KI, Kardiologie und Kultur - Alltag und Vision der Notfallmedizin
Shownotes
Diese Folge wurde aufgenommen an einem Ort, der wie kaum ein anderer für medizinische Exzellenz und Geschichte steht – der Berliner Charité. Béla Andas Gast ist Professor Dr. Martin Möckel – Kardiologe, Notfallmediziner und seit Dezember Professor für Notfallmedizin an der Charité Universitätsmedizin Berlin. Er spricht über die Herausforderungen der modernen Notfallversorgung, über Forschung an der Schnittstelle von Technik und Medizin, über KI in der Klinik, aber auch über Menschlichkeit in hektischen Situationen. Was treibt ihn an? Welche Reformen braucht unser System? Und warum ist die Notaufnahme nicht nur Ort der Akutmedizin, sondern auch ein Fenster für Chancen?
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00:00:00: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Podcast der Björn Steiger Stiftung.
00:00:04: Ich freue mich ganz besonders hier heute in Berlin zu sein, in der Sagenumwoben und
00:00:09: historisch bekannten Charité.
00:00:12: Und ich freue mich, einen ganz besonderen Gast zu haben, der für ganz besondere Fähigkeiten
00:00:20: in der Notfallmedizin steht.
00:00:22: Und am 1. Dezember des letzten Jahres, die Professor für Notfallmedizin der
00:00:28: Charité Universitätsmedizin Berlin übernommen hat, neben seinen vielen anderen Aufgaben
00:00:34: auch in Berlin hier begrüße ich ganz herzlich Professor Dr. Martin Möckel.
00:00:40: Vielleicht tatsächlich beginnen wir direkt, ohne zu indiskret zu sein.
00:00:45: Aber wenn man hier reingeht, bei ihnen kommt man natürlich auch durch die Notfallaufnahme und
00:00:48: was mir direkt aufgefallen ist.
00:00:50: Da sprach jemand französisch, da sprach jemand anderes Sprach auch.
00:00:54: Also wir sind hier mitten in Berlin in einem sehr, sehr großen Klinikgelände und die
00:01:00: Notfallmedizin ist ein zentraler Aspekt.
00:01:02: Aber sie haben hier wahrscheinlich auch mit Menschen aus aller im wahrsten Sinne
00:01:06: Herrenländer zu tun.
00:01:08: Wie stellen Sie sich darauf ein?
00:01:10: Erst mal vielen Dank für die Einladung zu diesem Gespräch.
00:01:13: Das ist tatsächlich so, dass der Campus Mitte eben wirklich in der Mitte von Berlin auch im Bezirk
00:01:19: Mitte liegt und natürlich hier um uns herum auch viele Touristen sind, aber auch viele
00:01:24: Botschaften natürlich in Sichtweite der Bundestag.
00:01:27: Wir haben viele internationale Gäste, die wir auch mitbetreuen, also wenn zum Beispiel
00:01:32: Staatsbesuche kommen und deswegen ist bei uns eigentlich internationales Geschäft normal.
00:01:38: Das führt natürlich auch dazu, dass wir eine ganze Reihe von Patientinnen haben, die wenn
00:01:43: sie hier zu Besuch sind, natürlich ihren Hausarzt nicht dabei haben.
00:01:46: Das heißt, wir machen dann auch manchmal recht einfache Versorgung.
00:01:50: Aber es geht schon über das ganze Spektrum und es kommen auch viele Patientinnen mit
00:01:56: Migrationshintergrund, die lange in Berlin sind und dennoch die von ihnen beobachteten
00:02:00: Sprachen sprechen.
00:02:02: Ja, wir sind darauf eingestellt, wir haben selber ein internationales Team.
00:02:06: Also das heißt, wir haben sehr viele Sprachen schon bei uns im Team vertreten, sowohl in der
00:02:10: Pflege als auch im ärztlichen Team, wovon wir mal sehr profitieren.
00:02:13: Es ist oft so, wenn ein Patient mit einem sprachender Sprachbarriere kommt, dass wir erst
00:02:18: mal kurz gucken, wer es eigentlich heute bei uns da und gibt es nicht jemanden, der mit dem
00:02:22: tatsächlich in der Muttersprache sprechen kann.
00:02:24: Und ansonsten sind wir natürlich einerseits sensibilisiert für unterschiedliche Kulturen,
00:02:30: die da wichtig sind.
00:02:31: Also es geht ja nicht um die Sprache, also vielleicht um die Sprachbarriere, sondern auch
00:02:35: um die Kultur, die vielleicht Krankheit und Symptome anders wahrnimmt, anders schildert,
00:02:40: so dass wir uns darauf einstellen müssen.
00:02:41: Und auf der anderen Seite haben wir natürlich auch den digitalen Übersetzungsmöglichkeiten,
00:02:45: um da weiterzukommen.
00:02:48: Sie sind ja seit jetzt im Dezember in dieser neuen Funktion, aber sie sind schon seit vielen
00:02:54: Jahren an der Charité, auch seit vielen Jahren in der Notfallmedizin aktiv.
00:02:59: Was hat sich in den letzten Jahren, letzten Jahrzehnten vielleicht sogar verändert?
00:03:03: Die Professur für Notfallmedizin ist keine neue Funktion, sondern eine neue akademische
00:03:09: Aufgabe. Also an meiner klinischen Funktion hat sich dadurch erst mal noch nichts geändert.
00:03:13: Aber es ist eben ein klarer Auftrag, die Notfallmedizin in Forschung und Lehre zu
00:03:19: vertreten und auch weiter zu entwickeln.
00:03:21: Und wenn ich jetzt so zurückblicke, sozusagen wie es überhaupt zu einer Berufung kommen
00:03:25: konnte, denn die wäre vor zehn Jahren ja noch gar nicht denkbar gewesen, weil das Fach
00:03:30: Notfallmedizin auch akademisch in Deutschland noch gar nicht definiert war, dann ist es
00:03:34: schon so, dass wir in der Medizin eine extreme Subspezialisierung erleben.
