Wenn die Toten sprechen - die Realität der Rechtsmedizin

Shownotes

In dieser Folge tauchen wir ein in eine Welt, die viele fasziniert, manche aber auch schaudern lässt – die Rechtsmedizin.

Unser Gast ist Prof. Dr. Claas Buschmann, stellvertretender Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel. Er zählt zu den führenden Rechtsmedizinern in Deutschland und kennt beide Seiten: den Kampf ums Leben im Rettungsdienst – und die Suche nach der Wahrheit im Obduktionssaal.

Béla Anda spricht mit ihm über spektakuläre und bewegende Fälle, über die enge Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz, und darüber, was die Arbeit mit den Toten uns Lebenden lehren kann. Außerdem erfahren wir, wie man als Mensch mit den härtesten Momenten dieses Berufs umgeht.

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00:00:00: Die Björn-Steiger-Stiftung.

00:00:02: Der Podcast.

00:00:04: Mai 1969.

00:00:06: Auf dem Rückweg vom Schwimmbad wird der 8-jährige Björn-Steiger

00:00:09: von einem Auto erfasst und dabei schwer verletzt.

00:00:12: Es dauert fast eine Stunde, bis endlich ein Rettungswagen eintrifft.

00:00:16: Björn-Steiger stirbt.

00:00:18: Nicht an seinen Verletzungen, sondern an den Folgen eines Schocks.

00:00:22: Die Eltern Ute und Siegfried Steiger gründen erst einen gemeinnützigen Verein.

00:00:26: Später entsteht daraus die Björn-Steiger-Stiftung.

00:00:29: Durch ihr unerlässliches Engagement wurden bis heute

00:00:32: Millionen Menschenleben gerettet und vergleichbare Schicksalsschläge vermieden.

00:00:36: In diesem Podcast geht es um die Arbeit der Björn-Steiger-Stiftung

00:00:40: und die Bedeutung einer funktionierenden Notfallhilfe.

00:00:43: Wir sprechen mit Experten, Betroffenen und den Machern hinter den Kulissen.

00:00:47: Folge 54.

00:00:49: Wenn die Toten sprechen.

00:00:51: Realität der Rechtsmedizin.

00:00:53: Ein Gespräch mit Gerichtsmediziner Prof. Dr. Klaas Buschmann.

00:00:57: Willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts "Lebensretter der Björn-Steiger-Stiftung".

00:01:02: Heute gehen wir in einen Bereich, der für viele faszinierend,

00:01:05: für manche aber auch scary, ein bisschen gruselig ist.

00:01:08: Und zugleich ein Bereich, der eine zentrale Rolle spielt für unsere Sicherheit

00:01:13: und auch für die Gerechtigkeit, nämlich die Rechtsmedizin.

00:01:17: Unser Gast ist Prof. Dr. Klaas Buschmann,

00:01:20: stellvertretender Direktor des Instituts für Rechtsmedizin

00:01:24: am Universitätsklinikum Schlichtswich-Holstein in Kiel.

00:01:28: Prof. Buschmann ist nicht nur einer der führenden Rechtsmediziner in Deutschland,

00:01:32: sondern war früher auch mehr als zehn Jahre lang als Lehrrettungsassistent

00:01:37: im Rettungsdienst tätig.

00:01:39: Für uns war sie von der Björn-Steiger-Stiftung eine große Auszeichnung,

00:01:43: erkennt also beide Seiten den Kampf ums Leben

00:01:46: und die Suche nach der Wahrheit die Gründe also eben für das Ableben,

00:01:50: das Ende, wenn das Leben denn mal zu Ende ist ein Schicksal,

00:01:54: dass wir alle teilen aller Long-Livetie zum Trotz.

00:01:58: Wir sprechen heute über den Alltag eines Rechtsmediziners,

00:02:01: über spektakuläre und berührende Fälle,

00:02:03: über die enge Zusammenarbeit mit Polizei, Staatsanwaltschaft

00:02:07: und Rettungsdiensten und darüber auch, wie sich aus der Arbeit

00:02:11: mit den Toten auch Leben retten lässt.

00:02:14: Und wir wollen auch erfahren, wie man als Mensch

00:02:17: mit diesen hartesten Momenten des Berufs und auch des Lebens umgeht.

00:02:21: Herr Prof. Buschmann, herzlich willkommen zu unserem Faktast.

00:02:25: Vielen Dank, ich freue mich sehr.

00:02:27: Ich freue mich auch, wenn Sie beim Abendessen jemanden kennenlernen

00:02:31: und jemanden kennenlernen, der Sie nicht kennt

00:02:34: oder auch nicht aus dem medizinischen Bereich kommen,

00:02:36: wie erklären Sie in wenigen Sätzen,

00:02:39: was Sie als Rechtsmediziner machen und tun?

00:02:42: Also ich gehe mit meinem Beruf nicht hausieren,

00:02:45: das heißt, man muss mich schon fragen,

00:02:47: wenn man mit mir beim Abendessen sitzt.

00:02:49: Ich bin also jetzt nicht, ja, sage ich mal, exorbitiert

00:02:55: und sage, ich bin jetzt Gerichtsmediziner oder Rechtsmediziner.

00:02:58: Aber wenn das Gespräch dann darauf kommt,

00:03:00: dann ist es eigentlich relativ einfach zu erklären.

00:03:03: Und zwar gibt es ja zwei Disziplinen in der Medizin,

00:03:06: die sich mit dem Tod befassen.

00:03:08: Das einen sind die Pathologen

00:03:10: und das andere sind die Rechtsmediziner.

00:03:12: Wer macht was?

00:03:14: Genau, in Deutschland ist es so geregelt,

00:03:16: dass die Pathologen sich befassen mit dem natürlichen Tod,

00:03:20: also dem Tod aus natürlicher Ursache, krankheitsbedingt.

00:03:23: Herz im Fakt, klar, kein Fall, falls auch immer kommt.

00:03:26: Alles mögliche und die Rechtsmediziner sich befassen

00:03:30: mit dem unklaren beziehungsweise nicht natürlichen Tod.

00:03:33: Jetzt heißt natürlich die Frage, wer kommt denn wann ins Spiel?

00:03:36: So, und um das zu verstehen,

00:03:38: muss man einmal sich klarmachen, was geschieht,

00:03:40: wenn in Deutschland ein Mensch verstirbt.

00:03:42: Wenn in Deutschland ein Mensch verstirbt,

00:03:44: dann muss ein Arzt her, ganz egal was für einer,

00:03:47: Gynikloge, Augenarzt, Hautarzt, Hausarzt,

00:03:50: Heroic, Vorkommen egal.

00:03:52: Ein abprobierter Arzt muss her

00:03:54: und dieser Arzt muss zwei Dinge machen.

00:03:56: Der muss zum einen den Tod des Menschen sicher feststellen.

00:03:59: Das heißt, man bricht irgendwann eine Reanimation ab.

00:04:03: Wenn die vielleicht gerade läuft,

00:04:05: wenn der Mensch noch keine sicheren Todeszeichen hatte,

00:04:07: dann kommt ein Arzt, in aller Regel ein Notarzt,

00:04:09: an das es ist und bricht dann diese Reanimation ab

00:04:12: und stellt den Tod dann fest.

00:04:14: Oder man findet eine Leiche, die also erkennbar eine Leiche ist,

00:04:17: die sicher Todeszeichen aufweist.

00:04:19: Das stellt man den Tod also sicher fest.

00:04:21: Das ist das erste, was man tun muss als Arzt.

00:04:23: Und wenn man das getan hat und sicher ist,

00:04:25: dass die schlimmste Diagnose, die einen Menschen treffen kann

00:04:28: und die uns alle auch treffen wird,

00:04:30: auch uns beide, so wie wir hier sitzen, eingetreten ist,

00:04:33: dann muss dieser Arzt etwas Zweites machen,

00:04:36: nämlich eine Leichenschau.

00:04:38: Er muss die Leiche entkleiden.

00:04:40: Er muss gutes Licht haben.

00:04:42: Das sind zwei Voraussaisungen, an denen das fast immer scheitert draußen.

00:04:45: Aber das ist sozusagen formal vorgegeben.

00:04:48: Und dann muss dieser Arzt eine Leichenschau machen.

00:04:51: Das heißt, er muss die Leiche von Kopf bis Fuß oder von Fuß bis Kopf.

00:04:54: Das ist egal, Hauptsache, man vergisst nichts.

00:04:56: Untersuchen.

00:04:58: Und muss dann anhand dieser Untersuchung feststellen,

00:05:01: versuchen festzustellen, woran dieser Mensch gestorben.

00:05:04: Was heißt dann Untersuchen?

00:05:06: Also, wir tasten den Kopf ab.

00:05:08: Wir achten insbesondere im Bereich der Schlammhäute in Gesicht,

00:05:12: im Bereich der Augenbindehäute,

00:05:14: der Liedhäute auf so genannte Stauungszeichen.

00:05:16: Da kommt man nachher vielleicht noch drauf,

00:05:18: die ein Hinweis sein können auf eine komprimierende Gewalteinwirkung

00:05:21: gegen den Hals, also eine Strangulation.

00:05:23: Und wir achten, oder der Leichenschau in der Arzt,

00:05:26: achten im Prinzip auf alles, was auffällt.

00:05:28: Verletzungen, Nahrung, Titowierungen,

00:05:31: alles, was irgendwie auffällt bei der Klinik.

00:05:35: Bei der klinischen relativ oberflächlichen, was man sagen, Untersuchung.

00:05:39: Und protokolliert das wahrscheinlich?

00:05:41: Nein, er protokolliert das nicht,

00:05:42: sondern untersucht den Patienten

00:05:44: und kommt dann im besten Fall zu einer Diagnose,

00:05:46: die da heißen kann.

00:05:48: Enthauptung, oder Erhängen, oder Herzinfarkt,

00:05:52: oder Schlaganfall, oder Magendarmblutung, oder, oder, oder.

00:05:57: Und diese Diagnose, diese Todesursache,

00:06:00: die er denn meint, er kann zu haben,

00:06:02: schreibt er auf auf den sogenannten Leichenschau-Schein.

00:06:05: Und leitet dann, wenn es möglich ist,

00:06:08: wenn er die Informationen hat,

00:06:10: wenn er sie entweder von Angehörigen

00:06:12: oder vielleicht aus ärztlichen Unterlagen entnehmen kann,

00:06:15: die vor Ort sind,

00:06:16: oder wenn er sie selber anhand seiner Untersuchung feststellt,

00:06:19: leitet dann sogar diese Todesursache her.

00:06:21: Optimalerweise, das gelingt meistens nicht.

00:06:24: Aber er sagt dann, also zum Beispiel der Herzinfarkt,

00:06:27: den ich in meine festgestellt habe,

00:06:29: der ist vielleicht zurückzuführen

00:06:31: auf eine coronare Herzkrankheit,

00:06:33: und die ist vielleicht zurückzuführen

00:06:35: auf 40 Jahre lang zwei Schachtel-Zigaretten unter.

00:06:38: Wenn er diese Informationen hat.

00:06:40: Das heißt, die Todesursache,

00:06:42: die im Rahmen der Leichenschau festgestellt wird,

00:06:44: die medizinische Todesursache, wird dann klassifiziert.

00:06:47: Das heißt, der Arzt macht ein Kreuz bei natürlich,

00:06:50: wenn also eine innere Erkrankungssymptode geführt hat,

00:06:53: oder er macht ein Kreuz bei nicht natürlich,

00:06:55: wenn ein äußerer Umstandssymptode geführt hat.

