: Welle. Ein Arzt für jede Welle. Ein Kreuzfahrt zwischen Nordcup und New York. Irgendwas, da habe

00:19:56: ich das auch bestiegen. Solche Patienten werden dann tatsächlich mit intravenüsen, zentralvenüsen

00:20:03: Katheten und Atelier in Katheten und Beatmung und Urdinkatheten und eben allen, was man auf

00:20:11: einer Intensivstation an Land hat, behandelt und solange es eben notwendig ist. Und dann haben

00:20:20: wir, das habe ich auch schon erwähnt, einen Röntgen, ja, also wenn wir jetzt einen schweren Notfall

00:20:25: haben, wegen einer Verletzung des Brustkorps, dann können wir auch Toraxdenaschen legen. Das

00:20:31: kommt gar nicht so selten vor. Wir haben einen Bauchsieb, also wir können auch den berühmten

00:20:37: Blinddarm operieren. Also das würde dann in unserem OP passieren. Wir haben Ultraschall für Gefäße

00:20:47: und für das Herz und für den Bauch natürlich. Und wir haben eine große Apotheke mit allem

00:20:55: Notfallmedikamenten, die man sich mal vorstellen kann, aber auch sehr viel gegen Husten, Schnopfen

00:21:00: und Heißerkeit natürlich. Wir haben Sprechzimmer. Das ist jetzt nicht so, dass wir den ganzen

00:21:06: Tag Notfälle haben, sondern wir haben natürlich auch einfach sehr viel Alltägliches.

00:21:12: Aber ich habe es hier richtig verstanden, Sie können auch operieren an Bord, haben

00:21:17: OP's dort. Nun stellt man sich ja eine schöne Kreuzfahrt so vor, dass alles glatt ist und

00:21:22: das Meer ruhig und die Sonne scheint und man genießt das alles. So ist es ja nicht immer,

00:21:28: sondern es gibt Wellenbewegungen, rohe See oder mittelrohe See. Welche Auswirkungen hat

00:21:34: das auf Ihre auch mögliche OP's? Sagt man, wir müssen mal warten, gibt es Stabilisatoren,

00:21:39: die das Boot dann relativ ruhig halten oder wie wirkt sich das aus?

00:21:44: Also, das ist keine Herzchirurgie. Ja, also das ist keine Herzchirurgie, wo man zwei

00:21:50: Blutgefäße, die jeweils einen Innendurchmesser von zwei Millimeter haben, aneinander nicht,

00:21:56: sondern wie gesagt, das sind Torachs, Renaschen oder wenn man mal einen Bauch aufmachen wüsste,

00:22:04: Blinddarm oder etwas anderes zu operieren, das ist, das ist nicht im Mikrometerbereich,

00:22:10: das kann man auch bei Seegang machen. Aber das muss man sich natürlich sehr, sehr gut

00:22:16: überlegen, ob man, das sind schon sehr extreme Situationen vorbehalten, ob man also so etwas

00:22:22: auf einem Schiff anfängt. Weil, das geht nicht nur darum, ob man jetzt selber ein guter

00:22:28: Chirurg ist, sondern es geht darum, dass dort ein Team ist, das nicht notwendigerweise identisch

00:22:34: ist, mit dem in einem Operationshaus, heißt es nicht unbedingt ein Markoseärztwort oder

00:22:39: eine operationstechnische Assistent, sondern ein Team mit sehr unterschiedlichen Kompetenzen

00:22:46: und von daher ist dieses OP üblicherweise der kleineren Chirurgie vorbehalten, wie Wunden,

00:22:54: wie Quetschungen, wie Verbrennungen, wie Knochenbrüche und so weiter. Welche medizinischen Fälle

00:23:00: begegnen Ihnen am häufigsten auf hohe See? Also das sind tatsächlich Infekte der oberen Atemwege,

00:23:06: ich habe es gerade schon gesagt, Husten, Schnupfen, Heißerkeit, dann die Lasher Disease, das ist,

00:23:13: also das kannte ich auch noch nicht, bevor ich auf dem Schiff war. Wie heißt das? Lasher Disease,

00:23:17: also Lasher heißt Freizeit, die Freizeiterkrankung. Und die tritt dann ein, wenn jemand bis zum

00:23:25: letzten Arbeitstag voll Stress hat oder richtig viel leistet. Dann ist er also voll mit Cortisol,

00:23:34: mit dem Stresshormon und das Immunsystem arbeitet auch Fuchtworn und dann kommt der Liegestuhl auf