00:03:39: Das heißt also, die Fächer, ich bin selber ja von Hause aus Kardiologe, die konzentrieren
00:03:45: sich zunehmend auf hochspezialisierte, auf personalisierte Interventionen, während die
00:03:51: globale, die generelle Versorgung des Patienten sozusagen vom Symptom zur Verdachtsdiagnose
00:03:57: eigentlich gar nicht mehr in die primäre Kompetenz der Fächer passt, weil die sozusagen auf
00:04:03: die Intervention, auf die Operation, auf den Eingriff fokussiert sind und da entsteht
00:04:09: sozusagen ein großes Feld für die Notfallmedizin, die sich eben generalistisch um alle Symptome,
00:04:15: die akut aufgetreten sind, einschließlich der klassischen Notfelde wie Blutung, Schlaganfall,
00:04:22: Herzinfarkt kümmern und dann an der Schnittstelle entweder den Patienten der Fachdisziplin
00:04:28: übergeben und sagen wir haben jetzt die Diagnose X gestellt, jetzt bist du dran oder aber eben
00:04:33: auch ein begrenztes Problem schon gelöst haben und den Patienten dann wieder in die
00:04:37: ambulante Versorgung zurück übergeben. Sie sind ja quasi in der Diagnostik zu Haus, Sie haben
00:04:45: ja beispielsweise lange zu Biomarkern geforscht. Was hat sie zur Notfallmedizin gebracht? Ich
00:04:51: komme von der Geschichte her aus einer Kardiologie, die sich eben noch internistisch verstanden hat,
00:04:55: also schon ein bisschen breiter über die spezialisierte Kardiologie hinaus und ich war immer
00:05:00: interessiert an akuten Erkrankungen, auch an, sagen wir mal, dem gewissen Rätselhaften,
00:05:06: die das haben kann, an der Herausforderung, dass man die Diagnose vielleicht am Anfang
00:05:10: noch nicht genau kennt, sondern erst herausfinden muss. Also das ist eine Sache,
00:05:14: die mich beruflich sehr begeistert und dazu kommt auch, dass die Notfallmedizin und ich glaube,
00:05:19: das macht auch den Reiz für meine jüngeren Kollegen aus unmittelbares, ärztliches Handeln,
00:05:25: erforderlich macht und auch erlaubt. Also das heißt, wir werden hier vor Ort sozusagen klassischer
00:05:31: Weise ärztlich tätig und sind jetzt nicht auf der Station nur für Routineaufgaben oder für
00:05:37: sehr repetitive Dinge zuständig, sondern es ist sehr abwechslungsreich und man hat natürlich
00:05:42: auch die Chance, dass man sehr viel, sehr direkt für die Patienten tun kann. Das heißt also,
00:05:47: man hat unmittelbares Feedbacks sozusagen, ob die Handlung, die man getan hat, der Eingriff,
00:05:52: die Notfallmedizinische Leistung, ob die erfolgreich war und das macht das ganze natürlich
00:05:57: einerseits belastend, weil man auch sehr, also schwerstfallärzte Patienten versorgt oder
00:06:02: schwerkranke, aber andererseits eben auch sehr zufrieden stellen, weil man auch sehr viel tun
00:06:06: kann für die Menschen. Und das hat mich immer begeistert und so hat sich das dann über die
00:06:10: Zeit entwickelt. Sie haben es schon erwähnt, also ich komme so ein bisschen aus der Biomarkerforschung,
00:06:16: das mache ich auch weiter und das passt natürlich sehr gut in das Feld der Notfallmedizin,
00:06:20: weil wir hier eben sehr viel Diagnostik machen und auch die diagnostische Forschung auch zum
00:06:25: Beispiel am Point of Care, also Geräte, die sozusagen vor Ort direkt Laborergebnisse zum
00:06:31: Beispiel liefern, sehr großen Einfluss haben können, sehr großen Benefit bringen für die
00:06:36: Patientinnen und so haben wir zum Beispiel in der Corona-Zeit eben hier einer Charité unter
00:06:41: meiner Leitung in mehreren Studien eine Point of Care PCR etabliert, die jetzt Charité-weit
00:06:48: zur Verfügung steht und die in 20 Minuten ein definitives Ergebnis für Influencer AB
00:06:53: und SARS-CoV-2 liefert. Und das war so mal sehr innovativer, bis sehr früh hatten und hat uns
00:07:00: sehr geholfen in der Steuerung auch der Patientinnen. Jetzt ist ihr Ziel ja auch mit ihrer Professur,
00:07:06: die Notfallmedizin auch institutionell weiter zu entwickeln. Was genau haben Sie davor und
00:07:12: warum ist das wichtig? Naja, also die Notfallmedizin ist ja jetzt bereits ein faktisches Fach. Nur ist
00:07:19: sie bisher noch nicht in allen Universitäten akademisch abgebildet und sie ist eben auch
00:07:26: noch nicht als fachärztliche Entität definiert in Deutschland allerdings überall sonst. Also wenn
00:07:32: man sich die Landkarte anguckt von Europa, dann ist sozusagen Deutschland so ein kleines Loch in
00:07:38: der Mitte sozusagen das einzige Land eigentlich neben Österreich und ja ich weiß ich glaube im
00:07:44: Wesentlichen Österreich, wo die Fachärztigkeit noch fehlt. Aber die Fachärztigkeit spielt für
00:07:48: mich jetzt nicht so die dominierende Rolle, weil ich ja sozusagen hier aus der akademischen Perspektive
00:07:53: komme und mir geht es darum auch in der Lehre, aber auch in der Forschung, Felder zu definieren,
00:07:59: wo die Notfallmedizin eben besonders klinische Fragestellungen, aber auch Versorgungsforschungs
00:08:04: Fragestellungen hat, die eben ganz besonders und nur in der Notfallmedizin, also sprich in
00:08:09: dem Primärkontakt mit diesen Patientinnen beantwortet werden können. Und ich versuche immer
00:08:15: zu sagen, dass die Notaufnahme für viele Krankheitsbilder auch ein Window of Opportunity ist,
00:08:20: zum Beispiel der ältere Patientin das erste Mal gestürzt ist und wo damit in der Krankheitsgeschichte
00:08:27: eine, wie wir wissen, auf fatale Weichenstellung da ist, diese Patienten kommen in die Notaufnahme,
00:08:34: werden vielleicht versorgt mit einer kleinen Platzwunde oder mit einer Fraktur sogar und gehen
00:08:39: dann wieder zurück und das was fehlt ist eigentlich die Intervention an dieser Stelle um zukünftige
00:08:45: Stürze zum Beispiel zu verhindern, weil das eigentlich vorgesehen ist, dass es im Bereich
00:08:50: der Niedergelassenen Ärzte und der ambulanten Versorgung stattfinden muss. Und hier versuchen
00:08:54: wir zum Beispiel mit Forschungsprojekten zum älteren Notfallpatienten Interventionen zu testen,
00:08:59: wo wir dann zeigen können, dass eben wenn der erste Sturz in der Notaufnahme schon adäquat
00:09:04: adressiert worden ist, dass man dann für die Patienten pro, also prospjektiv sehr viel tun
00:09:09: kann und vielleicht vermeiden kann, dass sie schnell muribund werden und dann möglicherweise
00:09:13: ja einen fatalen Krankheitsverlauf nehmen. Weil auf den ersten Sturz der nächste folgt und was
00:09:20: kann man tun dann in einer Notaufnahme, die sich darauf tatsächlich auch einlässt und sagt bei
00:09:26: aller Hektik und bei all dem was sie ja hier wahrscheinlich täglich zu tun haben, dass man
00:09:31: einen solchen Patienten dann auch adäquat dann auch behandelt oder bereitet. Ja, Sie müssen sich
00:09:35: vorstellen, dass die Notaufnahmen so ein bisschen traditionell ja verstanden wird als der Bereich,
00:09:40: wo die schwerst verletzten, die schwerst kranken Patienten kommen, die dort sozusagen so die
00:09:45: erste Stabilisierung erfahren und dann letztlich in einen Krankenhausbetrieb gehen, wo sie
00:09:50: geheilt werden. Und das ist längst nicht mehr der Fall, also nur ungefähr 10 bis 15 Prozent unserer
00:09:55: Fälle sind diese ganz schwer kranken, schwer verletzten Patient*innen. Weitere 15 Prozent sind
00:10:00: vielleicht die, die Krankenhausbehandlungen bedürfen, aber mehr akut als ein, sagen wir mal,
00:10:05: lebensbedrohlicher akutter Notfall sind. Und viele andere Fälle haben ein akutes Ereignis,
00:10:09: brauchen eine gute Versorgung, aber man weiß schon, dass diese Patienten natürlich im
00:10:14: weiteren Verlauch auch im Land weiter versorgt werden. Und hier gibt es jetzt sozusagen so eine
00:10:19: Lücke zwischen dieser Primärversorgung und dann dem nächsten Kontakt im ambulanten System. Und das,
00:10:26: was wir besser machen können perspektivisch und wo wir eben auch dran forschen, ist, dass wir
00:10:30: diesen, diesen Pfad sozusagen der weiteren Versorgung schon in der Notaufnahme triggern. Das
00:10:35: zu gehört eine Analyse sozusagen der Polypharmazie. Viele ambulante Patienten haben, wenn sie älter
00:10:41: sind, haben sehr, sehr viele Medikamente, die vielleicht auch ungünstig Sturzereignisse
00:10:45: begünstigen können. Es geht um Ernährungsberatung. Viele älteren Menschen sind fehl- oder unterernähert.
00:10:50: Oder auch um das Triggern von Physiotherapie, also dass man gleich sagt, also da sind, es sind
00:10:57: physiotherapeutische Maßnahmen erforderlich. Welche könnten das sein? Und dass man dann
00:11:01: vielleicht schon aus der Notaufnahme heraus eine Konferenz mit den weiterbehandelten Ärzten
00:11:06: am nächsten Werktag macht. Zum Beispiel sagt, wir hatten hier die Frau Meier, oder den Herrn Müller,
00:11:10: und er ist das erste Mal gestürzt und da haben wir jetzt schon check, check, check diese Sachen
00:11:14: gemacht und da könnt ihr in diesen Punkten ansetzen, sodass der Hausarzt dann sozusagen diese
00:11:19: Impulse alle aufnehmen kann und der nicht erst noch mal mühsam erfragen muss. Wo warst du eigentlich
00:11:24: den Brief lesen muss? Und das ist ja auch in der, in der Enge der Taktung in den Praxen kaum möglich.
00:11:31: Also ein quasi rundum Analyse desjenigen, der zu ihnen kommt als Patient, um schnell festzustellen,
00:11:38: welche Defizite haben dazu beigetragen, dass er oder sie diesen Sturz oder was auch immer dann hatte,
00:11:44: um dann eben in der weitem Ahndung genau dann dort ansetzen zu können, wo sie schon die Analyse
00:11:49: erstellt haben und nicht nur sagen, ihr ist gestürzt, wundeverbunden und geht schon wieder.