00:06:58: Das kann ein Unfall sein.

00:07:00: Das kann auch ein Tötungszilligt sein.

00:07:02: Wir sprechen nicht von Morde oder Todstag.

00:07:04: Das macht nachher ein Richter, das ist eine juristische Wertung.

00:07:07: Das machen wir nicht als Arzt.

00:07:09: Das kann auch ein Suizid sein.

00:07:11: Ja, das kann, wie gesagt, etwas von außen.

00:07:13: Und dann wäre sozusagen die Todesart

00:07:15: mit nicht natürlich zu bezeichnen.

00:07:17: Jetzt, das wäre ja zu einfach.

00:07:19: Gibt es in einigen Bundesländern auch die Möglichkeit,

00:07:22: dass wir sagen, der Tod ist nicht natürlich

00:07:26: oder natürlich, aber er kann auch ungeklärt sein.

00:07:30: Es gibt noch in einigen Bundesländern die Möglichkeit,

00:07:33: ein drittes Kreuz zu setzen, beim unklaren Tod.

00:07:35: Wenn ich also von außen nicht erkennen kann,

00:07:37: woran der Mensch gestorben ist.

00:07:39: Das ist meistens der Fall, wenn man den Patienten nicht kennt,

00:07:42: wenn man die medizinische Historie ja nicht kennt.

00:07:44: So, und sobald der Arzt sich also auf eine natürliche,

00:07:47: nicht natürliche oder manchmal auch unklare Todesart festgelegt hat,

00:07:50: nach seiner leichen Schau,

00:07:52: muss er bei dem unklaren oder dem nicht natürlichen Tod

00:07:55: die Polizei holen.

00:07:57: Und die kommen dann, das sind dann nicht,

00:07:59: das ist dann nicht die Mordkommission oder so,

00:08:01: sondern da kommen die ganz normalen Todesentwickler,

00:08:03: die ganz normalen Kriminalpolizei.

00:08:05: Und die beschlagnahmen dann den Leichnamen

00:08:07: mit einem Zettel am Fuß, wie wir das aus dem Fernsehen kennen.

00:08:09: Wirklich? Ja, ja, das ist dann real.

00:08:11: Aber da habe ich gedacht, das ist doch Quatsch.

00:08:13: Nein, das ist real. Also da kommt ein Zettel an Fuß

00:08:15: oder an den Leichen, sagt meistens.

00:08:17: Und da steht dann drauf, diese Leiche ist beschlagnahmt.

00:08:19: Und keiner fasst den an.

00:08:21: Und dann wird der gebracht zum Stadter oder zu uns

00:08:25: oder in die Pathologie oder was auch immer,

00:08:27: das nächste erreichbare Ort sozusagen

00:08:31: ist, um eine Leiche zu verwahren.

00:08:33: Und die Polizei fängt dann an zu ermitteln.

00:08:36: Wer ist das? Wanns letztendlich gesehen?

00:08:38: Gibt es einen Abschiedsbrief? Wer ist der Hausarzt?

00:08:40: War die Tür abgeschlossen und so weiter und so weiter.

00:08:42: Und wenn die Polizei diese Ermittlung abgeschlossen hat,

00:08:45: dann wird daraus eine Akte gemacht.

00:08:47: Und diese Akte geht dann zum Staatsanwalt.

00:08:49: Und der örtlich zuständige Staatsanwalt

00:08:52: entscheidet dann, je nachdem was in der Akte steht

00:08:55: und natürlich auch je nachdem was für ein Budget er hat,

00:08:58: für Obduktion, denn das kostet Geld.

00:09:00: Ich lasse hier eine Obduktion durchführen

00:09:02: oder ich gebe die Leiche ohne Obduktion zur Beerdigung frei.

00:09:05: Also heißt, Rechtsmediziner obduzieren Leichen im Auftrag

00:09:10: der Justiz der Staatsanwaltschaft beziehungsweise der Gerichte,

00:09:13: die letztendlich in aller Regel einen entsprechenden Beschluss auch treffen.

00:09:16: Zur Klärung von nicht-natürlichen oder unklantodes Fällen.

00:09:19: Das machen wir.

00:09:21: Die Pathologen kümmern sich um den natürlichen Tod in Krankenhaus.

00:09:24: Die Obduzieren relativ selten, muss man sagen.

00:09:28: Letztendlich zur Frage, war die Diagnose richtig

00:09:31: unter Qualitätsmanagementaspekten vielleicht sogar

00:09:34: oder auch zur Demonstration für klinische Kollegen,

00:09:37: die sagen, Mensch, hier, das war der Befund,

00:09:39: den habt ihr so behandelt und so weiter.

00:09:41: Jetzt denken aber natürlich alle,

00:09:43: Mensch, ihr seid doch Pathologen.

00:09:46: Also das erleben wir ganz häufig,

00:09:48: dass wir angesprochen werden von, ich sag mal,

00:09:50: Unkundigen, die sagen, na ja, du bist doch Pathologe.

00:09:53: Das hat damit zu tun, dass natürlich jetzt Rechtsmedizin

00:09:56: und so gerade im Fernsehen oder in Medien präsent ist,

00:10:00: true Crime-Formaten, auch so wie wir das hier machen

00:10:03: und vieles aus dem angloamerikanischen Raum kommt.

00:10:06: Und dort ist der Rechtsmediziner

00:10:08: eine sub-spezialisierung des Pathologen.

00:10:11: Das heißt, man muss zunächst mal Pathologe werden

00:10:13: und sich dann spezialisieren, als Forensic Pathologist

00:10:16: und dann Rechtsmedizin sozusagen machen

00:10:19: und sich eben mit nicht-natürlichen

00:10:21: oder auch unklarntholes Fällen beschäftigen.

00:10:23: Und daher kommt dieses Missverständnis.

00:10:25: Also wir sind hier in Deutschland komplett getrennt,

00:10:28: Pathologie und Rechtsmedizin.

00:10:30: Es gibt einen eigenen Facharzt für Rechtsmedizin,

00:10:32: genauso wie es in Facharzt gibt für Chirurgie

00:10:34: oder Augenhalken oder so.

00:10:36: Und auch ein Facharzt für Pathologie.

00:10:38: Also technisch machen wir eigentlich im Konzip dasselbe,

00:10:43: aber haben einen ganz anderen Ansatz.

00:10:45: Der Bereich der Rechtsmedizin, was Sie es erwähnt haben,

00:10:48: die Fernsehserien untergleichen,

00:10:50: da wurde ja früher geprägt von den Tatorten

00:10:53: und Krimisieren dieser Welt.

00:10:55: Da hat man meistens eine Leichenhalle gehabt

00:10:58: und dann irgendwo ging eine Tür auf

00:11:00: und jetzt oben einer raus mit Zettel am Fuß

00:11:02: und dann war alles Licht und blasse Menschen.

00:11:05: Aber in den letzten 10, 15 Jahren haben das ja gerade

00:11:09: durch amerikanische Serien, hat dieser Beruf ja eine ganz neue,

00:11:13: was nicht so Platt, Sexiness bekommen.

00:11:16: Gerade diese Navy CIS-Geschichten oder eben Miami CIS.

00:11:21: Das waren ja Serien, Warnserien, die immer noch gezeigt werden,

00:11:24: die eine hohe Ästhetik da reingebracht haben,

00:11:26: die diese Arbeit auch noch auf eine ganz besondere Art und Weise

00:11:29: dann auch uns greifbar gemacht haben.

00:11:31: Die diese Arbeit auch selbst in den Kern

00:11:34: auf der Ermittlungen gestellt haben

00:11:36: oder als wesentlichen Teil der Ermittlungen

00:11:38: auch eben dargestellt haben.

00:11:40: Wie nah dran oder wie weit weg sind diese Darstellungen

00:11:44: vom tatsächlichen Berufsalltag?

00:11:47: Also ich muss einschränken dazu sagen,

00:11:49: dass Sie diese Serien jetzt nicht alle Antiteil kennen,

00:11:52: denn ich bin auch froh, wenn ich irgendwann Feierabend hab

00:11:54: und guck mir das also jetzt nicht noch ahnende lang an,

00:11:56: aber ich weiß natürlich, was da gezeigt wird.

00:11:58: Und das ist zum Teil schon wirklich ein Zerrbild.

00:12:01: Also es geht damit los, dass wir zum Beispiel niemals alleine obduzieren.

00:12:06: Das dürfen wir gar nicht nach Schlafprozessorgen.

00:12:08: Eine Obduktion muss in Deutschland von zwei Ärzten durchgeführt werden,

00:12:12: wovon einer Facharzt sein muss, für rechts und rechts hin.

00:12:15: Dass also einer alleine im Keller bei schlechten Licht,

00:12:20: wie Sie gesagt haben, allein schon, das geht ja nicht.

00:12:22: Wir wollen ja sehen, was wir da präparieren.

00:12:24: Es steht und vielleicht noch neben der Laagenbrötchen ist,

00:12:27: das gibt es natürlich nicht.

00:12:29: Aber das war früher.

00:12:30: Also jetzt ist ja jetzt alles bunt und digital und unglaublich interessant.

00:12:36: Ja, ja, ich verstehe schon, was Sie sagen wollen,

00:12:38: aber auch das ist zum Teil ein Zerrbild.

00:12:40: Also wir sehen ja auch in diesen Serien,

00:12:42: häufig dass auch die Protagonisten da die Ärzte dann selbst ermitteln

00:12:46: und dann wird noch das Kind, der Ärzte entführt

00:12:50: und das wird alles dramatisch und so weiter.

00:12:52: Also so ist es natürlich nicht,

00:12:54: sondern wir sind ein ganz kleines Rädchen,

00:12:57: im weitesten Sinne im Justizapparat

00:13:00: und tragen eben mit unserem medizinischen Background dazu bei,

00:13:04: Todesfälle aufzuklären.

00:13:06: Das sind nicht zwingend Tötungslegte.

00:13:08: Wie gesagt, zu viel gemordet wird in Deutschland nicht.

00:13:10: Wir leben jetzt nicht in Mexiko oder irgendwo anders,

00:13:13: sondern unsere tägliche Arbeit sind sozusagen nicht unbedingt Tötungslegte,

00:13:18: sondern wir haben es viel zu tun mit einfach unklaren Todesfällen.

00:13:21: Denn die äußere Leichen,

00:13:23: lassen Sie mich das noch sagen,

00:13:25: die äußere Leichenschau, insbesondere durch ungeübte,

00:13:28: ist ein schlechtes diagnostisches Mittel.

00:13:30: Also Sie können, das ist ja auch völlig klar,

00:13:32: Sie können von außen eben nicht alles sehen.

00:13:34: Wenn Sie es könnten, dann müsste es Leute wie uns gar nicht geben,

00:13:37: aber Sie können das eben nicht.

00:13:39: Und gerade, und das ist vielleicht auch ein bisschen der Brückenschlag

00:13:41: zum Rettungsdienst,

00:13:42: und hat ja im Rettungsdienst häufig mit Verstorbenen zu tun,

00:13:45: die man nicht kennt, zum Glück, zum Glück.

00:13:47: Aber der Notarzt fährt ja in aller Regel zu Patienten,

00:13:51: die er nicht kennt.

00:13:52: Das heißt, es gibt vielleicht keine medizinischen Informationen,

00:13:56: oder sie sind nur spärlich oder so.

00:13:58: Und man muss sich dann auf das fest,

00:14:00: auf das zurückziehen, was man selbst feststellt mit seinen Sinnen.