00:23:42: dem Kreuzfahrtschiff und alles wird runter geregelt. Und wahrscheinlich auf so einem Kreuzfahrtschiff,

00:23:47: ja eures schnell, weil man ist da und dann ist man ja auch im Grunde ... Man ist da und man ist

00:23:54: eigentlich auch weg, weg von allem. Man ist da und dann ist man weg und nicht seitens, dass dann

00:24:01: das Immunsystem auch Urlaub macht, so die ganzen Systeme runterfahren und dann ist man extrem anfällig

00:24:08: für wir zum Beispiel oder Rückenleiden und alle möglichen Dinge und dann bekommt man das,

00:24:16: also es gibt Rücken auch, das sind dann schon nach, ja, das ist, ja das ist, das hat natürlich alles,

00:24:22: also die Psyche und der Körper sind nicht zu trennen. Jedenfalls diese Lasher, die sie ist,

00:24:27: das sind die, die im Urlaub krank werden und die beste Methode das zu bekommen ist wirklich bis zum

00:24:33: letzten Augenblick voll rein zu hauen. Dann kann es sein, dass man im Urlaub eben krank wird und

00:24:40: weil man ist das ja immer so. Das ist nicht selten, wo es eine Stopfenhalsigkeit habe ich schon erwähnt,

00:24:46: Rückenleiden, Verbeinnungen, Sonnenbrannt, Schnittwunden, so Handgelenkfraktoren, Knöchelfraktoren,

00:24:54: also das sind Brüchefraktoren, solche Dinge sind häufig. Gibt es auch mal Geburten,

00:25:01: haben Sie sowas schon mal erlebt? Nein, nur bis zum sechsten Monat glaube ich darf man auf

00:25:07: ein Schiff aufsteigen. Allerdings wir hatten einmal ein sehr, sehr, sehr schönes Ereignis, das war ein

00:25:15: Paar, dem gesagt wurde, dass sie keine Kinder bekommen könnten und sie haben sich damit abgefunden

00:25:22: und haben dann eine Kreuzfahrt gemacht und eines Tages kam die Frau mit irgendwie Völlegefühl,

00:25:30: irgendwie hat irgendwas in ihrem Bauch gemacht und wir haben ein Ultraschall gemacht und dann

00:25:37: habe ich ein ganz kleines Herz gesehen und dann habe ich gesagt, ja da schlägt ein Herz, das sagt

00:25:42: sie, es kann nicht sein, mein Herz ist doch viel weiter oben und da habe ich gesagt, der ist ja auch

00:25:47: nicht ihr, das. Und dann hat sie mich so angeguckt und ich habe sie auch so angeguckt und dann

00:25:53: sagt sie, nein, sag ich doch, sie sagt nein, sag ich doch und dann hat sie also geweint und das war

00:25:59: sehr bewegend und dann ihren Mann dazu geholt und ja, das war ein wunderschönes, eines bein der

00:26:06: schönsten Erlebnisse auf sie. Wir kommen, wir drehen, das ist wirklich schön. Also die Entspannung ist

00:26:12: auch, wie soll ich sagen, kann auch ihre guten Seiten haben. Jetzt stelle ich mir das aber vor bei

00:26:17: 2000 Passagieren und dann auch eine entsprechend großen Crew, das ist für sie auch, trotz aller

00:26:23: Schönheit, die sie genießen, jeden Tag einen gewissen Druck beinhaltet, diese Aufgabe. Wie haben

00:26:31: sie gelernt, damit umzugehen? Wir sehen am Tag 30 bis 50 Patienten in diesen sechs Stunden. Das ist

00:26:39: schon viel und da muss man schon laufen und das ist zwar überwiegend diese leichteren Sachen,

00:26:46: die ich jetzt beschrieben habe, aber notfalls sind natürlich auch noch dazwischen. Also man muss

00:26:50: ein gut organisiertes und strukturiertes Team haben. Dann würde ich sagen, dann ist das machbar.