00:11:54: Ja, das war jetzt so ein Beispiel, weil wir auch gerade daran arbeiten, weil der geriatrische,
00:11:59: der ältere Notfallpatient eben bisher in diesem System ganz schlecht abgebildet ist, aber es gibt
00:12:04: viele weitere Aspekte, die man erwähnen kann. Wir hatten auch während der Pandemie Ansätze dazu,
00:12:10: weil wir waren ja diejenigen, die die meisten Corona-Patienten gesehen haben, sowohl sozusagen
00:12:16: diagnostisch, viele von denen, die bei uns eine Diagnose bekommen haben, dann ambulant versorgt
00:12:20: worden sind, haben dann in der Akutphase ja nie den Hausarzt gesehen. Viele andere sozusagen sind
00:12:25: auf verschiedene Krankenhäuser verteilt worden und aus der Perspektive der Spezialeinheit zum
00:12:29: Beispiel Intensivstation war ja Corona was ganz anderes als für uns, wo wir das ganze Spektrum
00:12:34: gesehen haben und wo wir zum Beispiel in der Lage waren, sehr früh auch zum Beispiel Blutproben
00:12:40: zu gewinnen in allen verschiedenen Krankheitsstadien und das auch sozusagen einfließen lassen konnten
00:12:45: in die biochemische Forschung, also in die biomedizinische Forschung. Anderer Aspekt ist zum
00:12:50: Beispiel die sehr häufige Herzschwäche, ist ja eine Volkskrankheit, also ist in Deutschland eines
00:12:56: der Hauptgründe für Krankenhausbehandlungen, gehört auch zu den ambulansensitiven Krankheiten,
00:13:01: also es sind Krankheiten, wo man glaubt, dass Krankenhausaufnahmen durch sehr gute ambulante
00:13:05: Therapie vermieden werden können. Diese Patienten sind sehr häufig in der Notaufnahme und werden
00:13:10: aber in Studien bisher häufig erst an Tag 2, 3 charakterisiert, wenn sie quasi auf der
00:13:15: Herzstation angekommen sind und wir sehen die Patienten an der Tür und können sozusagen eine
00:13:21: frühe phenotypisierung, nennen wir das, vornehmen in den ersten 24 Stunden, die eben nur in dieser
00:13:27: guten Phase möglich ist und wo wir eben sehen, dass sich die Patienten dramatisch unterscheiden
00:13:32: in den ersten oft auch 6 bis 8 Stunden von dem Patienten, der dann auf der Normalstation zum
00:13:37: Beispiel ankommt, so dass sie zum Beispiel anekdotisch gesprochen sehen können, wenn sie jetzt einen
00:13:42: Patienten selber morgens in der Notaufnahme gesehen haben, den auf die Station legen,
00:13:47: am nächsten Tag berichtet, ein Assistent von der Station, diesen Patienten, dann haben sie
00:13:51: häufig 2 vollkommen verschiedene Berichte und das zeigt eben, dass diese akute Notfallmedizin
00:13:56: in einem Bereich ist, der auch so ein bisschen unterrepräsentiert ist in der Forschung und genau
00:14:00: da will ich hin und daran arbeiten wir. Wie wollen Sie das den institutionell verankern? Ich mein,
00:14:07: brauchen Sie dafür mehr Ärzte, als Sie in der Vergangenheit hatten, brauchen Sie andere Ärzte,
00:14:13: Arztinnen und Ärzte in der Notfallmedizin, wie muss ich die Notfallmedizin in Deutschland
00:14:19: verändern? Sie haben darauf hingewiesen, da sind wir in Europa noch nicht so weit wie andere,
00:14:24: um uns herum oder zumindest nicht flächendeckend, damit der Anspruch, den Sie haben, eben der Zeit
00:14:31: entspricht und umgesetzt werden kann. Ja, da möchte ich nochmal zwei Aspekte aufgreifen. Der eine
00:14:36: Aspekt ist, dass ich ja für akademische Notfallmedizin stehe. Das heißt also, wir haben natürlich an
00:14:42: der Universitätsmedizin einen etwas anderen Ansatz als vielleicht ein, sagen wir mal, Regelversorger
00:14:48: auf dem Land, auch andere Möglichkeiten, aber auch andere Herausforderungen, weil wir wollen
00:14:53: natürlich auch ausbilden, wir wollen qualifizieren und wir wollen auch in unserer Arbeit eben
00:15:00: Fragestellungen, also wissenschaftliche Fragestellungen aufgreifen, wie eben am Beispiel
00:15:04: schon erwähnt und weiterverfolgen. Verstanden, aber das muss ja auch in der Praxis dann zusammenwerden.
00:15:09: Genau, genau. Und jetzt mit meiner Berufung ist es ja so, dass an der Charité gibt es jetzt eben
00:15:15: eben einen Lehrstuhl, sag ich mal, für Notfallmedizin, der natürlich eine gewisse Ausstattung mitbringt.
00:15:20: Also ich habe natürlich sowohl im Bereich der Lehre als auch Grundausstattung, aber natürlich auch
00:15:25: durch Drittmittel jetzt einen akademischen Bereich, der dazu in der Lage ist. Und das, wenn Sie jemanden
00:15:31: fragen, der Ortebeding macht oder der Kaliologie macht, wird immer jeder sagen, er braucht mehr Geld,
00:15:35: mehr Drittmittel und mehr Personal, das sage ich natürlich auch, aber erstmal ist das schon da.
00:15:39: Die zweite Sache ist der Versorgungsaspekt. Natürlich sind wir auch Teil der Versorgung und da ist es
00:15:45: bisher so, dass wir eben keine, sagen wir mal, sehr gute Subspezialisierung in der Notfallmedizin
00:15:51: haben. Wir haben eine Zusatzweiterbildung, die wird erworben in einer zweijährigen Weiterbildung
00:15:56: nach einem klinischen Facharzt. Dann kann man rechnen, also wenn sie ganz schnell sind und machen
00:16:00: den kürzesten Facharzt, sagen wir mal, fünf Jahre innere Medizin ohne Schwerpunkt plus zwei Jahre
00:16:06: klinische Notfall- und Akutmedizin, dann haben sie eine siebenjährige Qualifikationsphase, um dann
00:16:11: eigentlich der Spezialist zu sein, der im Schichtdienst 24/7 in der Notaufnahme arbeiten soll. Und da merkt man
00:16:17: natürlich schon, dass es dann eine gewisse, gewisse Verriss gibt, wenn Sie überlegen, dass Sie nach
00:16:22: sechs Jahren Studium, sieben Jahre Fachartsausbildung, vielleicht eigentlich eher schon das Gehören, also in
00:16:26: einem Mental-State sind, sozusagen, dass sie Oberarzt sein möchten oder eine Leitungsfunktion haben,
00:16:33: aber eigentlich nicht der sein wollen, der ist 24/7 sozusagen vor Ort arbeitet. Und das ist die
00:16:39: Herausforderung, die sich zukünftig stellt, weil natürlich ein Schichtdienstbereich, der
00:16:44: ärztlich besetzt werden soll, der muss attraktiv sein und da muss man reinwachsen, der muss natürlich
00:16:50: Aufgaben und Verantwortung bekommen und sie brauchen auch Assistentinnen über eine längere Zeit, also
00:16:56: auch in ihrer Facharztqualifikation, damit die schon einiges können, aber noch, sagen wir mal,
00:17:01: frischen Unverbraucht sind und mit da ein bisschen Begeisterung eben auch diese 24/7 Challenge
00:17:07: aufnehmen können. Und an der Stelle, also da stehen wir in Deutschland im Moment in der Diskussion,
00:17:12: dass die einen sagen, wir brauchen jetzt unbedingt ein Facharzt für Notfallmedizin und die anderen
00:17:18: sagen, das wollen wir auf keinen Fall haben. Ich selber sozusagen bin eigentlich eher so
00:17:23: viel Modell, was vielleicht auch ein bisschen geteilt ist. Also jetzt an der Universitätsmedizin
00:17:27: habe ich kein Problem damit, ja, mit dem aktuellen System, weil wir eben durch Forschung und Lehre
00:17:35: und auch durch unsere hohen, durch unsere hohe Verfügbarkeit von Spezialistinnen ganz gut damit
00:17:41: klarkommen. Also aktuelles System heißt, dass man sich die verschiedenen Spezialisten...