00:14:03: Und das ist eben manchmal nicht besonders viel,

00:14:07: sondern wenn man die Übung nicht hat.

00:14:09: Man braucht dafür auch nicht zwingend ein sechsjähriges Medizinstudium.

00:14:12: Wir erleben ganz häufig, dass Polizisten

00:14:14: viel bessere Leichen schauen machen als Ärzte.

00:14:16: Weil sie es einfach häufiger tun.

00:14:18: Also es ist nicht Rocket Science, es ist nicht Atomphysik.

00:14:21: Es hat ganz viel zu tun mit Erfahrung.

00:14:24: Und jetzt schlage ich wieder ein bisschen die Brücke zu den Serien,

00:14:27: wo alles neu und funky und digital und KI und so weiter ist.

00:14:31: Ich glaube nicht, dass das der Weg ist,

00:14:33: den die Rechtsmedizin eines Tages gehen wird.

00:14:36: Denn Rechtsmedizin hat immer noch ganz viel zu tun,

00:14:39: gerade die Befundinterpretation mit Erfahrung.

00:14:43: Mit eigener Erfahrung.

00:14:45: Und ich, vielleicht reicht meine Fantasie da auch nicht aus.

00:14:48: Aber ich sehe im Moment nicht, dass das digital gelastet werden kann.

00:14:53: Und was wir auch in den Serien ja ganz häufig sehen,

00:14:56: DNA, der neue Game Changer, ist auch so.

00:15:00: Aber eine DNA-Untersuchung dauert eben nicht nur 40 Minuten,

00:15:03: sondern auch zwei Wochen.

00:15:05: Jetzt fragt man sich natürlich der Rechtsmediziner.

00:15:08: Sie haben es beschrieben, der hat ja jeden Tag

00:15:11: entweder direkt oder indirekt zu tun mit dem Tod,

00:15:14: mit Leichen, mit Dingen, die die meisten Menschen

00:15:18: von sich fernhalten, am liebsten auch fernhalten wollen,

00:15:22: die für viele auch unangenehmes sind, nicht das richtige Wort.

00:15:26: Aber tatsächlich, die man am liebsten nicht in seinem Leben lässt,

00:15:30: weil das ein an die eigene Endlichkeit erinnert

00:15:33: und B, das ist etwas ganz Furchtbares.

00:15:35: Jetzt haben Sie das auf andere Weise ja zu Ihrem Beruf gemacht.

00:15:39: Können Sie uns ein bisschen mal erklären, wie es dazu kam,

00:15:42: was die Faszination für Sie ausgemacht hat

00:15:44: und warum Sie Rechtsmediziner geworden sind?

00:15:48: Ja, das will ich gerne tun.

00:15:50: Am Ende war es alles Zufall.

00:15:52: Also ich komme nicht außer Arzt für mich.

00:15:54: Ich bin auch nicht jemand, der schon jetzt mit drei Jahren

00:15:57: im Garten schon die Igel schon obduziert hat

00:15:59: aus dem Pässe oder so, überhaupt nicht.

00:16:03: Sondern eigentlich begann es am 1. Februar 1996.

00:16:08: Da hatte ich als Fahranfänger ein Schwerverkässungsverband.

00:16:11: Oh, Sie waren noch...

00:16:13: Ich war Fahrer.

00:16:14: Ich war noch Schüler, hatte mein Führer schon ein Jahr und einen Tag

00:16:17: und bin auf eine Eisfläche ins Steuer gekommen

00:16:20: und ging also in eine Bushaltestelle noch abrasiert.

00:16:22: Da stammt keiner zum Glück

00:16:24: und bin dann also in ein paar Tende Autos eingeschlagen

00:16:26: durch den Fahrfeder als Veranfänger.

00:16:28: Und war zum Glück nicht besonders schwer verletzt.

00:16:31: Und da kam aber dann ein Rettungswagen.

00:16:33: Und auf dem Rettungswagen saß der Bruder eine Schuhfreundes von mir,

00:16:36: der mich den erkannte und ich dann im Nachhinein erfahren habe,

00:16:40: der macht da Zivildienst.

00:16:42: Ich habe gesagt, Mensch, das ist ja ganz interessant.

00:16:44: War also jetzt nicht wirklich festgelegt.

00:16:46: Gehe ich zum Bund, mache ich Zivildienst oder so.

00:16:48: Aber mit diesem Erlebnis habe ich gedacht,

00:16:50: oh, das ist ja nicht schlecht.

00:16:52: Dann siehst du ordentlich was.

00:16:54: Man bekam damals sogar eine Ausbildung zum Rettungssanitäter.

00:16:57: Das ist jetzt keine Berufsausbildung,

00:16:59: sondern das ist zum 3-Monats-Kurs, das man erst mal erfahren kann.

00:17:01: Und ich habe gesagt, Mensch, mach's das.

00:17:03: Im Monat habe ich gesagt, das machst du das und nimmst es mit.

00:17:06: Und habe dann Zivil gemacht, im Rettungsdienst,

00:17:08: und fand das immer spannend.

00:17:10: Man fährt ja mit Blaulicht durch die Gegend

00:17:12: und trifft immer Menschen in ganz verschiedenen Situationen.

00:17:15: Ich bin jeweilig, der ist auch schnell gelangweilt,

00:17:17: aber das war also nicht der Fall.

00:17:19: Und habe dann gesagt, Mensch, das ist ja spannend.

00:17:21: Das habe ich dann gemacht.

00:17:22: Man kann auch helfen.

00:17:24: Man kann helfen und man kann den in den Notfallmedizin.

00:17:26: Da können wir auch noch mal drüber sprechen.

00:17:28: Ja, mit ganz wenig, ganz viel machen.

00:17:30: Das habe ich ohne großen operativen technischen Aufwundsinnen.

00:17:33: Man hat seine 20-30 Medikamente

00:17:35: und hat seine vielleicht 15-20 Maßnahmen,

00:17:37: die man vorhin machen kann.

00:17:39: Und da kann man schon Schmerzen nehmen, Karslauf stabilisieren

00:17:42: und die Worte ins Krankenhaus bringen,

00:17:44: wo dann letztendlich auch die Medizin passiert.

00:17:46: Ich fand das irgendwie sehr schnell, sehr gut.

00:17:48: Und konnte da ganz viel mit anfangen.

00:17:50: Aber dann wird ein Zivil jetzt fertig.

00:17:52: Und habe gedacht, ja, und jetzt.

00:17:54: Und habe gedacht, na ja gut, das bist du Sanni,

00:17:56: also Rettungssanitäter, das ist ja noch keine richtige Berufsausbildung.

00:17:59: Ich habe dann eine kleine Kurs erstmal,

00:18:01: da kannst du ja ein bisschen noch drauf aufsatteln.

00:18:03: Und habe dann eine Fortbildung oder Weiterbildung gemacht

00:18:05: zum Rettungsassistenten in Bremen.

00:18:07: Am ASB, das konnte ich dann verkürzen,

00:18:09: weil ich vorhin schon Sanni war und eine gewisse Stundenanzahl hatte,

00:18:12: habe den halben Jahr in Bremen gelebt und war dann Rettungsassistent.

00:18:15: Und habe gedacht, okay, das Ticket hast du jetzt und jetzt.

00:18:18: Wie geht es jetzt weiter?

00:18:20: Ja, und habe dann irgendwie von vielen Kollegen mitbekommen,

00:18:23: dass natürlich dann im Prinzip die Karriere auch ein Stück weit zu Ende ist.

00:18:27: Das ist körperlich schwere Arbeit, das ist Schichtdienst.

00:18:30: Und es gibt genug, vielleicht sogar Menschen, die uns heute zuhören,

00:18:34: die im Rettungsdienst gearbeitet haben und noch arbeiten,

00:18:36: wo man dann merkt, ich weiß, ich mache darüber nicht mehr mit,

00:18:38: und dann kann man eigentlich nur noch in der Leitstelle sitzen.

00:18:41: Ich habe gesagt, Mensch, willst du das? Willst du das?

00:18:44: Ich dachte, nee, eigentlich kannst du noch ein bisschen mehr machen.

00:18:47: Und habe dann, weil viele meiner Freunde damals das gemacht haben,

00:18:50: eine kaufendische Ausbildung draufgesattelt.

00:18:52: Ja, ich bin also Industriekaufmann.

00:18:54: Und habe dann also angefangen,

00:18:56: bei einer großen Farmerfirma damals Industriekaufmann zu machen.

00:18:59: Und habe parallel in meinem Rettungsdienst gearbeitet,

00:19:01: nachts und am Wochenende einfach um auch Geld zu verdienen.

00:19:04: Und das ist natürlich ein Sparkard, den man da macht.

00:19:07: Ja, tagsüber.

00:19:08: Mussten Sie auch anklotzen wahrscheinlich?

00:19:10: Ja, ja, klar.

00:19:11: Also, wenn man dann am Wochenende, sagen wir mal,

00:19:13: jemanden unter der Bahn rauszieht,

00:19:14: einen Einzelteil und am Wochenende am Montag morgens macht,

00:19:16: im Büro Datenfliege macht,

00:19:18: das kriegt man in den Fall nicht mehr zusammen.

00:19:20: Das ist dann schwierig.

00:19:21: Aber ich habe es trotzdem, also zu Ende gemacht dieser Ausbildung,

00:19:24: habe mich auch reingänglich verkürzen wollte

00:19:26: und auch schnell damit fertig werden wollte.

00:19:28: Und war dann 23 und hatte dann zwei Berufe gelernt,

00:19:31: die ich aber eigentlich nicht arbeiten wollte.

00:19:33: Tja.

00:19:34: Dann sagte meine damalige Freundin auch,

00:19:36: studiere doch Medizin.

00:19:37: Das machen noch ganz viele.

00:19:39: Also, das ist so der ganz klassische Karriere früher gewesen,

00:19:42: als es den Ziviliens doch gab,

00:19:43: dass irgendwie Leute erstmal in die Zivilien

00:19:45: so ein bisschen reinstolpern,

00:19:46: in den weitesten Sinne der totalmedizinischen Bereich.

00:19:48: Und dann aber so ein bisschen da angefixt sind,

00:19:50: Blutlecken und dann häufig Medizin studieren.

00:19:53: Also, es gibt ganz viele Ärzte, die diesen Weg gegangen sind.

00:19:55: Und ich habe gesagt, na ja gut, warum eigentlich nicht.

00:19:57: Und habe dann mit 23 tatsächlich angefangen,

00:19:59: Medizin zu studieren, und zwar um Notarzt zu werden.

00:20:02: Denn das kannte ich ja schon.

00:20:03: Ja, und fand das auch immer spannend.

00:20:05: Und Redungsdienst ist digital.

00:20:06: Man hasst es oder man liebt es.

00:20:08: Also, was dazwischen gibt es eigentlich nicht.

00:20:09: Und ich habe es immer geliebt.

00:20:10: Witzig.

00:20:11: Ich war auch 23, als ich begonnen habe zu studieren,

00:20:13: weil ich hatte auch eine Ausbildung gemacht,

00:20:14: weil dann zwei Jahre bei der Bundeswehr oder andersrum.

00:20:16: Und man ist ja dann schon ein bisschen älter als dann.

00:20:19: Man ist schon ein bisschen älter, nicht?

00:20:21: So, da komme ich nämlich...

00:20:22: Aber auch fokussierter.

00:20:23: Ja, aber man ist auch älter.

00:20:25: Und da komme ich, das wird gleich noch wichtig.

00:20:28: Ich habe dann nämlich Medizin studiert in Hamburg,

00:20:30: um im Prinzip Notarzt zu werden.