00:26:57: Aber man muss die Patienten verteilen und gucken, was wichtig, was nicht so wichtig, was kann ein

00:27:05: bisschen warten? Man kann es auf die Räume verteilen, die Patienten und dann geht das schon. Aber das

00:27:14: dauert eine Weile, bis man das drauf hat. Also am Anfang habe ich schon auch einige Sprechen und

00:27:19: nur ich zeitmäßig echt aus der Kurve geflogen bin. Dann ist es aber so, dass man auf dem Schiff

00:27:27: sitzen alle in einem Boot und dann kam eben auch mein Kollege, der Seniordoktor. Es gibt auf dem

00:27:35: Schiff immer einen Doktor und einen Seniordoktor und dann war ich Doktor und der kam dann und

00:27:40: hat mich dann auch unterstützt und das mache ich heute natürlich auch. Jetzt haben Sie uns beschrieben,

00:27:46: was passiert, wenn der Tag beginnt und wie er weitergeht, wie endet hier Tag auf See? Er endet dann,

00:27:54: wenn alle Patienten versorgt sind und im Idealfall ist das um 20 Uhr und dann ist es meistens so,

00:28:02: dass das Team, das meistens aus zwei Ärzten und drei Pflegefachkräften besteht, zusammenessen geht.

00:28:11: Ja, wo die Passagiere essen. Ja, auch die Pflegekräfte haben zweieinhalb Streifen. Also die sind

00:28:17: schon angesinnene Offiziere an Bord und wir dürfen überall essen gehen, wo auch die Gäste sind.

00:28:23: Das ist ein Privileg, was wir sehr wenige Crewmitglieder haben. Und ich gehe dann meistens in meine

00:28:30: Kurje oder in meine Kabine, wie man eigentlich sagt, aber es steht mir natürlich auch das gesamte

00:28:35: gesellschaftliche Leben offen, also von Theater oder Konzerten oder Lesungen oder Partys auf

00:28:43: den Decks, was auch immer. Gibt es medizinische Innovationen oder Improvisationen, die Sie auf

00:28:50: See angewendet haben, die Ihnen geholfen haben? Also ich versuche möglichst nicht zu improvisieren.

00:28:55: Ja, also wir versuchen natürlich ein Algorithmen zu halten und strukturiert zu arbeiten. Wenn Sie sagen

00:29:01: Algorithmen, das erwähnen Sie zum Glück zu weit. Ja, also es gibt in der Notfall Medizinalgorithmen

00:29:05: oder auch bei unklaren Bauchbeschwerden oder bei Kreislaufbeschwerden oder da gibt es festgelegte

00:29:14: Prozeduren und die sind dazu da, damit man eine Struktur hat, an der man sich halten kann. Und

00:29:22: deshalb improvisieren, würde ich sagen, ist nicht das Vorhörschende. Ja, wir spielen lieber nach

00:29:31: Notin. Aber es gibt natürlich Fälle, die man so noch nie gesehen hat und wo man auf Anhieb auch

00:29:38: nicht weiß, was das ist. Der letzte Universalgelehrte der Medizin ist auch schon lange ausgestorben.

00:29:43: Ja, da muss man dann tatsächlich auch manchmal unkonventionelle Lösungen finden. Was haben

00:29:53: Sie als Arzt auf dem Schiff, auf meinem Schiff gelernt, was in keiner Klinik gelernt hätten? Also ich

00:29:59: bin ein guter Allgemeinarzt geworden, weil als Arztgehördruck ist man extrem spezialisiert. Ich

00:30:06: bin ein guter Allgemeinarzt geworden, ein ganz passabler Gynäkologe und auch mit, sagen wir,

00:30:13: Urologien heißen aus den Ohren. Von all diesen Dingen habe ich jetzt wesentlich mehr Ahnung, als ich

00:30:19: das als Arztgehördruck hatte, wenngleich mir diese Ausbildung sehr zugute kommt, weil man gewohnt ist

00:30:25: und das sehr viel Druck zu arbeiten. Ich habe auch gelernt, dass diese 40 Nationen, von denen die Crew

00:30:34: kommt, sehr unterschiedliche Ausdrucksweisen haben, wie Sie Ihre Symptome beschreiben. Also ich habe

00:30:42: gelernt, dass, schreibe ich auch in meinem Buch, dass Herzschmerzen auch oft heimweh ist, dass Bauchschmerzen

00:30:51: auch manchmal Probleme mit dem Vorgesetzten sein können, dass so ein allgemeiner Körperschmerz

00:31:01: sehr häufig auch Stress ist. Also solche Dinge, da musste ich mich ein bisschen einfühlen. Das musste

00:31:10: ich mir derzeit lernen, dass ein Tai oder jemand von den Philippinen oder Südamerika, das die gewohnt

00:31:18: sind, ihre Symptome sehr blumig zu beschreiben und dass bei Heimweh, also dem Herzweh dann nicht

00:31:27: immer das EKG die Diagnose bringt. Und nicht jede Pill dieses Problem dann auch lösen kann. Absolut, ja.