00:17:44: Aktuelles System heißt, dass der Spezialist eben ein Facharzt ist, der eine Zusatzweiterbildung hat
00:17:50: und zusätzlich aber auch für die speziellen Herausforderungen auch auf Ressourcen im Haus
00:17:57: zurückgreifen kann auf ein Facharzt für Kaliologie, auf ein Facharzt für Anästhesiologie, die natürlich,
00:18:02: sagen wir mal, in dem Kontext mit dem Notaufnahmearzt handeln, aber ich sage mal in einem allgemeinen
00:18:08: Regelversorger, ich sage mal in 300 Bettenhaus auf dem Land, da hat man ja diese ganzen Subdisziplinen
00:18:15: gar nicht, sondern dort ist, sagen wir mal, der Notfamilienzchen oder möglicherweise der,
00:18:20: der es alleine machen muss. Und da ist eben die Frage, ob es möglich ist, auch wenn man sich die
00:18:25: Zeitlinie anguckt, tatsächlich es genügend Ärzte zu qualifizieren, wenn die alle sieben Jahre
00:18:31: Minimum Weiterbildungszeit haben und ja, ich sage mal, gerade die Frauen durch vielleicht Schwangerschaft
00:18:36: und Kind, möglicherweise dann auch Unterbrechungen haben, sodass es gar nicht in sieben Jahren geht,
00:18:40: sondern eher acht bis zehn Jahre sind. Und da sehe ich eine gewisse Versorgungslücke auf
00:18:45: und zu kommen und von daher denke ich, dass da schon also auch so eine eigene Departmentstruktur
00:18:51: mit dem eigenen Facharzt also für die Versorgung sehr wichtig werden könnte. Also zusammengefasst
00:18:57: stelle ich mir vor, dass wir sozusagen an den großen Zentren wahrscheinlich ganz gut auskommen
00:19:01: mit Subspezialisierungen, weil wir einfach durch die akademische Umgebung Leute haben,
00:19:07: die aus anderen Gründen länger bleiben und dann auch die Subspezialisierung machen können,
00:19:11: dass wir aber in dem Bereich ländlicher Versorgung, also Regelversorgung wahrscheinlich nicht umhinkommen,
00:19:18: hier auch in Deutschland irgendeinen Modell der primären Fachärztlichkeit zu entwickeln.
00:19:23: Und ich bin sehr optimistisch, dass auch unter dem ökonomischen Druck, den wir haben,
00:19:27: das Gesundheitssystem ist ja so ein bisschen am Rande der Krise. Ich habe gestern einen Vortrag
00:19:32: gehört von Herrn Wies von der AUK Nordost, der noch mal gezeigt hat, dass die Prognose für 2025
00:19:40: ist, dass 340 Milliarden Euro für Gesundheit in Deutschland ausgegeben werden im Bereich
00:19:45: der gesetzlichen Krankenversicherung. Und wir wissen, dass das nicht so weitergeht, dass diese
00:19:50: Kostensteigerung einfach mit unserem wirtschaftlichen System nicht weiter gedeckt werden können,
00:19:55: sodass wir irgendwie eine Reform brauchen und zu der Reform gehört auch eine Reorganisation
00:20:00: der Notversorgung. Sie haben es erwähnt, um mal wieder in den praktischen Teil zu kommen,
00:20:06: dass wieder die sich dann auch kommen Herzschwächen haben und dass man das häufiger
00:20:14: sieht und häufiger als in der Vergangenheit. Woran liegt das? Ja, also die Herzschwäche ist ja eine
00:20:22: Krankheit sozusagen, die sich auch mit dem Alter ergibt. Also je länger man zum Beispiel eine
00:20:26: Herzkrankheit überlebt, desto eher hat man eben auch die Komplikation sozusagen der Herzschwäche.
00:20:32: Und wir sind natürlich auch heute in der Lage durch eine sehr differenzierte Medikamentösetherapie,
00:20:38: durch Devices wie zum Beispiel die schrittmacher-basierte Resynchronisation, durch implantierbare
00:20:47: defibrillatoren, durch eine sehr gute Versorgung der coronaren Herzkrankheit, durch eine interventionelle
00:20:52: Versorgung auch der hochaltrigen Patienten mit der Ordenklappenstehnose. Dadurch werden die
00:20:57: Patienten älter, leben viel länger mit ihrer Herzkrankheit und dann ist es eben so, dass gerade
00:21:03: bei denen, die dann über Jahrzehnte Herzkranken sind, sich dann eine Herzschwäche einstellt und
00:21:08: dies erfordert dann eben im ambulanten Bereich auch eine sehr differenzierte Therapie, die eben noch
00:21:12: nicht überall so gut ausgerollt ist und deswegen kommen eben viele von diesen Patienten dann in
00:21:18: die Notaufnahme. Viele haben allerdings auch ihre erste Herzschwäche-Ebisode oder ihre erste
00:21:26: Diagnose-Herzschwäche in der Notaufnahme, was sie zum Beispiel mit akutter Luftnot eingeliefert
00:21:30: werden und dann stellt man fest, ah okay, da liegt eine Herzschwäche zugrunde, die war gar nicht
00:21:35: bekannt. Das heißt, das ist ein großes Gebiet sozusagen, was uns hier beschäftigt und auch
00:21:41: in allen Ausprägungen. Also sowohl die schwere akute Herzensuffizienz, die ein unmittelbares
00:21:48: eingreifen erfordert, vielleicht auch eine Beatmungstherapie, intensivmedizinische Weiterbehandlung,
00:21:54: akute Intervention, aber auch durchaus auch der anderen Seite Patientinnen, die vielleicht
00:21:58: mal seit drei Wochen zunehmende Luftnot haben, die irgendwie nicht wissen, was sie machen sollen,
00:22:03: dann kommen sie in die Notaufnahme und dann stellen wir die Herzschwäche fest oder eine
00:22:06: Verschlechterung der Herzschwäche und geben die Patientinnen, wenn sie in den ambulanten Bereich
00:22:10: zurück oder nehmen sie stationär auf und gerade bei der Herzschwäche spielt ja auch die Telemedizin
00:22:16: eine große Rolle, weil diese Patienten profitieren davon, wenn sie eben so eine gewisse kontinuierliche
00:22:21: Überwachung haben und dann auch sozusagen sehr subtil gesteuert werden können mit kleineren
00:22:26: Eingriffen, vielleicht sogar eine kleine Anpassung der Diuretika-Dosis, also eines Medikamentes,
00:22:31: was was aus dem Körper herauslässt oder eben auch einer rechtseitigen Zuweisung zu einem
00:22:37: Spezialisten, wenn man mit einer Apple Watch sag ich mal dann feststellt, dass vielleicht eine
00:22:42: Rhythmostörung aufgetreten ist. Sind solche Devices für euch mal den erfahrenen Mediziner
00:22:49: hilfreich für den Lion selbst? Ja absolut sind die hilfreich, also da muss man sagen ist ja die
00:22:55: Technologie auch der Versorgung wieder einen kleinen Schritt voraus, also sie können heute mit einer
00:23:01: ja ich habe jetzt Schleichwerbung gemacht, aber ich habe zum Beispiel kein, ich habe eine
00:23:06: andere Produkt hier am Arm. Können Sie ein sehr, sagen wir mal, zuverlässiges EKG schreiben, Sie
00:23:13: können eben gerade also, dass die Detektion von Vorhofflimmern, es geht sehr gut mittlerweile
00:23:20: damit, das was uns hier noch fehlt ist sozusagen eine uniforme Anbindung an digitale Systeme in
00:23:27: der Klinik, also wenn sie jetzt zu mir kommen, zum Beispiel sagen mensche meine Uhr hat Vorflimmern
00:23:31: gezeigt, dann kann ich nicht unmittelbar das in mein eigenes digitales System übernehmen,
00:23:36: sondern wir müssen gucken, was haben sie für ein System, haben sie vielleicht einen Anbieter,
00:23:40: der irgendwie eine Schnittstelle bietet, also da ist da ist noch viel auch Forschung erforderlich.
00:23:46: Wo mit sie sich sehr intensiv befassen mit der digitalen Medizin, welche Entwicklungen sehen
00:23:51: sie da kommen? Ja ich sehe also in der digitalen Medizin verschiedene Richtungen, also es gibt
00:23:56: natürlich einerseits das, was wir jetzt gerade angesprochen haben, dass die Variables, also das
00:24:01: praktisch Bio-Datenpatienten mitbringen. Wo sie auch perspektivisch Sauerstoffsättigung oder andere
00:24:10: Sachen messen können, das heißt, sie die Patienten bringen schon sehr viel mehr kontinuierliche
00:24:14: Bio-Informationen mit, als wir sie jemals vorhaben.