00:20:32: Ich habe mein Studium auch anästhesiologisch ausgerichtet,

00:20:34: denn die meisten Notärzte sind nun mal Anästhesisten.

00:20:37: Es geht auf der Straße ja nicht darum,

00:20:39: jetzt im Blindarm rauszunehmen oder einen Kopf zu operieren,

00:20:41: sondern es geht darum, Schmerzen zu nehmen,

00:20:44: den Kreislauf zu stabilisieren und Leute ins Krankenhaus zu bringen.

00:20:47: Das können Anästhesisten eben von der Ausbildung her am allerbesten.

00:20:51: Ja, und dann habe ich also gesagt,

00:20:53: gut, dann wirst du jetzt Anästhesist und Notarzt.

00:20:55: Dann habe ich mein Studium auch so ausgerichtet,

00:20:57: also die meisten Formulaturen, also Praktika,

00:20:59: in der Anästhesie gemacht.

00:21:01: Und habe auch in der Anästhesie immer Doktorarbeit geschrieben damals

00:21:04: und so weiter.

00:21:05: Und habe dann aber ein Praktikum mal gemacht

00:21:07: in der Rechtsmedizin in Hamburg.

00:21:09: Weil ich gedacht habe, das siehst du nie wieder.

00:21:11: Wenn du erstmal Anästhesist bist und in der Klinik bist,

00:21:13: das siehst du nie wieder.

00:21:15: Und das guckst du dir immer an und die Chance nützt du in meinem Studium

00:21:17: bis du ein bisschen über Teller guckst.

00:21:19: Wir kannten das aus dem Rettungsdienst ein bisschen,

00:21:21: weil wir in Hamburg damals, ich glaube heute ist es auch noch so,

00:21:23: Leichen fahren mussten mit Rettungswahlen,

00:21:25: wenn die an öffentlichen Orten liegen.

00:21:27: Also wenn jemand auf der Autobahn verstirbt oder so,

00:21:29: dann hat der Rettungswagen den meistens eingeladen

00:21:31: und in die Rechtsmedizin gebracht.

00:21:33: Und er kannte ich das ein bisschen gesagt,

00:21:35: das guckst du dir jetzt einmal an.

00:21:37: So, und bin dann ziemlich zum Ende des Studiums,

00:21:39: damals gewesen für vier oder sechs Wochen als Student,

00:21:43: fand das auch ganz interessant,

00:21:45: aber habe das für mich nicht als Perspektive gesehen.

00:21:48: So, die Leute fand ich auch alle da nett und so.

00:21:51: Und bin da dann so ein bisschen einfach über persönliche Kontakte hängen geblieben.

00:21:55: Und ich schreib gerne.

00:21:57: Und das ist ja die Währung an Universitäten sozusagen,

00:22:00: nicht wer schreibt, der bleibt, Publish oder Parish.

00:22:03: Und das waren ja damals auch schon klar.

00:22:05: Und das ist mir eigentlich immer recht leicht gefallen.

00:22:07: Und in der Rechtsmedizin ist es so jede weichende Geschichte.

00:22:10: Und wenn diese Geschichte eben außergewöhnlich genug ist,

00:22:13: medizinisch oder auch von den Umständen her,

00:22:15: dann kann man die aufschreiben und dann kann man die irgendwie

00:22:18: Kollegen präsentieren auf Kongressen zum Beispiel als Aufsatz.

00:22:21: Und das habe ich damals gemacht und zwar auch mit den kleinen Hintergedanken,

00:22:25: denn ich war ja eben schon älter als meine Kommiliton

00:22:28: mit den beiden Ausgaben vor.

00:22:30: Ich habe gedacht, naja, dann machst du mal so ein bisschen Lebenslaufkosmetik,

00:22:33: weil ich wollte auch immer an die Uni,

00:22:35: weil ich ihm auch gerne schreibe und dann habe ich gesagt, naja,

00:22:37: hast du das schon mal als Student auf der Haben-Seite

00:22:39: und dann ist es vielleicht ein kleiner Selektionsvorteil.

00:22:42: Und bin deswegen in der Rechtsmedizin,

00:22:44: das war aber eigentlich eher accidentally immer so ein bisschen

00:22:47: im Gespräch geblieben und immer dran geblieben

00:22:49: und hatte immer so ein bisschen das Ohr am Puls der Zeit

00:22:51: und habe als Student schon mal ein, zwei Sachen aufgestrieben,

00:22:53: wo auf Kongressen mal gewesen und so weiter.

00:22:55: Aber habe das für mich nie als Perspektive gesehen.

00:22:57: Und da war der Studium zu Ende.

00:22:59: Und dann habe ich gesagt, so, und jetzt wirst du alles assist.

00:23:03: Und habe dann mich beworben in großen als desilogischen Kliniken.

00:23:06: Die haben dann aber gesagt, sie haben leider keine Stellen im Moment.

00:23:09: Und ich dazu kam, mich für weitere an des desilogischen Stellen zu bewerben,

00:23:14: in und um Hamburg.

00:23:16: Da hat mich Prof. Zockers aus der Rechtsmedizin in Hamburg damals angesprochen,

00:23:20: den ich dann eben kannte durch die Formulatur und die Zeit danach.

00:23:23: Der sagte, ja, ich gehe jetzt nach Berlin an die Charité

00:23:26: und werde dort der Chef.

00:23:28: Kommst du mit? Boah.

00:23:30: Da habe ich mich natürlich erst mal hingesetzt.

00:23:32: Ich habe gesagt, Mensch, ein anderes Haus, ein anderes Stadt.

00:23:35: Ich habe dann überlegt, wie oft wird es hier passieren,

00:23:38: dass die Größe und die Klinik Europa es dich fragt,

00:23:40: ob du dir vorstellen könntest, dort anzufangen.

00:23:42: Es wird dir genau einmal passieren.

00:23:44: Das ist die Charité.

00:23:45: Das ist die Charité.

00:23:46: Die Charité ist meiner Kindesnach, oder was da war ich,

00:23:48: ich glaube heute auch noch, die Größe und die Klinik Europas.

00:23:50: Ich habe gesagt, okay, das musst du machen.

00:23:52: Das musst du machen.

00:23:53: Und bin dann als 27, sondern als 27, nach Berlin gegangen,

00:23:56: um dort Rechtsmedizin zu machen und Rechtsmedizin zu lernen.

00:24:00: Da denkt man auch, Mensch, bellen die in diese große Stadt,

00:24:03: diese Internationalität, diese vielen Fälle, die es da gibt.

00:24:07: Ja, da habe ich mir vorher gar keine Gedanken drüber gemacht,

00:24:10: sondern ich war eigentlich froh, dass ich einen Job hatte,

00:24:13: wo ich jetzt nicht groß noch Bewerbungsverfahren durchlaufen musste.

00:24:17: Okay, dann machst du das jetzt und guckst dir das mal an.

00:24:19: Das eigentlich eher so von der Erlebnisseite betrachtet.

00:24:22: Und ich habe dann ziemlich schnell gemerkt,

00:24:24: dass das ein gutes Fach ist.

00:24:26: Es ist vielseitig.

00:24:27: Also man hat die nicht nur mit Toten zu tun,

00:24:29: dann werden wir wahrscheinlich auch noch nach Hellerschein,

00:24:31: auch mit Lebenden.

00:24:32: Rechtsmedizin ist fast immer universitär.

00:24:34: Das heißt, man macht auch Lehrer, hat also mit Ständen zu tun,

00:24:36: ist eine Ausbildung unterwegs.

00:24:38: Man geht zu Gericht, vertritt dort seine Fälle und so weiter.

00:24:41: Also es ist sehr, sehr vielseitig.

00:24:43: Und habe dann ziemlich schnell gemerkt,

00:24:45: das ist ja am wahrsten Sinne also artgerechte Haltung.

00:24:48: Und bin aber natürlich immer so ein bisschen,

00:24:51: also wenn ich den Somatishorn gehört habe,

00:24:53: habe ich schon gedacht, naja, sie spielen unser Lied.

00:24:55: Also man wird das nicht so richtig los.

00:24:57: Und habe dann über die Jahre auch durch Kontakte zu klinischen Kollegen,

00:25:01: aus der Unfallchirurgie, aus der Anesthesiologie,

00:25:04: haben wir einfach gewisse Notfallmedizinische Forschungsideen entwickelt.

00:25:09: Und das hat dann nach Jahren irgendwann auf Früchte getragen,

00:25:13: weil wir da so ein paar Sachen gemischt haben,

00:25:16: die es vorher offensichtlich nicht gab,

00:25:18: auch in der interdisziplinären Zusammenarbeit.

00:25:21: Und ja, am Ende hat das dann dazu geführt,

00:25:24: dass ich heute da bin, wo ich bin.

00:25:26: Also es war tatsächlich Zufall

00:25:28: und war jetzt nicht irgendwie getrieben von der Todessehensucht.

00:25:32: Wieso? Es war tatsächlich alles Zufall.

00:25:35: Jetzt haben Sie jetzt tatsächlich oftmals Kontakt mit dem Tod,

00:25:39: mit Toten.

00:25:40: Ist das für Sie, ich würde mal sagen, ganz normal

00:25:43: oder sehr professionell?

00:25:46: Wie war es zum ersten Mal?

00:25:48: Können Sie sich noch an Ihre erste Leiche erinnern?

00:25:51: Wie war das?

00:25:52: Hat sich das im Laufe der Zeit versachlicht?

00:25:55: Sehen Sie es jetzt rein professionell?

00:25:57: Vielleicht nehmen Sie uns da mal mit,

00:25:59: weil es ja doch eine Welt ist,

00:26:01: die für Sie und für viele Mediziner, glaube ich auch,

00:26:04: natürlich sehr gegenwärtig ist,

00:26:06: für Menschen, die Interesse daran haben,

00:26:09: ja nicht so ganz klar.

00:26:11: Und deswegen wäre es natürlich wunderbar,

00:26:13: besser da einmal mitnehmen.

00:26:15: Ich würde mich gerne versuchen.

00:26:17: Also die erste Leiche, die ich gesehen habe, war mein Großvater.

00:26:20: Da war ich 16, der also aufgebart im Sarg lag.

00:26:22: Da war ich eher traurig und habe jetzt für die Leiche

00:26:25: als solche gar nicht so wahrgenommen.

00:26:27: Dann die erste Leiche, die ich beruflich gesehen habe,

00:26:30: war im Rettungsdienst an meinem ersten Tag, der erste Einsatz,

00:26:33: im Hochsommer, in der Wohnungsöffnung,

00:26:35: wo jemand sechs Wochen auf deiner Flette saß.

00:26:38: Also das vergisst man nicht, das kann ich Ihnen sagen.

00:26:41: Daran gewöhnt man sich auch nicht.

00:26:43: Der Leiche in der Rechtsmedizin war tatsächlich

00:26:45: ein junger Mann, der sich suicidiert hatte,

00:26:47: der sich erhangen hatte.

00:26:49: Und das war also meine erste Obduktion.

00:26:51: Das macht man ganz häufig in der Rechtsmedizin,

00:26:54: dass man eben gerade die jungen Assistenten

00:26:57: zu gesunden, jungen Leichen stellt,

00:26:59: die keine besonders schwierig zu erhebenen Befunde haben.

00:27:03: Und natürlich hat man da irgendwie Respekt davor,

00:27:07: aber dadurch, dass man eben das häufig macht

00:27:10: und täglich macht, gewöhnt man sich dran.