00:31:34: Jetzt haben Kreuzfahrten ja einen unglaublichen Boom erlebt innerhalb der letzten 20 Jahre. Die

00:31:41: Menschen sind fasziniert davon, auf See zu fahren. Wir haben Serien im Fernsehen, die uns diese Welt

00:31:48: nahe bringen oder näher bringen und der Trend scheint weiterhin ungebrochen und zwar weltweit

00:31:55: untergebrochen. Aber auch Deutsche lieben diese Kreuzfahrten. Jetzt sind sie am Mediziner und

00:32:01: jemand mit einer großen Feindfühligkeit, wie auch klar geworden ist. Was meinen Sie? Was sind

00:32:08: die Gründe dafür, dass Kreuzfahrten weiterhin bei der Bevölkerung so beliebt sind? Es ist ein

00:32:13: rundum Sorglos-Paket. Ja, es ist so ein Sanctusie, ein Schiff ohne Sorgen. Das Sanctusie war ja das

00:32:21: Stoss in Potsdam, das auch so hieß ohne Sorgen. Und es ist tatsächlich so, also ich war bevor ich

00:32:30: mich bei einer Rederei beworben hatte, noch nie selbst auf einem Kreuzfahrtschiff und hätte mir

00:32:36: vielleicht auch nicht unbedingt vorstellen können eine Kreuzfahrt zu machen. Und ich habe einen

00:32:41: Säkelfreund, der hat Kreuzfahrtschiffe eigentlich verachtet, weil so als Säkler, da ist man viel

00:32:49: näher am Element sozusagen. Aber er war dann eines Tages bei mir auf dem Schiff und es hat ihm sehr,

00:32:54: sehr gut gefallen. Ich werde ihn heute Abend auch noch besuchen. Und der Grund ist, dass man

00:33:00: wirklich nichts zu tun hat. Ja, man hat eine schöne Kabine, man hat sehr viele Möglichkeiten an Essen,

00:33:09: sehr viele Möglichkeiten an Unterheiten. Und jeden Tag ist man in einer anderen Stadt oder fast

00:33:16: jeden Tag oder in einem anderen Hafen oder an einer anderen Insel vielleicht auch vor Anker. Das

00:33:22: heißt, man muss nicht wie ein Land, wenn man wirklicherweise in einem Hotel in Neapel ist,

00:33:28: muss man nicht 100 Kilometer bis nach Amalfi fahren oder so, sondern das Schiff fährt dort hin.

00:33:37: Es ist so eine Arche im Grunde. Es ist von jeder Art von Menschen, also mindestens ein Exemplar

00:33:43: vertreten und diese Arche steuert einfach die schönsten Urlaubsziele an, ohne dass man sich

00:33:49: um irgendetwas kümmern muss. Und das ist schon nicht schlecht. Inzwischen würde ich das auch mal

00:33:54: machen. Natürlich lernt man diese Länder nicht so kennen, wie wenn man sie mit dem Rucksack

00:34:01: doch wandert. Das ist schon klar. Aber man kann wirklich eine gute und eine sorglose Zeit haben

00:34:08: und sich hervorragend erholen. Und ich glaube, dass das der Grund ist, weshalb diese Arche so

00:34:17: beliebt ist. Wie viel Zeit ist ja auch, sind Sie auf dem Schiff und wie viel Zeit sind Sie anderswo?

00:34:23: Also ich bin 183 Tage im Jahr auf See, das ist ein halbes Jahr. Und dann habe ich eine Privatarztpraxis

00:34:31: an der Ostsee. Einen Tag mehr als die steuerliche Grund, irgendwo sesshaft zu sein. Also das hat

00:34:37: keine steuerlichen Vorteile. Das ist einfach, also ich bin in Deutschland steuervpflichtig. Es gibt

00:34:44: viele Leute, die wandern nach Maltau oder nach Zypern aus. Das ist ein bisschen anders. Aber ich

00:34:49: bin ganz normal hier steuervpflichtig. Und das ist einfach so ein Arbeitsvertragsmodell, was auch

00:34:57: Kapitäninnen und Leitende offizierte bei dieser Rederei haben, dass man ungefähr drei und drei

00:35:03: Offsagen, die also drei Monate auf See, drei Monate zu Hause. Sehr, sehr spannend. Vielen herzlichen Dank

00:35:08: für diesen großartigen Einblick. In der ersten Folge, in der zweiten Folge sprechen wir über Extremsituation,

00:35:14: über Ethik und Verantwortung auf dem Ozean. Ja, vielen Dank. Die Björn Steigerstiftung, der Podcast.

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