00:24:17: hatten. Aber es gibt natürlich auch noch ganz andere Felder. Also ein Feld ist zum Beispiel
00:24:22: die Selbseinschätzung sozusagen mit intelligenten Apps, die also so ja "Symptomchecker" genannt
00:24:31: werden, also wo sie vielleicht selber schon mal prüfen können, ob ihre Symptome überhaupt
00:24:36: relevant sind und dann ihre Entscheidung möglicherweise günstig beeinflussen, gleich in die richtige
00:24:42: Struktur zu gehen, also nicht einfach blind in die Notaufnahme zu laufen, sondern vielleicht
00:24:45: doch zu sagen, okay, das ist vielleicht schon nicht ganz normal, was hier ist, aber es ist
00:24:51: nicht bedrohlich. Gibts dir mal ein Beispiel. Ja, also ich sage mal, Sie haben zum Beispiel
00:24:55: vielleicht so ein Ziehen in der Schulter, ja, und denken, ah, könnte das nicht ein Herzenfakt
00:24:59: sein? Ich habe mal gehört sozusagen, dass das Ziehen in der Schulter auch ein Herzenfakt
00:25:03: sein kann und Sie arbeiten mit Ihrer KI-basierten App und die App sagt Ihnen aber so, wie Sie
00:25:09: das beschreiben, die Bewegungsabhängigkeit, das ist aufgetreten, nachdem Sie sich am
00:25:14: Schrank gestoßen haben, das spricht doch eher dafür, dass es ein leichtes Trauma ist und
00:25:17: es reicht, wenn Sie morgen zum Hausarzt gehen. Und so könnte perspektivisch, also auch mit
00:25:22: der besseren Entwicklung dieser Systeme, ja, eine Steuerung kommen, die auch für Sie günstig
00:25:28: ist. Das, was sozusagen uns sehr, sehr starken Mann beschäftigt, sind eben diese Large Language
00:25:33: Models, das kennen Sie ja von ChatGPT oder auch von anderen Systemen, weil das natürlich
00:25:38: Systeme sind, die, sagen wir mal mit einer gewissen Intelligenz in der Lage sind, mit Patienten
00:25:43: zu kommunizieren und möglicherweise einfache basale Kommunikationsaufgaben abnehmen und
00:25:48: damit auch die Behandlungsprozesse beschleunigen, vielleicht auch perspektivisch verbessern
00:25:53: können. Und das geht dann auch ein bisschen in die Richtung der, also das Decision Support,
00:25:58: nennen wir es, also der Entscheidungsunterstützung, dass vielleicht intelligente Systeme, die
00:26:02: jetzt auch ganz anders von Patientendaten aufnehmen können, eben durch Spracherkennung, durch
00:26:08: vielleicht auch Kamera basierter Beobachtung der Mimik, durch Hauttemperaturmessung, die
00:26:13: auch digital stattfinden kann, ohne dass sie berührt werden, dass darüber eben auch
00:26:18: Einschätzung vorgenommen werden, die dann eine sozusagen eine Vorinformation generieren,
00:26:24: die dem Arzt es erlaubt, schneller und präziser zu handeln. Das sind also Bereiche, die uns
00:26:29: sehr interessieren und zu denen wir viel arbeiten. Und das geht, wie gesagt, in verschiedenste
00:26:35: Richtungen, also wearable, also praktisch digitale Diagnostik, digitale Gesundheitsanwendung,
00:26:42: das wären richtig digitale Therapien, dann digitale Steuerung, also Symptomchecker oder
00:26:49: digitale Steuerungsinstrumente wie Triage-Instrumente oder eben wie zuletzt erwähnt Unterstützung
00:26:56: von Entscheidungen durch differenzierte Vorinformation. Das wäre natürlich auch für den Patienten
00:27:02: möglicherweise in abgelegenen Bereichen ein Vorteil auch für Patienten, die bisher
00:27:08: gewohnt sind, ihren möglichen Krankheitsverlauf, ihre Symptome zu googeln und meistens, ich
00:27:14: spreche aus eigener Erfahrung, bei zwei Klicks, bei was ganz schlimmen landen meistens und
00:27:20: dann denkt man Gott, wie ich das jetzt wirklich habe, dann ist es ja wirklich nicht so schön
00:27:25: und meistens löst sich das ja dann auf in Nichtigkeit, Gott sei Dank. Aber es würden
00:27:31: natürlich auch dazu beitragen, dass diese Symptome dann besser eingeschätzt werden können,
00:27:36: KI basiert, eben gestützt mit zusätzlichen Erkenntnissen, Sie haben es beschrieben,
00:27:42: Haut, Temperaturen und dergleichen, das wäre natürlich wunderbar. Sehen Sie da auch eine,
00:27:49: ich meine, man redet immer so über die großartigen Möglichkeiten und redet natürlich auch immer
00:27:53: über die Gefahren, der Ausdünnung auf den Arbeit, sehen Sie da auch eine Gefahr kommen
00:27:59: für Ärzte, dass man sagt, okay, der klassische Hausarzt ist dann eben ein Screen on the
00:28:04: Wall und dann frage ich Herrn Dr. KI, sag mal, ich habe hier komischem Blach auf der Zunge
00:28:11: und dann antwortet er mir mit seiner ganzen Erfahrung, der weltweit genutzten Daten, was
00:28:17: ich am besten tun soll und dann stelle ich mir mein Rezept online und das kommt frei
00:28:21: aus. Also die Gefahr geht, glaube ich, nicht von der KI aus, sondern von den Menschen,
00:28:26: die sie anwenden und von denen die solche Fantasien propagieren. Ich frage Sie mal direkt, möchten
00:28:31: Sie dann gerne mit einem Screen sprechen oder möchten Sie lieber mit mir sprechen?
00:28:34: Kann ich mit Ihnen, wenn ich zu Ihnen komme?
00:28:38: Also wir haben gerade, weil wir uns ja sehr intensiv auch mit einem Projekt beschäftigen,
00:28:42: wo wir ein Kommunikationsroboter in der Notaufnahme einsetzen wollen, um bestimmte Unterstützung,
00:28:49: zum Beispiel der Pflegekräfte zu machen, für redundante Informationen, die aber trotzdem
00:28:52: wichtig sind für den Patienten und unser Konzept ist da, das Konzept ist Trail Robot,
00:28:58: das heißt der Roboter ist gar nicht so ein Superhirn, so ein Supermann, der alles kann,
00:29:02: sondern es ist jemand, der eher wie so ein älterer Fortuner ist, den man sozusagen vielleicht
00:29:06: auch mal zweimal ansprechen muss, aber auch darf und der so insgesamt sozusagen das Tempo
00:29:11: ein bisschen...
00:29:12: All das Diskriminierung, was wir hier machen, aber...
00:29:14: Also ich sage mal, der so ein bisschen Tempo rausnimmt, Bewusstempo rausnimmt, aber auch
00:29:19: dem Patienten erlaubt, im Redundant immer dieselben Fragen zu stellen, um sich zu versichern,
00:29:24: dass er wirklich gut verstanden hat und damit sozusagen die medizinischen Fachangeh...