00:27:12: Und der Mensch ist ein Gewohnheitstier,

00:27:14: das ist in jedem Beruf so.

00:27:16: Und dann fragen Sie mal den Finanzbeamten,

00:27:18: wie viel Steuererklärung der bearbeitet hat.

00:27:20: Da hängen auch Schicksale dran zum Teil.

00:27:22: Das weiß der auch nicht mehr.

00:27:24: Und natürlich gibt es immer wieder Fälle,

00:27:26: die rausstechen, also wo dann da rechts wird ziehen,

00:27:29: wie auch im Rettungsdienst, was ich denn da zehn Jahre gemacht habe.

00:27:32: Und ich muss aber sagen, ich habe das ein bisschen,

00:27:34: meine Biografie so ein bisschen erzählt,

00:27:36: so eine Frage werden mir nicht selten gestillt,

00:27:38: also wie geht man damit um oder so.

00:27:40: Ich habe zehn Jahre lang mit Menschen gearbeitet,

00:27:43: die zum Teil von meinen Augen verstorben sind.

00:27:47: Also von den Augen verbrannt, im Pkw-Ei in Klent,

00:27:51: was weiß ich, in den Armen gestorben.

00:27:53: Das kommt alles vor.

00:27:55: Als Rettungsdienst.

00:27:57: Ja, das kommt vor.

00:27:59: Und das ist viel belastender,

00:28:01: als Menschen zu arbeiten, die es in Art viel bestrichend hinter sich haben.

00:28:05: Du hast schon gesagt, wir beide haben es noch vor uns.

00:28:07: Aber das ist etwas ganz anderes.

00:28:10: Und dadurch, dass ich eben diese Rettungsdiensterfahrung

00:28:13: vorher gesammelt habe, auch als junger Mensch,

00:28:15: der sich nicht dann auch etwas, sage ich mal,

00:28:17: ja, fürbarer, prägsamer, formbarer ist,

00:28:21: hatten mich in der Rechtsmedizin eigentlich die Fälle

00:28:24: bis auf wenige Ausnahmen eigentlich nie wirklich erschüttert.

00:28:29: Weil wir, und das fällt auch leicht,

00:28:31: weil wir es einfach sehr häufig tun,

00:28:33: einfach auch eine professionelle Distanz haben.

00:28:35: Das ist zum Beispiel, jetzt komme ich wieder auf das Zerrbild zurück,

00:28:38: was im Fernsehen manchmal zu sehen, das aber in den Medien.

00:28:41: Es hat ja bei uns in aller Regel keine soziale Struktur.

00:28:45: Wir arbeiten in unserem Obduktionssaal.

00:28:48: Menschen, die da zum ersten Mal hinkommen,

00:28:50: beschreiben das häufig so, es habe so Werkstattcharakter,

00:28:53: also wie ein OP-Saal.

00:28:55: Das passiert eigentlich bei einer Obduktion genau.

00:28:58: Also bei einer Obduktion besteht aus zwei Teilen.

00:29:01: Das ist auch tatsächlich gesetzlich geregelt in Deutschland.

00:29:04: Da haben wir die äußere Leichenschau

00:29:06: und die äußere Leichenschau.

00:29:08: Und die äußere Leichenschau,

00:29:10: da beschreibt man eben nochmal die Leiche von Kopf bis Fuß.

00:29:13: Von außen, also männliche Leiche, so und so groß, so und so schwer,

00:29:17: die und die Verletzungen, die und die medizinischen Befunde vielleicht,

00:29:20: die und die Namen, die und die Tätowierung.

00:29:22: Und dann, das ist also die äußere Leichenschau und dann schließt sich die innere Leichenschau an,

00:29:26: wo wir, wenn der Zustand der Leiche das gestattet, auch das ist gesetzlich geregelt.

00:29:31: Alle drei Körperhöhlen eröffnen müssen, also Brust, Bauch und Kopf.

00:29:34: Wir schneiden das auf.

00:29:36: Genau, wir schneiden das auf, mit Skalpälen, mit Sandwerkzeugen zu teilen.

00:29:41: Jetzt ist es ganz doof und alle Mediziner werden sagen, mein Gott, wir können das fragen, aber bluten diese Leichen da nicht?

00:29:46: Natürlich gibt es keinen Kreislauf mehr, weil der Mensch tot ist, das heißt, da kommt es nicht zu spritzenden Blutungen oder so, das findet jetzt nicht statt.

00:29:53: Wir arbeiten trotzdem mit Schürzen, und zwar nicht, weil das alles so blutig sei, sondern weil wir ganz viel mit Wasser arbeiten.

00:29:59: Denn wir müssen Befunde auch abspülen, um sie beurteilen zu können.

00:30:02: Das Blut ist natürlich nicht weg, das Gutes im Gefäßsystem oder vielleicht auch irgendwo anders, wo es nicht hingehört.

00:30:07: Bei Magendarmblutung oder Ortenrupturen oder oder oder.

00:30:11: Und das ist schon, gerade für jemanden, der das zum ersten, zweiten Mal sieht, das wird uns immer wieder gespielt, doch schon eine recht blutige Angelegenheit.

00:30:18: Also, um ein Organ beurteilen zu können, bis wir es frei legen, im Grunde oder frei spülen, in diesem Sinne klassisch.

00:30:24: Manchmal, ja. Also, wir nehmen die Organe in aller Regel Paketweise, also im anatomischen Zusammenhang.

00:30:30: Wir nehmen die richtig raus.

00:30:32: Genau, wir nehmen die richtig raus.

00:30:33: Und zwar nach einer Technik, die, ich glaube, ich weiß, ich denke, es ist wirche, auf den es letztendlich zurückgeht, also auch schon weit über 100 Jahre.

00:30:43: Aber das ist kein Problem, denn der Mensch hat sich anatomisch ja nicht geändert.

00:30:46: Ja, und wir bedienen uns also dieser Technik.

00:30:48: Wir nehmen die Organe Paketweise und sie zieren dann, also Sikare schneiden lateinisch, sie zieren dann diese Organe in bestimmten medizinisch sinnvollen Art und Weise.

00:31:00: In den Stücke raus, sie schneiden sie relativ durch.

00:31:04: Das ist unterschiedlich.

00:31:05: Also, eigentlich ist eine Obduktion oder die Direktion eines Organes, das ist eigentlich ganz einfach.

00:31:09: Alles, was eine Lichtung hat, also was ein Lugen hat, ein Gefieß zum Beispiel, das schneiden wir auf.

00:31:14: Und alles, was kein Lugen hat, was also kompakt, kompaktes Gewebe ist, das schneiden wir durch, das labellieren wir und können das dann beurteilen.

00:31:23: Machen Sie alles bei allen oder gehen Sie auf ein bestimmtes Organ, wo da Fragen sind?

00:31:29: Nein, wir machen immer alles bei allen.

00:31:31: Das müssen wir auch.

00:31:32: Die Pathologen über die ich vorhin sprach, die dürfen Teilsektionen machen, die dürfen also das Herz exenterieren, so heißt es, also aus dem Körper hinausnehmen, dürfen das Herz jetzt hierher und dürfen sagen, Herz im Fall Obduktion zu Ende.

00:31:44: Wir dürfen es tatsächlich nicht, sondern müssen uns immer alles ansehen, man kann ja auch Läuse und Flühe haben.

00:31:50: Im wahrsten Sinne des Wortes.

00:31:52: Das heißt, wenn wir jetzt also ein Herz obduzieren oder einen Herz untersuchen, einen Herz aufschneiden und finden einen Befund, der für uns in Todes Eintritt hinreichend erklärt, dann ist die Obduktion damit nicht zu Ende, sondern wir machen tatsächlich alle drei Körpeln und gucken uns alle Organe an.

00:32:08: Da wir alle Krimis und Kriminalfälle kennen, kennen wir auch Fälle, wo ein Befund vorgetäuscht wird, damit man nicht auf die wahre Todesursache kommt.

00:32:21: Und deswegen könnte natürlich ein Organ in einer bestimmten Art und Weise geschädigt sein, aber ein anderes hat den Ausschlag gegeben dafür, dass der Patient verstorben ist.

00:32:30: Genau, dafür machen wir eine Obduktion, weil man eben von außen nicht alles sehen kann.

00:32:34: Also, dass wir jetzt wissentlich auf eine falsche Fährte geführt werden sollen, das ist, glaube ich, auch eher so im Bereich der True Crime Geschichte anzusiedeln.

00:32:43: Das kommt eigentlich nicht vor.

00:32:45: Geben wir noch mal, was ich darf, Professor Buschmann, noch mal weiter, damit wir uns auch einmal vorstellen können, der Patient ist es ja nicht mehr die Leiche.

00:32:54: Korpus liegt dann dort, sie entnehmen die Organe nach der Wörchio, wahrscheinlich Wörchiumethode, und was machen Sie damit?

00:33:01: Haben Sie einen besonderen Tisch, wo Sie das dann drauflegen, die Organe, in die Sie sie ziehen?

00:33:06: Genau, das kennt man ja aus dem Fernsehen, wir haben also große Stahltische, die am Fußende ein Wasser wecken haben, weil wir eben häufig Dinge abspülen müssen

00:33:14: und haben dann einen Organ-Tisch, wo wir also, der ist vielleicht so ein Meter mal 50 Zentimeter groß, wo wir eben dann sozusagen auf Arbeitshöhe dann die Organe präparieren, und das tun wir dann.

00:33:29: Und am Ende der Sektion entnehmen wir in aller Regel aus jedem Organ ein glitze kleines Stück Gewebe, legen das in Formalin ein, damit eben sozusagen die Fäule nicht fortschreitet.

00:33:41: Und damit man immer noch mal vielleicht kein Geweblicher Untersuchung machen kann, oder wir nehmen bestimmte Asservate für toxikologische Untersuchungen, bestimmte Körperflüssigkeiten und geben aber natürlich die Organe danach der Leiche zurück.

00:33:55: Das heißt, die Leiche wird dann beerdigt oder verbrannt oder das auch immer mit den Organen, selbstverständlich.

00:34:03: In der Reihenfolge wieder, wie Sie entnommen haben?

00:34:05: Das machen wir natürlich nicht, das können wir auch gar nicht, das wäre auch viel zu aufwendig, aber wir geben sozusagen in die Körper die Organen zurück.

00:34:13: Jetzt gibt es natürlich auch, Sie haben es beschrieben, Ihre ersten Fälle, besonders emotional belastende Fälle. Wie gehen Sie damit um?

00:34:23: Das muss jeder für sich selbst herausfinden. Ich war immer in der glücklichen Situation und bin es bis heute und da bin ich sehr dankbar für, dass ich ein funktionierendes, privates Umfeld habe, wo ich also mein, ja, das ist auch mein Anführungsstrichen, Müll auch abstellen kann.

00:34:40: Und es hilft über Dinge zu reden, das ist für mich, das mag bei anderen Menschen anders sein, aber ich muss über Dinge, die mich bewegen, sprechen.

00:34:50: Und ich muss das mit mir vertrauten Menschen machen und dann ist es auch okay, dann ist es okay.

00:34:57: Und dadurch, dass wir eben, das hatte ich ja vorhin so kurz angedeutet, dass es bei uns keine soziale Struktur hat, wir sehen ja selten Angehörige zum Beispiel, das macht es für uns eben einfach.

00:35:11: Und wir haben auch einen hohen Durchsatz. Also, wenn man sich mit jedem Fall, mit jedem einzelnen Fall so tragisch er auch ist für sich genommen, ganz ohne Zweifel, persönlich emotional beschäftigen würde, dann könnte man diese Arbeit gar nicht tun.

00:35:25: Wollte ich heute sagen, zum Beispiel der erste Fall, der Sie in dieser Funktion als Rechtsmediziner beschäftigt hat, der Suizid des relativ jungen Menschen, kann man ja auch auf die Idee kommen, oh Gott, was hat Ihnen dazu gebracht, was ist das für ein Schicksal?

00:35:38: Ja, aber das wäre der völlig falsche Fokus, denn da geht es letztendlich darum, zu lernen und beigebracht zu bekommen, wie gehe ich technisch mit dieser Leiche um und wie ordne ich Befunde ein.

00:35:49: Und wenn ich sie zum zweiten Mal sehe, vielleicht drei Tage später, dann habe ich schon mal gesehen und weiß, aha, das geht vielleicht in diese Richtung. Also diesen Fokus hat man ja gar nicht.

00:35:58: Man braucht wahrscheinlich auch einen gewissen Schutzmechanismus, ansonsten kann man ja auch nicht funktionieren in dieser...

00:36:05: Also ich kann das gar nicht greifen. Ich weiß, dass es mir schon zu Rettungssitzzeitend immer möglich war, ich kann Ihnen gar nicht sagen, warum.

00:36:12: Vielleicht ist es ein Erbemann des Großvaters, der Berufsfeuerwehrmann war, weiß ich nicht, aber ich konnte in aller Regel mein Jacke abends in den Spintängen und dann war es auch gut.

00:36:19: Gott sei Dank, weil dann kommt der Feuerwehrmann am nächsten Tag nämlich wieder zu seiner Arbeit und Sie können Ihre Arbeit weiter leisten.

00:36:25: Gibt es eigentlich auch Fälle, wo Sie zu lebenden oder noch lebenden Patienten hinzugezogen werden, um Verletzungsmuster zu...

00:36:33: Die gibt es auch, das ist nämlich auch ein Aspekt der Rechtsmedizin, der medial überhaupt nicht beleuchtet wird.

00:36:41: Wir untersuchen auch Lebende. Das ist die sogenannte klinische Rechtsmedizin, eine Säule unseres Fachs neben der forensischen Morphologie, wo es also um die Untersuchung von Verstorbenen geht.

00:36:53: Denn wir sehen geschädigte und beschuldigte, so nennt sich das im juristischen Jagon, und untersuchen zum Beispiel tatverdächtige körperlich im Hinblick auf Verletzungen, die vorliegen oder die, die nicht vorliegen.

00:37:06: Also passt der Befund, den wir feststellen oder auch nicht vorstellen, passt jetzt zu der Geschichte, die der Tatverdächtige vielleicht erzählt.

00:37:13: Können Sie ein Beispiel nennen?

00:37:15: Ja, natürlich. Also lassen Sie uns vorstellen, jemand geht auf einen anderen mit einem Messer los und das kommt zu einem Tönnissen liegt.

00:37:25: Und die Obduktion wird dann gemacht von uns. Wir stellen fest, das war ein Stich ins Herz vielleicht, und wir stellen aber in der Rechtsmedizin sind ja auch negativ befunde wichtig.

00:37:36: Also es ist genauso wichtig, was wir nicht sehen, wie das, was wir sehen. Und vielleicht jetzt mal rein hypothetisch gesprochen, hat dieser Mensch, der am Herzstich verstorben ist,

00:37:44: vielleicht gar keine Verletzungen an den Händen durch ein Messer, was wir interpretieren würden als Abwehrverletzung.

00:37:49: Ja, wenn man also in ein Messer greift oder sich versucht, vor allem als sehr bewährten Angarfer zu schützen.

00:37:54: Das hat der nicht. Das dokumentieren wir natürlich auch. So, und hat die Polizei vielleicht den Täter festgenommen und dann müssen wir den untersuchen.

00:38:00: Und dann hat dieser Tatverdächtige, es ist ja dann in dem Moment noch vielleicht Verletzungen an den Händen, Abwehrverletzung.

00:38:08: Und der erzählt dann vielleicht, der hat mich zuerst mit einem Messer angegriffen, ich konnte mich wehren, konnte ihm das Messer entreißen und hat dann einmal zugestochen.

00:38:17: Und dann muss man sagen, von den Befundenen her, ist denn diese Geschichte, ist das möglich? Kann das sein? Das ist jetzt mal ganz plakativ vielleicht.

00:38:28: Spannend. Und gibt es eigentlich auch Erkenntnisse aus der Rechtsmedizin, die helfen können, Unfälle oder Gewaltverbrechen oder auch Fehler in Zukunft zu verhindern?

00:38:38: Ja, Rechtsmedizin ist immer ein Spiegel der Gesellschaft, immer gewesen. Wir sehen also gesellschaftliche Entwicklungen häufig eins zu eins und benennen die auch wissenschaftlich zum Teil.

00:38:51: Also da geht es beispielsweise um Todesfälle von Obdachlosen oder sowas. Also wie gesagt, immer das, was gerade ansteht sozusagen, Corona zum Beispiel,

00:39:01: das ist ja im Prinzip der einzig positive Aspekt, medizinisch positive Aspekt der Corona-Pandemie gewesen, dass der Wert von Obduktionen wieder ein bisschen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt ist.

00:39:13: Dass man eben gesagt hat, es ist wichtig, das zu machen, als das vielleicht erst klar in dem Schauplatz.

00:39:18: Aber ich persönlich habe mich da wissenschaftlich auch mit beschäftigt, eben auch aus biografischen Gründen.

00:39:23: Ich habe mich befasst mit der Versorgung von Schwerverletzten und der Frage ist dann auch Luft nach oben.

00:39:30: Und diese Frage haben wir bejahen können, bejahen müssen. Das habe ich natürlich nicht alleine gemacht, sondern wir haben das Interdisziplinär durchgeführt damals in Berlin.

00:39:39: Und wenn noch Zeit ist, kann ich es gleich ein bisschen erklären.

00:39:43: Ich habe schon gesprochen über natürliche und nicht natürliche Todesfälle und Schwerverletzte, die versterben, sind ja immer nicht natürlich.

00:39:51: Und sind auch durch eine äußere Leichenschau in der Regel als solche zu identifizieren.

00:39:55: Und wird natürlich nicht jeder Schwerverletze oder jeder nicht natürliche Tod obduziert?

00:40:01: Zwischenfrage erst mal. Was glauben Sie, wie viele Prozent der Verstorbenen in Deutschland rechtsmedizinisch obduziert werden?

00:40:08: 1,3 Prozent.

00:40:10: 2 bis 5.

00:40:11: 2 bis 5.

00:40:12: Ganz so schlimm ist es nicht, aber es sind auch nicht besonders viele.

00:40:16: 5 Prozent ist schon viel.

00:40:18: Skandinavien geht Richtung 30 Prozent.

00:40:22: Die haben ein anderes System.

00:40:24: Aber wie gesagt, 2 bis 5 Prozent in Deutschland.

00:40:27: Warum so viel sind Skandinavien?

00:40:29: Aber die haben wahrscheinlich ein anderes Kriterium.

00:40:32: Ich stecke da jetzt nicht all der Teil drin, das kann ich Ihnen das nicht sagen, aber es gibt Länder, wo eben erheblich mehr auch gemacht wird.

00:40:38: Moskau zum Beispiel, da hatten wir mal einen Gastarzt in Berlin, der von dem Moskauer Rechtsmedizinischen Institut erzählt,

00:40:45: was 9 Stockwerke hat und in jedem Stockwerk Sektionssäle und die machen dort 40.000 Obduktionen pro Jahr.

00:40:52: Wir fragen nicht weiter.

00:40:54: Ja, die machen in Kiel ungefähr 600.

00:40:58: Also wie gesagt, es gibt andere Länder, wo das System ein anderes ist und wo eben auch erheblich mehr aufgeschafft wird.

00:41:05: Ja, aber gemessen an Ihren Äußerungen vorher, was man lernen kann, auch aus Obduktion, auch tatsächlich für die Wissenschaft mitnehmen kann,

00:41:14: ist das natürlich möglicherweise auch eine zusätzliche Erkenntnis, die man da gewinnt.

00:41:18: Genau, also wir haben natürlich, sag ich mal für das ich sage, Patientenpopulationen,

00:41:25: aber sag ich mal Todesumstände, die wir überzufällig häufig untersuchen.

00:41:30: Zum Beispiel Suizide, zum Beispiel vollendes veränderte Leichen, aber auch eben schwer verletzte.

00:41:37: Also Menschen, die traumatisch verstorben sind nach einem Trauma.

00:41:40: Sei es nun Unfall, sei es Suizid, sei es Homizid, sei es also Töneslitt.

00:41:44: So, und diese...

00:41:45: Was ist eigentlich das meiste, was sie beschäftigt?

00:41:48: Also beschäftigt meine ich jetzt nicht im Inneren, sondern die hatte ich täglich beschäftigt.

00:41:52: Das ist im Prinzip der ungeklärte Todesfall.

00:41:55: Das ist der Mensch, der einfach zu Hause tot gefunden wird.

00:42:00: Das ist der Mensch, der im Krankenhaus verstirbt, ohne dass eine großartige Diagnostik gelaufen ist.

00:42:06: Das ist auch der Mensch, der und das ist eben auch nicht selten, das ist sehr häufig.

00:42:12: Tatsächlich vollendes verändert irgendwo gefunden wird, also nach Wochen und Monaten zum Teil nach Jahren.

00:42:18: Ist das bei uns in unserem Land?

00:42:21: Ja, das gibt es.

00:42:23: Und dann ist eben an uns gerade bei den vollndes veränderten Leichen gar nicht die Frage,

00:42:27: woran ist er gestorben, sondern woran ist er nicht gestorben.

00:42:30: Wir obduzieren ja im Auftrag der Staatsanwaltschaft.

00:42:33: Wie kriegen Sie das denn raus?

00:42:35: Ja, das will ich Ihnen erzählen.

00:42:36: Wir obduzieren ja im Auftrag der Staatsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft ist ja kein Mediziner,

00:42:41: sondern der ist sozusagen der Strafverfolger.

00:42:43: Und den interessiert ja am Ende des Zages.

00:42:45: Nicht ist der Mensch verstorben am Herzinfarkt, am Schlaganfall oder an der Lungenembolie.

00:42:50: Sondern der möchte wissen, gibt es Hinweise auf einen verschulden Ja oder Nein.

00:42:55: Und das können wir letztendlich auch bei vollendes veränderten Leichen in aller Regel noch feststellen.

00:43:01: Natürlich können wir den Herzinfarkt nicht mehr sehen oder den Schlaganfall nicht mehr.

00:43:04: Aber wir können immer noch eine grube mechanische Gewalteinwirkung ausschließen, meistens.

00:43:09: Das heißt, wir können immer noch sagen, nicht erschossen, nicht erstorben, nicht erschlagen, nicht erwirbt.

00:43:13: Und wenn dann sich eine toxikologische Untersuchung anschließt

00:43:17: und man dann auch noch eine Vergiftung ausgeschlossen hat,

00:43:20: dann sind wir ja im Prinzip im Ausschlussverfahren.

00:43:23: Und wenn es dann jemand ist, der vielleicht 70, 75, 80 Jahre alt geworden ist

00:43:28: und verkalkte Gefäße aufweist bei der Sektion, die den Tod zum gegebenen Zeitpunkt erklären können,

00:43:35: aber nicht müssen, dann muss man sagen, eins und eins ist zwei.

00:43:39: Und dann führt das wohl das Herz gewesen.