00:29:30: Also die Fachleute sozusagen von dieser redundanten Information befreit und wir haben dazu einen
00:29:36: Workshop gemacht mit Patientinnen, also wir haben Patientinnen bei uns im Warteraum gefragt,
00:29:40: ob sie vielleicht ein paar Tage später mal wiederkommen würden für so einen Workshop
00:29:44: und haben mit 14 Patientinnen so eine participative Sitzung gemacht, um rauszukriegen, was sind
00:29:50: eigentlich die Erwartungen, was wollen eigentlich die Patienten und da ist sehr, sehr klar, dass
00:29:54: die Patienten auf keinen Fall auf den Menschen in Kontakt verzichten wollen, sich aber sehr
00:29:58: gut vorstellen können, dass digitale Mittel sozusagen als Assistenten, als Unterstützung
00:30:03: des Pflegepersonals, aber auch der Ärztinnen, fungieren und da sehe ich eben auch die Chance,
00:30:08: also die Herausforderung, vor der wir stehen, also weniger Fachkräfte, hohes Maß an
00:30:14: älteren Patientinnen mit einer langen Morbiditätszeit, da sind die Herausforderungen so groß, dass
00:30:20: wir das gar nicht schaffen können, ohne digitale Mittel dem Stand zu halten, aber das heißt
00:30:25: eben nicht, dass der Ärzt ersetzt wird, sondern der Ärzt hat einfach einen neuen digitalen
00:30:30: Assistenten oder eine Assistentin, der dabei unterstützt, eben Patientinnen eben noch besser
00:30:36: und noch effektiver zu behandeln, denn ich meine, es ist ja das Gleiche, sie können
00:30:40: natürlich auch einen Graben mit einer Schaufel ausheben, sie können aber auch einen Bagger
00:30:43: nehmen und ich glaube, dass der Bagger sozusagen eine großartige Sache ist, weil wir sonst hier
00:30:48: wahrscheinlich gar nicht in diesem Gebäude sitzen würden und so ist es auch mit der
00:30:52: Digitalisierung in der Medizin, also man muss es natürlich in den ärztlichen Prozess,
00:30:58: vielleicht auch in den pflegenden Prozess oder in den therapeutischen Prozess insgesamt
00:31:02: integrieren, aber im Prinzip öffnet es die Möglichkeit, eben besser, effizienter Patientinnen
00:31:09: behandeln zu können und das ist kein Ersatz, sondern eine Ergänzung und eine Erweiterung
00:31:14: der ärztlichen Kunst.
00:31:15: Sie haben das Gebäude hier erwähnt, die Charité, schon der Name hat einen ganz besonderen
00:31:21: Klang, aber er ist natürlich auch besonders historisch vorgehoben, er ist bekannt durch
00:31:28: Fernsehserien, die hier spielen, was bedeutet es Ihnen persönlich hier in der Charité
00:31:34: zu sein?
00:31:35: Was ist das für ein Ort?
00:31:36: Ja, die Charité ist natürlich schon ein besonderer Ort und ich bin natürlich stolz
00:31:39: an der Charité zu arbeiten.
00:31:41: Ich würde sagen, wir haben hier einen besonderen Spirit, der ist geprägt sozusagen von einem
00:31:47: sehr hohen Ehrgeiz, von sehr viel Kompetenz und aber auch von sehr viel Kooperation.
00:31:54: Also Sie können an der Charité für jeden sowohl in der Forschung als auch in der Klinik,
00:31:58: für jede Spezialität, für jede Kleinigkeit eigentlich jemanden finden, der sich da besonders
00:32:04: gut auskennt und wenn Sie den fragen, dann wird er Ihnen immer freudig antworten.
00:32:08: Also das heißt, wir haben sozusagen eine Kompetenz, die sich eben auch sozusagen aus dieser Vielzahl
00:32:14: von Spezialistinnen heraus ergeben und die bündeln wir natürlich auch in der Notfamilie
00:32:18: ziehen, weil wir ja diesen, die mit allen zu tun haben und das Kernteam, bei uns das
00:32:23: kennt eben auch jeden und kann dann eben diese spezielle Expertise auch für jeden Patienten
00:32:29: nutzbar machen.
00:32:30: Das ist natürlich besonders wertvoll auch für hochkomplex kranke Patientinnen, also
00:32:35: natürlich für die Klassiker wie Polytrauma oder eben die multimorbiden Patientinnen oder
00:32:41: die Patienten, die eine selten Erkrankung haben oder eben eine ganz spezialisierte Therapie
00:32:46: benötigen.
00:32:47: Wie haben Sie das geschafft?
00:32:49: Nach meiner Wahrnehmung, was Sie in den Anfängen, also nach der Wende so, dass man die Charité
00:32:55: hätte zwei Wege gehen können, entweder als gescheitertes Projekt, quasi dem Abbruch
00:33:01: geweiht oder eben den Weg, den glaube ich damals wenige fraus gesehen haben, sich so zu entwickeln,
00:33:08: wie Sie es gerade beschrieben haben, zur absoluten Top-Klinik, also Top-Klinikum, Top-Einheit,
00:33:14: inklusive der Forschung hier, zahlreichen herausgehobenen Experten wie Ihnen, wie ist
00:33:20: es gelungen diesen Weg zu beschreiten?
00:33:22: Also ein wichtiger Punkt war, wir hatten ja im Westen früher zwei Universitätskliniker
00:33:27: Wölchow, das Universitätsklinikum Charlottenburg und Steglitz, jetzt Campus Management Franklin
00:33:34: und das Charlottenburger Universitätsklinikum, das ist kurz vor der Wende umgezogen ins Wölchow-Klinikum,
00:33:41: also wenn die Wende, ich sage mal, ein Jahr früher gekommen wäre, dann hätte man wahrscheinlich
00:33:48: das Wölchow-Klinikum gar nicht mehr als Uniklinikum ertüchtigt, aber das war sozusagen gerade
00:33:52: fertig und es war dann klar, dass die Stadt eigentlich mit drei Universitätskliniker eigentlich
00:33:57: ein bisschen überausgestattet ist und es gab dann sehr früh eine Fusion des Wölchow-Standortes
00:34:04: mit dem Standort Charité Mitte und damit war eigentlich so ein bisschen die Grundlage
00:34:08: dafür gelegt, dass man eine Universitätsmedizin hat, es gab dann ja die legendäre Aktion
00:34:14: unseres ehemaligen regierenden Bürgermeisters Woeverreit, der den Campus Management Franklin
00:34:19: schließen wollte und der dann sozusagen am Widerstand, also der an politischem Widerstand
00:34:24: gescheitert ist und dann sagt er, gut, wenn ihr das nicht loswerden wollt, dann seht mal
00:34:28: zu, wie ihr das zusammen mit weniger Geld hinkriegt und daraus wurde dann die Universitätsmedizin
00:34:34: Charité geboren, die dann allerdings über lange Jahre sozusagen auch mit sehr wenig
00:34:40: Mitteln auskommen musste und dann sozusagen ja, ich weiß nicht, aus so einer inneren Stärke
00:34:45: heraus durch sehr, sehr hohe Trittmittel-Einwerbung und sehr gute Leistung, durch exzellente Leistung
00:34:51: es dann geschafft hat sozusagen eben diese, auch diese Strahlkraft zu entwickeln und damit
00:34:56: natürlich auch eine sehr große Bedeutung hier für unsere Stadt, also dass das Land Berlin
00:35:00: hat.
00:35:01: Ja, dann haben Sie sich selbst geholfen, also im Wesentlichen.
00:35:05: Ja, also selbst, also man ist ja immer abhängig natürlich von Strukturen, von Baumaßnahmen,
00:35:10: also wir sitzen hier im Rudolf-Nissenhaus, es ist ein Neubau, früher gab es hier also
00:35:15: zu DDR-Zeiten, stand hier ein Hörsaalgebäude, das abgerissen worden ist, also man ist
00:35:20: immer abhängig auf davon, dass das Land eben mittelbereit stellt, auch Strukturen für
00:35:26: exzellente Arbeit bereitzustellen und wir sind auch sehr dankbar, dass es dazu auch immer
00:35:31: wieder mal Unterstützung vom Bund gibt, wie zum Beispiel bei unserem Neubau des Deutschen
00:35:35: Herzzentrums der SHIT, am Campus Räuchel-Klinikum, weil wir natürlich schon auch solche Bauten
00:35:40: brauchen, um weiterzukommen, also das erlebt man dann im Rudolf-Nissen extrem, wo die Versorgung
00:35:45: sehr, sehr stark geprägt ist davon, in was für Räumen Sie arbeiten, ich wenn Sie moderne
00:35:51: Räume haben, wo Sie gute Prozesse aufsetzen können, dann sind Sie einfach besser und
00:35:56: haben mehr Möglichkeiten, als wenn Sie in überkommenden älteren Strukturen arbeiten
00:36:01: müssen, die einfach einen ganz anderen medizinischen Narrativ dienten.