00:43:41: Was kann man denn noch mit der Rechtsmedizin im Positiven tun?

00:43:46: Also was kann man noch helfen zu verhindern mit Erkenntnissen, die Sie gewinnen?

00:43:51: Es geht um im weinsten Sinne geht es darum, aus Fehlern oder aus Abläufen zu lernen für den nächsten Fall.

00:43:58: Und das ist eben im Rahmen dieser Berliner Studie damals so gewesen.

00:44:02: Wir haben uns eben die Schwerverletzten, die alle nicht natürlich verstorben waren.

00:44:06: Deswegen alle als Akte beim Staatsanwalt waren, nicht immer setziert wurden,

00:44:10: aber immer als Akte beim Staatsanwalt waren, haben uns angesehen und haben eben geguckt, wo sind die verstorben,

00:44:16: was haben die für Verletzungsmuster gehabt und wie sind die präklinisch also auf der Straße versorgt worden.

00:44:21: Und haben dann gewisse Gruppen gebildet und haben nach wissenschaftlichen Kriterien tatsächlich geguckt,

00:44:27: war dieser Todesfall prinzipiell vermeidbar oder nicht vermeidbar.

00:44:31: Also beispielsweise der Sprung aus dem 20. Stock, der ist nicht überlebbar.

00:44:35: So gut wird den Medizin niemals sein, dass wenn wir beim nicht mehr erleben, dass man diese Menschen werden retten können.

00:44:40: Wenn jetzt vielleicht jemand ein Messerstich in die Post bekommt und dann einen Spannungsmotor entwickelt,

00:44:46: dann muss man sagen, da kann man mit einer sehr einfachen medizinischen Maßnahme diesen Patienten des Leben retten.

00:44:51: Das muss man auch auf der Straße bereits tun.

00:44:53: Es gibt also Maßnahmen, die kann man nicht ins Krankenhaus transferieren.

00:44:55: Es gibt gewisse Dinge, die muss man auf der Straße tun, sonst ist der Patient tot.

00:44:59: Und die haben wir eben identifiziert, haben die benannt, haben die auch wissenschaftlich, man muss schon fast sagen, breit getreten.

00:45:08: Also das sind natürlich auch, das war ein ganz neuer Ansatz damals.

00:45:12: Das haben wir uns diejenigen, die es angehen, nämlich die Notärzte, auch aus den Händen gerissen.

00:45:16: Das war also sehr, sehr schön, weil das sowas eben im Prinzip noch nicht gab.

00:45:21: Und ich und meine Kollegen sind dann also, ich kam mir schon fast vor, wie Mick Jagger immer Satisfaction sehen muss.

00:45:27: Ja, aber wenn alle Satisfaction hören wollen, dann singen wir es halt.

00:45:30: Zugabe.

00:45:31: Ja, ja.

00:45:32: Und ja, das hat letztendlich, das war natürlich nicht unser, nur unser Verdienst,

00:45:37: da haben auch ganz viele andere Arbeitsgruppen mitgemacht.

00:45:40: Aber als ich anfing, Redistins zu machen, da hieß es noch, jemand, der nach einem Trauma reanimiert werden muss,

00:45:46: wiederbelebt werden muss, hat eigentlich keine Überlebenschancen.

00:45:49: Und man hat dann auch Jahre und viele Jahre im Prinzip alle Menschen gleich reanimiert.

00:45:56: Also es ist egal, ob sie einen Herzenfakt haben und Tod umfallen oder ob sie vom Bus überfahren werden und tot sind,

00:46:01: es wurde immer auf die gleiche Art und Weise reanimiert.

00:46:04: Und wir haben eben durch unsere Arbeiten, andere haben das natürlich auch gemacht,

00:46:08: mit anderen Blickrichtungen, anderen, sozusagen, Schwerpunkten.

00:46:11: Aber wir haben eben nachgewiesen, dass es sinnvoll macht, oder dass es sinnvoll ist,

00:46:15: mit Schwerverletzte, die man reanimieren muss, auf eine bestimmte Art zu reanimieren,

00:46:20: indem man nämlich invasive Maßnahmen durchführen.

00:46:23: Wenn man eben zum Beispiel guckt, muss ich vielleicht ein Spannungsformator aus entlasten,

00:46:27: muss ich mich um externe Blutstimmung kümmern, muss ich mich vielleicht um kaputtes Becken kümmern und so weiter und so weiter.

00:46:33: Und das hat dazu geführt, dass wir heute die Situation unheimlich,

00:46:37: dass die Renovationsleitlinien, die alle fünf Jahre erneuert werden,

00:46:41: im Mittlereile einen eigenen Algorithmus, also ein eigenes Vorgehen,

00:46:45: Vorgehensweise aufweisen für den traumatisch bedingten Herz-Kreis-Ausstillstand.

00:46:50: Dann haben wir sicherlich zu einem kleinen Teil auch zu beigetragen.

00:46:54: Wirklich super spannend. Und wenn Sie sich das anschauen, was meinen Sie,

00:46:58: wohin entwickelt sich die Rechtsmedizin in den nächsten 10, 20 Jahren?

00:47:02: Ich würde mir wünschen, dass wir noch mehr über den Tellerrand gucken.

00:47:06: Wir haben natürlich das Problem, dass wir formal bei jemandem, der verstorben ist,

00:47:11: und nicht natürlich verstorben, weil es beschlagnahmt ist, dass wir uns formal im Strafverfahren befinden.

00:47:16: Das heißt, wir können unsere Befunde natürlich nicht jetzt jedem mitteilen.

00:47:20: Es geht ja auch häufig gegen die behandelnden Ärzte.

00:47:23: Das heißt, mit denen können wir also diesen Fall dann nicht wissenschaftlich aufarbeiten.

00:47:28: Das ist also im Prinzip generell formal nicht möglich.

00:47:33: Aber natürlich kann man, wenn man den einzelnen Fall hat,

00:47:40: wo man sagt, hier können wir vielleicht etwas draus lernen

00:47:42: und können den Klinikern das mitteilen, dass sie vielleicht am nächsten Mal noch darauf auch noch achten,

00:47:46: kann man mit Erlaubnis der Staatsanwaltschaft solche Fälle auch klinisch diskutieren.

00:47:50: So, wenn Sie mich jetzt fragen würden, geht die Rechtsmedizin?

00:47:53: Wie gesagt, ich würde mir wünschen, dass wir noch etwas mehr über den Tellerrand gucken.

00:47:56: Wir sind schon interdisziplinär vernetzt mit Gynäkologen, zum Beispiel mit Kinderärzten,

00:48:01: mit Neuropathologen, mit Pathologen, mit Psychatern.

00:48:05: Ich für meinen Teil mit Anzissisten, mit Unfalltierogen.

00:48:08: Aber man kann sich sicherlich noch sehr viele andere Studienansätze vorstellen,

00:48:14: wo man sagen muss, hier kann man von den Toten für den Lebenden lernen.

00:48:18: Das liegt jetzt ein bisschen kitschig.

00:48:20: Aber das ist ein alterpathologischer Wahlspruch, nicht?

00:48:22: Maudredivivus Dozent, der Tod lehrt die Lebenden.

00:48:27: Und das kann man tatsächlich, also diese Geschichte ist noch nicht erzählt komplett.

00:48:33: Die Toten lehren die Lebenden.

00:48:39: Und diese Geschichte ist eben noch nicht komplett erzählt.

00:48:41: Und ich würde mir wünschen, dass eben dieser interdisziplinär Ansatz,

00:48:46: dieses gegenseitige Vernetzten, eben noch weiter Fortschritt.

00:48:49: Denn wir können ganz viel voneinander lernen.

00:48:51: Also auch wir können natürlich viel vom klinischen Kollegen lernen,

00:48:54: wenn die irgendwelche neuen Prozeduren haben, etabliert haben,

00:48:58: die wählen vielleicht auf einmal auf dem Abduktionszimmer zu sehen.

00:49:01: Und dann fragen, was ist das denn?

00:49:03: Also das kann sehr fruchtbar sein.

00:49:05: Jetzt sind sie ja nicht nur in Schleswig-Holstein aktiv,

00:49:07: sondern werden auch hinzugezogen in anderen Teilen Deutschlands,

00:49:10: also Deutschlandweit, schwer zu erzählen.

00:49:13: Aber was war ihr spannender Fall?

00:49:16: Eigentlich werde ich immer gefragt, was war mein schlimmster Fall?

00:49:19: Was war ich schlimmster Fall?

00:49:21: Das ist eine Frage, die ich gar nicht beantworten kann.

00:49:23: Denn dann müsste man ja zunächst mal die Frage beantworten, was ist schlimm?

00:49:27: Ist es schlimm, wenn ein Dreijähriger schwirbt

00:49:29: oder wenn ein Vater von der Arbeit nach Hause kommt?

00:49:31: Was ist schlimm?

00:49:33: Ich kann das nicht bewerten für mich.

00:49:35: Alles ist schlimm oder alles ist nicht schlimm?

00:49:38: Vernein ist natürlich auch schlimm.

00:49:40: Die Vorstellung, da ist jetzt ein völlig verwester Zustand eines Körpers.

00:49:45: Und den muss ich jetzt obduzieren.

00:49:48: Das ist sicherlich für viele Menschen auch eine größere Herausforderung,

00:49:51: sich das Wort zu stellen.

00:49:53: Weil man natürlich auch die Bilder im Kopf hat

00:49:55: und ich frage mich auch, wie wird man diese Bilder wieder los?

00:49:58: Kann man die wirklich dann so abgeben quasi am Abend,

00:50:02: was sinnvoll wäre oder welchen Mechanismus braucht es?

00:50:06: Aber sie haben doch sicherlich auch so kriminalistisch spannende Fälle mal erlebt,

00:50:12: wo man erst dachte, vielleicht ist es das eine

00:50:15: und am Ende hat man vielleicht sogar durch ihre Arbeit die Erkenntnis geworden.

00:50:19: Da ist was anderes.

00:50:21: Also mir fällt ein Fall ein, da ist noch offen.

00:50:24: Deswegen möchte ich jetzt nicht ins Detail gehen.

00:50:26: Aber aus meiner Berliner Zeit, wo ich als Obduzent,

00:50:30: mit meinen Kollegen, der die Obduktion durchgeführte,

00:50:33: also wir haben das damals, haben den damals obduziert,

00:50:35: und wir sind der Meinung, das ist ein Suizid.

00:50:38: Und die Kriminalpolizei ist nicht dieser Meinung.

00:50:41: Und wir sind da bisher, das ist jetzt über zehn Jahre her,

00:50:44: nicht auf einen Nenner gekommen.

00:50:46: Man war schon bei Akkenzeichen Y, hat da schon Täter gesucht und so weiter,

00:50:51: aber bisher keinen gefunden.

00:50:53: Also das ist so ein Fall, wo ich sagen würde,

00:50:55: da mussten wir schon sehr um die Ecke denken.

00:50:58: Einmal ist es mir möglich gewesen,

00:51:01: dass in England tatsächlich zwei Männer,

00:51:05: die wegen Mordes bereits rechtskräftig verurteilt waren,

00:51:09: sozusagen im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens,

00:51:12: aus dem Gefängnis herauszuholen und deren Unschuld nachzuweisen.

00:51:15: Was war da passiert?

00:51:17: Das war ein ganz interessanter Fall, das erzähle ich vielleicht ganz kurz nur.

00:51:21: Da sitzen vier Männer in einer Wohnung morgens um halb fünf

00:51:25: und trinken Alkohol und streiten sich.

00:51:28: Einer geht dann auf einen anderen los und schlägt den,

00:51:33: bearbeitet den mit dem Messer.

00:51:35: Die anderen beiden sagen dann, oh, das wird jetzt hier aber ein bisschen viel,

00:51:38: gehen dann raus, weil das Bier sowieso alle war, gehen zum nächsten Kiosk,

00:51:41: wollen noch Bier kaufen.

00:51:43: Und das alles dokumentiert auf Kameras.

00:51:45: In England sind hier überall Kameras, viel mehr als in Deutschland.

00:51:48: Wir haben die Wohnung verlassen und sind links abgebogen.

00:51:51: Und kurze Zeit später verlässt dann der Angegriffene,

00:51:55: die Wohnung geht rechts rum und versteckt sie noch hinterm Auto,

00:51:59: ruft noch im Hilfen morgens um halb fünf und so weiter

00:52:02: und biegt dann 16 Meter entfernt in die Straße ein

00:52:05: und war dann nicht mehr gesehen.

00:52:07: Und der vierte, also der Angreifer sozusagen, geht ihm ganz ruhig hinterher,

00:52:10: biegt auch nach rechts aus der Wohnung ab.

00:52:13: Und dann der Angegriffene, eine Minute später,

00:52:16: rolert dann an der Tür eines völlig unbeteiligten Nachbarn

00:52:19: in diese Seitenstraße, wo er abgebogen ist

00:52:21: und ruft um Hilfe.

00:52:23: Und als der Nachbar erwacht und die Tür öffnet,

00:52:26: liegt dieser Angegriffene in einer riesen Blutlager dar und ist tot.

00:52:29: Und der Angeifer ist weg.

00:52:31: Und da wird er versucht zu realisieren, das klappt dann nicht,

00:52:34: der wird dann obduziert und man stellt fest, der hat mehrere Verletzungen

00:52:37: und die tödliche Verletzung ist ein Stich in den Hals,

00:52:40: die ihm eine Halsschlachader und die Luftbröhre

00:52:43: und auch den Kielkopf durchtrennt hat.

00:52:46: Und dann werden also alle drei festgenommen,

00:52:49: die beiden, die Bier holen waren und der Angeifer werden festgenommen.

00:52:53: Und es kommt dann gegen diese drei Männer zu einem Prozess,

00:52:56: vor dem Old Bailey, also den älteste Strafgericht,

00:52:59: in London, genau.

00:53:01: Und man hat ja in England das Jury-System.

00:53:04: Das heißt, da sind jetzt keine Berufsrichter, also nur ein Berufsrichter,

00:53:07: aber keine Strafkammer, wie wir es hier in Deutschland kennen,

00:53:10: oder zwei oder drei Schöpfen.

00:53:12: Sondern da sitzt dann der Jury von acht bis fünf Leuten

00:53:15: und ein Richter, der letztendlich irgendwann das Strafmaß auch festlegt,

00:53:18: aber im Rahmen der Verhandlung offensichtlich eher so moderierenden Charakter hat.

00:53:22: Und diese Jury, diese Laienrichter,

00:53:26: die müssen sich eben nach dem, was sie im Prozess dann dargeboten kriegen,

00:53:30: einigen darauf schuldig oder nicht schuldig.

00:53:33: Und im konkreten Fall hat man gesagt, okay, die beiden,

00:53:36: die die Wohnung verlassen haben, die waren schon ein bisschen einschlägig,

00:53:39: die hatten schon mal Ruhheizelikte und Trunkenheizelikte und so weiter.

00:53:42: Und der Angreifer hatte das also nicht,

00:53:45: der hatte also eine vermeintlich weiße Weste.

00:53:48: Diese Männer kamen alle aus Polen.

00:53:50: Der Angreifer hatte keine weiße Weste, jedenfalls nicht in Polen.

00:53:53: In England hatte er sie schon, aber das war damals noch nicht bekannt.

00:53:56: Und man hat dann letztendlich, und dieses daphonien-Frage gestellt,

00:54:00: hat gesagt, dieser Stich ihren Hals ist in der Wohnung entstanden.

00:54:03: Und der ist dann aus der Wohnung raus mit dem Halsstich

00:54:06: und ist dann vor der Tür, die das Nachbarn zusammengebrochen.

00:54:09: Und dann hat man, hat die Jury offensichtlich gesagt,

00:54:12: okay, die anderen beiden, die also Bier holen waren,

00:54:15: die sind dann nach dem Stich, sind sie eben weggegangen sozusagen.

00:54:18: Und das sind ja auch böse Boomen,

00:54:20: weil die haben ja schon ein kleines Vorstrafenregister.

00:54:22: Und der Angreifer mit der vermeintlich weißen Weste,

00:54:25: der Mr. X, nenne ich ihn jetzt mal, der will es wohl nicht gewesen sein.

00:54:29: So, und das ist auch rechtsmedizinisch nicht hinterfragt worden.

00:54:33: Also man hat die Rechtsmediziner dazu nicht gefragt,

00:54:35: wo dieser Verletzung entstanden sein könnte.

00:54:37: Es gab auch keine rechtsmedizinische leichen Fundortbesichtigung.

00:54:41: Also da ist nie ein Rechtsmediziner vor Ort gewesen.

00:54:43: Das System in England ist nicht so.

00:54:45: Sondern das macht denn die Polizei alleine.

00:54:47: Es kommt dann Polizist zwar zur Obduktion,

00:54:49: aber da ist dann nicht unbedingt dergleiche, der auch vor Ort war und so weiter.

00:54:52: Also auch da gibt es gleich mal stille Post.

00:54:54: Und das sind ja letztendlich auch nicht so medizinischer Sachverstand,

00:54:57: wie das bei einem Rechtsmedizinerwert der dann vor Ort geht.

00:55:00: Das heißt, es wurde also gar nicht hinterfragt,

00:55:02: wo diese Verletzung entstanden ist.

00:55:04: Und dann ist eine Rechtsanwälte auf mich zugekommen aus England

00:55:07: und sagte, Mensch, kann denn das sein,

00:55:09: dass jemand, der einen Stich in den Hals hat,

00:55:11: mit der durchtrennten Halsslagader und so weiter,

00:55:13: diesen Weg noch zurücklegt und so weiter.

00:55:15: Und dann habe ich mich also die Unterlagen alle geben lassen

00:55:18: und habe einen Gutachten gemacht und habe gesagt,

00:55:20: nein, das kann nicht sein.

00:55:21: Diese Verletzung kann nicht in der Wohnung entstanden sein.

00:55:23: Und das Gleiche hat ein irischer Kollege gesagt

00:55:26: und gab es noch ein paar andere,

00:55:29: sage ich mal diskussionswürdige Ermittlungsergebnisse,

00:55:32: die jetzt unerfähig das Rechtsmedizinischen Thema waren.

00:55:35: Und das hat dann dazu geführt,

00:55:37: dass dieser Prozess neu aufgenommen wurde.

00:55:40: Und dazu muss man sagen, die beiden wurden verurteilt.

00:55:43: Die saßen schon seit drei, vier Jahren im Gefängnis.

00:55:46: Und der Dritte, der Angreifer, jedenfalls nach Aussage der beiden,

00:55:49: wurde freigesprochen.

00:55:50: Wurde auch seitdem nie wieder gesehen, bis heute.

00:55:52: Weg.

00:55:53: So.

00:55:54: Und dann haben wir letztendlich,

00:55:56: gab es also wieder Aufnahmeverfahren mit dem Ergebnis.

00:55:59: Es muss noch mal verhandelt werden.

00:56:01: Leider, leider, leider war das zu Corona-Zeiten.

00:56:04: Das heißt, ich konnte persönlich nicht nach England.

00:56:06: Das ist bis heute ein kleiner, fauler Zahn bei mir.

00:56:08: Also ich wäre liebend gerne vor dem Old Bailey mal aufgetreten.

00:56:11: War damals leider nicht möglich.

00:56:13: Trotzdem war das Ergebnis das Richtige.

00:56:15: Denn diese beiden jungen Männer sind dann freigesprochen worden.

00:56:18: Weil sie tatsächlich diesen Stich nicht gesetzt haben konnten.

00:56:22: Denn das ist vor der Tür passiert.

00:56:24: Das ergaben letztendlich auch die Blutspuren.

00:56:26: Und das würde jetzt alles soweit führen.

00:56:28: Aber das kann also nicht anders gewesen sein.

00:56:30: Und die wurden dann freigesprochen, sitzen bis heute in Polen.

00:56:35: Und sind eben auf, sind frei.

00:56:37: Weil sie für eine Tat verurteilt wurden, die sie nicht begangen haben.

00:56:40: Und der Angreifer, der, ich denke, ist wahrscheinlich gewesen ist,

00:56:45: der ist letztendlich nie wieder gesehen worden.

00:56:48: Und juristisch ist ja ganz interessant,

00:56:50: was passiert, wenn man den wirklich nochmal findet.

00:56:53: Ja, das stimmt.

00:56:55: In Deutschland zumindest.

00:56:57: Ich weiß nicht, wie es in Englisch geht.

00:56:59: Aber es gibt ja den Grundsatz juristisch, nee, wie es in Idel.

00:57:02: Das heißt, niemand darf eine Tat zweimal verurteilt werden.

00:57:05: Und der ist hier für die Tat bereits freigesprochen worden.

00:57:08: In der ersten Runde.

00:57:10: Also vielleicht kommt es nochmal dazu,

00:57:12: dass dieses Verfahren nochmal aufgenommen wird.

00:57:14: Ich bin gespannt.

00:57:16: Aber das war sicherlich ein herausragender Moment,

00:57:19: dass man einfach, dass man da zwei Leuten,

00:57:22: also dass das dann zu einem viel Urteil kam,

00:57:25: wo wir dann aber nachweisen konnten, nein,

00:57:27: das ist letztendlich die, wir sitzen hier zu Unrecht.

00:57:30: Wir sehen damit auch, was Rechtsmedizin bewirken kann,

00:57:34: im Gut nach und wie wichtig diese Profession ist.

00:57:37: Und die Erkenntnisse, die sie im Laufe ihres beruflichen Lebens

00:57:41: bis jetzt schon gewonnen haben, großartig.

00:57:43: Wenn es irgendetwas gibt, ein Missverständnis,

00:57:46: das die Öffentlichkeit habt über Rechtsmedizin,

00:57:49: das sie gerne gerade rückt würden, was wäre das?

00:57:52: Also ich empfinde mich nicht hier als Aufklärer oder so,

00:57:56: aber was vielleicht noch wichtig ist,

00:57:59: einfach mal auch hier zu lassen, auch in diesem Format,

00:58:02: wir sind keine Superhelden, sondern wir sind Gutachter,

00:58:05: wir sind Mediziner und wir sind ein kleines Rad,

00:58:09: weil das ist eine Inderrechtsfliege, ja.

00:58:12: Und wir sind keine Superhelden, wir haben keine Superkräfte

00:58:15: und der Heilige Schein, der im weitesten Sinne uns mal gelinglich aufgesetzt wird,

00:58:20: das finde ich manchmal als die Platzierte.

00:58:22: Sagt mit viel Bescheidenheit, Prof. Buschmann, herzlichen Dank

00:58:26: für diesen faszinierenden Einblick in ihre Welt,

00:58:29: eine ganz wichtige Welt im Bereich der Medizin,

00:58:31: großartig, dass Sie das so mit uns geteilt haben.

00:58:33: Heute vielen Dank.

00:58:34: Sehr gerne.

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