00:36:05: Ja, auch das merkt man, auch wenn man hier reinkommt, da blitzt und blinkt es überall,
00:36:09: gut das sollte ein Klinikum sein, aber hier blitzt es besonders, das ist natürlich alles
00:36:13: sehr neu und man hat das Gefühl, hat sich allerdings immer in Berlin, ich habe hier
00:36:18: lange gelebt, jedes Mal bin ich mal in einer Notfallaufnahme war, entweder weil ein Kind
00:36:24: sich gestoßen hatte oder ich selber irgendwas hatte, fühlte ich mich immer willkommen,
00:36:30: also es war nie so, egal ob das man damals Steglitz war oder Röchel oder hier war ich
00:36:36: nie in einer Notfallaufnahme, aber das war wirklich nicht vergleichbar mit anderen Städten,
00:36:41: mit einem Respekt vor den Notfallaufnahmen in anderen Städten, ich habe auch noch nicht
00:36:45: so viel gesehen, aber fand ich immer, immer besonders und nicht nur ich, sondern ich habe
00:36:51: natürlich auch die Menschen um mich herum beobachtet, die da waren, also jeder konnte
00:36:56: sich da vor allem besonders demokratische Art und Weise willkommen fühlen, das ist auch
00:37:03: so ein besonderer Berlin Spirit, ist mein Eindruck.
00:37:06: Ja, das freut mich natürlich, dass Sie das sagen, ich muss aber zur Verteiligung meiner
00:37:09: Kolleginnen im Deutschland sagen, dass auch in anderen Stellen wirklich sehr gut gearbeitet
00:37:14: wird, es ist bei uns in der Charité natürlich schon so, dass wir so einen, sagen wir mal
00:37:18: "Always Open" Anspruch haben, an dem wir hart arbeiten, der auch für die Mitarbeiter
00:37:24: oft sehr große Herausforderungen darstellt, weil wir natürlich auch Situationen haben,
00:37:28: wo sehr, sehr viele Menschen hier sind und das ist damit unter eben schwierig, gerade
00:37:33: für die Pflegenden dann sozusagen den Überblick zu behalten und zu einem freundlich zu sein,
00:37:38: das gelingt ihnen sehr häufig und wir arbeiten auch an Konzepten, das sozusagen zu stabilisieren
00:37:44: auch unter Herausforderungen und herausfordernden Bedingungen.
00:37:47: Wie sehr machen Ihnen hier so die banalen Fälle zu schaffen, also derjenige, der sich den Finger
00:37:53: umgeknickt hat und sagt, ich muss den Notfall aufnahme?
00:37:56: Wir kommen nicht zu uns, das ist ja so ein Gerücht sozusagen, dass wir so viele Bagatellfälle
00:38:00: hätten, wir haben nicht viele Bagatellfälle, wir haben ja gesehen in unseren Studien zu
00:38:05: den Patienten, die wir "low acuity" nennen, also mit niedriger medizinischer Dringlichkeit,
00:38:10: wie viele von denen zum Beispiel wirklich zu steuern werden und das sind ja nur so,
00:38:15: das sind unter 10 Prozent aller Fälle, die man wirklich woanders hinsteuern könnte.
00:38:19: Wir haben relativ viele Patientinnen, die von ihrer Diagnose her oder von dem, was wir
00:38:24: da wirklich tun, durchaus im ambulanten Sektor versorgt werden könnten, wenn dort sozusagen
00:38:30: zentrale Anlaufstellen da wären und wenn diese Leistungen, die die brauchen, wirklich
00:38:34: vorgehalten würden.
00:38:35: Denn das ist ja das Problem, wenn Sie zum Beispiel, wenn Ihr Kind von der Schaukel fällt und
00:38:39: hat dann irgendwie Schmerzen in der Schulter, dann würden Sie möglicherweise nicht zu einem
00:38:44: Telefomor nach einem D-Arzt suchen und in einer Praxis fahren, wo Sie gar nicht wissen,
00:38:49: haben die einen Röntgengräte, braucht der einen Röntgengräte, braucht der eine Sonografie,
00:38:53: ist es vielleicht doch ganz schlimm, sondern sie fahren in die Notaufnahme, dort wird das
00:38:57: schnell sortiert und dann erfolgt die Weiterbehandlung gezielt an der richtigen Stelle.
00:39:02: Das heißt, viele von diesen Patientinnen, die sich in Routine-Daten so als vielleicht
00:39:06: auch manchmal ja vielleicht fast ein bisschen diskriminieren als Bagatellfälle darstellen,
00:39:12: ist es doch so, dass es ein primär erstes Anliegen der Patientinnen gab und dass das
00:39:17: in der Notaufnahme gelöst wird.
00:39:18: Insofern würde ich sagen, also wir sind, wir haben sicherlich viele Fälle, die auch in
00:39:23: neuen Strukturen ambulant versorgt werden können, daran arbeiten wir auch, aber diese
00:39:27: Strukturen müssen eigentlich meiner Ansicht nach am Krankenhaus geschaffen werden und
00:39:31: da kann man dann sehr gut sozusagen mit verschiedenen Leveln von Versorgung kooperieren.
00:39:36: Sie waren, was ganz anderes, auch viele Jahre Gastprofessor in Australien, was hat sie an
00:39:44: diesem medizinischen Umfeld besonders fasziniert?
00:39:47: Ja, also ich sage mal, dass das australische System ist ja so ein bisschen eine Mischung
00:39:53: zwischen Europa und USA, das heißt, es hat natürlich einen starken angloamerikanischen
00:39:59: Einschlag, aber es ist eben auch auf der anderen Seite sehr, ja, es ist also, es ist eben doch
00:40:06: auch stärker, ich sage mal demokratischer geprägt als das amerikanische System, was
00:40:12: ja sehr, sehr stark das amerikanische System ist ja für jemand, der unversichert ist oder
00:40:17: jemand, der unterversichert ist, fast gar nicht zugänglich, das ist in Australien anders.
00:40:22: Australien hat auch, wie ich finde, einen etwas besseren Umgang mit seinen eigenen Ureinwohnern
00:40:29: und seiner eigenen, sagen wir mal, Diversität in der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung
00:40:35: und mein Zugang da war ja ein epidemiologischer, weil ein guter Kollege von mir ausgewandert
00:40:41: ist nach Australien, der Ronald Müller, der selber Mathematiker ist und mit dem ich hier
00:40:45: schon viel zusammen gearbeitet hatte und über diese Zusammenarbeit mit ihm kam sozusagen
00:40:50: diese Adjunct-Professorship zustande und so haben wir also ja gemeinsam sozusagen aus verschiedenen
00:40:57: Perspektiven eben ja wissenschaftlich gearbeitet. Also da ich bin in Australien jetzt nie klinisch
00:41:03: tätig gewesen, sondern das war eine reine wissenschaftliche Kooperation. Gibt es etwas,
00:41:07: was das Land Ihnen gegeben hat, wo Sie gesagt haben Mensch aus Australien, dass das hat mich
00:41:13: auch geprägt? Das würde ich jetzt nicht sagen, dazu war ich auch nicht oft genug und nicht
00:41:17: lang genug da. Das was sozusagen an Australien fasziniert ist, dass die Sonne anders rumläuft,
00:41:23: was ich beim ersten Mal gar nicht so richtig mitbekommen hatte, sondern erst gegen Abend
00:41:28: dachte Mensch, also die Sonne steht doch noch gar nicht so hoch, ich habe noch lange Zeit
00:41:32: bevor es dunkel wird und dann war es eine Stunde später dunkel. Das sind so Sachen,
00:41:37: die anders sind, das ist ein fantastisches Land von der Landschaft her und natürlich
00:41:41: offen den Menschen, viele junge Leute machen ja Work and Travel in Australien, weil das
00:41:45: ist so eine gewisse Leichtigkeit und so hat und ich bin einmal mein mittleren Sohn dort
00:41:52: gewesen im Rahmen eines Robotik Cup und es war so ein Team von vier Jungs und Brei Betreuen,
00:41:58: also noch ein Professor von der HU und einer der Lehrkräfte und da standen wir da in Sydney
00:42:05: am Wasser und da hat einer von denen gesagt, ich muss unbedingt hier wieder hin, ich muss
00:42:09: hier wieder leben und das konnte ich sehr gut verstehen, aber es ist extrem weiter Flug,
00:42:13: es ist nicht so einfach. Gerade heutzutage mit den weltweiten Verwirrungen, wir machen
00:42:19: ja jetzt mittlerweile praktisch alles digital, also wir sind früher ja viel mehr gereist als
00:42:23: heute, heute kann man eben einfach viel mehr digital machen. Lassen Sie uns zum Abschluss
00:42:28: einmal die Frage ansprechen, die Sie ganz am Anfang gestreift haben, eine Notfallmedizin
00:42:34: bringt ja auch gewisse emotionale Belastungen mit sich, wie gehen Sie damit um, wie verarbeiten
00:42:40: Sie das, wie haben Sie das verarbeitet? Die emotionalen Belastungen sind natürlich für
00:42:44: mich in der Chefarztrolle sozusagen ganz andere als die, die sozusagen jetzt praktisch an
00:42:50: der Front stehen und die Belastungen, die wir sozusagen im Team haben, ja ich sage mal,
00:42:55: es sind drei Schwerpunkte, die man da machen kann, das eine ist, es sind so Crowding-Situationen,
00:43:00: wo es sehr voll ist, also wenn man das Gefühl hat, man verliert so ein bisschen den Überblick,
00:43:03: man verliert die Kontrolle, das ist für viele sehr belastend. Viele Patzen. Ja, genau.
00:43:07: Also wenn wir hier sagen wir mal, haben wir eine Kapazität von 50 vielleicht zum Zeitpunkt
00:43:12: und wenn 80 da sind, dann wird das ja anspruchsvoll und das kann belastend sein. Das Zweite ist
00:43:18: sind schwerste Verletzungen, also wir haben ja zunehmend auch, auch in Berlin haben Sie
00:43:22: sich auch gehört, also Messerstichverletzung ist ja offensichtlich gerade so ein bisschen
00:43:26: auch so eine gesellschaftliche Situation, jetzt kürzlich haben Sie dort heute im Tagesspiegel
00:43:31: gelesen, Kind mit Messerstichverletzung, so was beeindruckt das Team immer sehr, unser
00:43:39: Konzept da ist ein unmittelbares Debriefing, also das heißt es erfolgt eine Schockraumversorgung
00:43:45: und dann stellt man sich mit dem Team, was das gemacht hat, nochmal zusammen und jeder
00:43:49: berichtet nochmal kurz, wie es Ihnen gerade geht und das ist eine sehr große Entlastung
00:43:53: in der Regel können Sie 90% der Belastung so lösen, ansonsten haben wir natürlich
00:44:00: auch die Möglichkeit zu psychologischer Unterstützung, wenn es Mitarbeiter gibt, die
00:44:04: wenn man zum Beispiel ein Kind im Schockraum verliert, ist das sehr, sehr belastend für
00:44:08: die Mitarbeiter und dann gibt es manchmal welche, die auch noch eine psychologische Betreuung
00:44:12: brauchen. Ansonsten ist es schon so, dass sagen wir mal jemand, der davon mal arbeitet
00:44:17: natürlich die Resilienz mitbringt und das gehört auch so ein bisschen dazu, also meine
00:44:21: Kollegen aus Zepsiosomatik sagen immer ihr habt so ein bisschen so ein Helden-Image
00:44:25: und das stimmt auch so ein bisschen, also das heißt man hat hier auch eine bestimmte
00:44:30: Typ von Mensch, sowohl in der Pflege als auch unter den Ärzten, die sowas dann schon
00:44:34: auch aushalten können und wenn man das nicht aushalten kann, sondern jeden Tag nach Hause
00:44:39: geht und denkt, nee das war wieder so hart, dann muss man vielleicht überlegen ob man
00:44:43: woanders besser aufgewogen ist. Das heißt es nicht, dass jeder alles aushalten muss,
00:44:48: sondern wir kümmern uns sehr um so Mitarbeiter, ich sage das schon strukturell angelegt ist
00:44:52: die Briefing, es gibt Optionen der psychologischen Unterstützung, aber es ist schon so, dass
00:44:58: das hier ein harter Bereich ist und das muss man auch irgendwie so ein bisschen wollen.
00:45:01: Die dritte Sache, die auch noch wichtig ist und die zunimmt, auch gerade in Berlin, sind
00:45:07: so soziale Notfälle. Also Patientinnen, die keinen wohnen, die obdachlos sind, die schwer
00:45:15: krank sind und denen man natürlich in dem Moment helfen kann, aber wo man weiß, man schickt
00:45:20: sie zurück auf die Straße und sie werden in ein, zwei, drei Wochen wiederkommen und
00:45:24: dann schlechter dran sein als sie es jetzt sind, obwohl man ihnen geholfen hat oder häusliche
00:45:30: und sexualisierte Gewalt. Das sind Themen, die auch zunehmen und die das Team auch sehr
00:45:36: belasten, wo wir uns aber auch sehr intensiv beschäftigen, auch in der Forschung. Also wir
00:45:41: haben ja einen Forschungszweig, der insbesondere von meiner Kollegin, Frau Prof. Anna Slagmann
00:45:47: verfolgt wird, das ist die Social Emergency Medicine und das ist auch ein Begriff, der
00:45:51: aus dem Anglo-Amerikanischen kommt und der dort schon viel länger bekannt ist und der
00:45:57: bedeutet, dass eben tatsächlich ein Notfall nicht immer die spritzende Blutung ist, sondern
00:46:01: eben auch eine Situation, in der sich jemand nicht mehr selber helfen kann und da sind
00:46:06: natürlicherweise auch die niederschwellig erreichbaren Notaufnahmen oft erster Anlaufpunkt.
00:46:11: Sie haben über das gute Team gesprochen, was macht für Sie ein wirklich gutes Team
00:46:14: aus?
00:46:15: Ja, das Team, also erstmal ist es so, dass wir hier ein interprofessionelles Team haben,
00:46:18: was sehr stark auf Augenhöhe arbeitet, also es ist eine sehr, sehr flache Hierarchie. Das
00:46:24: Team sozusagen vertraut sich und es verbringt, sagen wir mal, Arbeitszeit zusammen, die auch
00:46:31: Lebenszeit ist und das finden irgendwie alle gut. Also wir arbeiten zusammen, wir trainieren
00:46:37: zusammen, wir feiern noch mal zusammen und ich glaube, man ist in einem guten Team, wenn
00:46:42: man gerne zur Arbeit kommt und denkt, Mensch, also den Kollegen X oder die Kollegin Y,
00:46:47: schön, dass ich die heute Morgen sehe und ich freue mich darauf, den Tag mit ihr zu verbringen.
00:46:52: Trainieren jetzt medizinisch trainieren?
00:46:54: Ja, zum Beispiel machen wir hier im Mitte jeden Mittwoch früh einen Schockraumtraining, so
00:46:58: von einer knappe Stunde, wo eine Simulation gemacht wird, verschiedentlich, das orientieren
00:47:03: wir auch öfter mal an Herausforderungen, die wir hatten. Also komplizierter Traumafall,
00:47:09: komplizierter konservativer Fall, komplizierter neurologischer Fall, dann holen wir auch mal
00:47:13: andere Fachdisziplinen dazu, um eben diese Interaktion zu trainieren, weil wir natürlich
00:47:18: untereinander sehen wir uns jeden Tag, aber ich sage mal, die Neurochirurien sehen wir
00:47:22: vielleicht nicht jeden Tag und das ist auch schön, in so einem geschützten Setting einer
00:47:26: Simulation mit dem mal zu arbeiten, das macht sehr, sehr viel aus, wenn Sie zum Beispiel
00:47:30: mit einem Kollegen, den Sie sozusagen ja, wo Sie Vorteile haben, wenn Sie mit dem mal
00:47:35: eine halbe Stunde im Schockraum trainieren, dann ist das ja nicht mehr derselbe, sondern
00:47:38: dann ist das jemand, wo Sie sagen, eigentlich ist das auch ein ganz cooler Typ.
00:47:42: Letzte Frage, Sie treffen den jungen Studenten Martin Möckel. Welchen Rat würden Sie geben?
00:47:48: Ja, also ich würde mir einen Rat geben, vielleicht noch früher und stärker zu fokussieren, also
00:47:55: das rate ich auch meinen Studenten, als junger Student hat man immer alle möglichen Flausen
00:48:00: im Kopf und hat alle möglichen Ideen und folgt der einen und folgt der anderen und
00:48:05: ist es glaube ich wichtig, sozusagen gerade, wenn man jetzt an die Karriere und an die fachliche
00:48:10: Entwicklung denkt, zu fokussieren, also durchaus auch mal was wegzulassen und zu sagen, aber
00:48:16: das, was ich mache, mache ich richtig und gut und dieser Fokus ist etwas, was sehr wichtig
00:48:21: ist und was auch vielen jungen Leuten heute nicht natürlich gegeben ist, sondern wo wir
00:48:26: auch als akademische Lehrkräfte versuchen müssen, das zu vermitteln.
00:48:30: Herr Professor Möckel, ich danke Ihnen für das wunderbare Gespräch.
00:48:33: Ja, vielen Dank.
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